Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Mary Marcus Mirjam (Mary) Marcus

(16.8.1844 Hamburg – 22.4.1930 Hamburg)
Direktorin der Israelitischen Töchterschule.
Karolinenstraße 36, Israelitische Töchterschule (Wirkungsstätte)
Namensgeberin für: Mary-Marcus-Kehre
Bestattet auf dem Jüdischen Friedhof an der Ilandkoppel, Grablage: ZZ 9, 108


3470 Mary Marcus
Mary Marcus, Foto: Staatsarchiv Hamburg

Mary Marcus wuchs in finanziell bescheidenen Verhältnissen auf. Schon als Kind musste sie die Benachteiligung und Zurücksetzung als Jüdin, als Mädchen und als Kind armer Eltern erleben, schreibt Ursula Randt in ihrem Buch „Carolinenstraße 35. Geschichte der Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg 1884 -1942“. Mary Marcus’ schulische und pädagogische Laufbahn verlief wie folgt: 1851 bis 1859 Besuch der Töchterschule von Fräulein Johanna Lenning und zusätzlicher Besuch des Seminarkurses von Herrn Voß. Von Oktober 1859 bis März 1862 unterrichtete sie an der höheren Töchterschule von Fräulein Minna Samson. Zwischen 1862 und 1868 Erzieherin bei der Familie S. Spitz in Brünn. Ab April 1868 Schulvorsteherin der Israelitischen Mädchenschule von 1798. Ab 1. April 1884 zusammen mit Mathilde Lippmann Direktorin der zur selben Zeit eröffneten Israelitischen Töchterschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg. Die Schule setzte sich aus der israelitischen Mädchenschule von 1798 und der Armen-Mädchenschule der Deutsch-Israelitischen Gemeinde von 1818, von der Mathilde Lippmann kam, zusammen.
Das Amt einer Schulvorsteherin war damals etwas besonderes. Denn die Leitung staatlicher Schulen hatten ausschließlich Männer. Ursula Randt schreibt: „Die Israelitische Töchterschule war von den 113 Schulen, die der Aufsicht der II. Sektion der Oberschulbehörde unterstellt waren, nach Klassen- und Schülerinnenzahl die umfangreichste.“ Auf die neue Schule gingen mehr als 500 Schülerinnen, die zwischen sechs und vierzehn Jahre alt waren und aus der ärmeren Bevölkerungsschicht kamen. Mary Marcus strebte eine gründliche Ausbildung der Mädchen an, denn nur so sah sie eine Chance für sie, aus ihrer sozialen Schicht aufzusteigen. Mary Marcus zeichnete Strenge, Korrektheit, aber auch Zartgefühl und Behutsamkeit aus. Neuen Unterrichtsmethoden stand sie aufgeschlossen gegenüber. Besonderen Wert legte sie auf freies und fließendes Sprachvermögen der Kinder.
Vom 1. Schuljahr an lernten die Kinder frei zu sprechen. Der Lehrplan reichte über den der staatlichen Hamburger Volksschulen hinaus. Neben Hebräisch wurde Englisch und Literatur und als Wahlfach Französisch gelehrt. Die Schule hatte bald einen guten Ruf und konnte mit den Anforderungen von Realschulen Schritt halten. 1930 erfolgte die offizielle Anerkennung als Realschule.

3470 Grab Mary Marcus Juedischer Friedhof
Grab Mary Marcus, Quelle: Vitavia, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Nach dem Tod von Mathilde Lippmann leitete Mary Marcus die Schule allein weiter. Sie trat erst im Alter von 80 Jahren, 1924, in den Ruhestand. Zu ihrem Abschied erhielt sie die Urkunde einer „Mary-Marcus-Stiftung“, die, wie Ursula Randt schreibt, „aus Beiträgen des Schulvorstandes, ehemaliger Lehrer, Schülerinnen und Freunde der Jubilarin hervorgegangen war; das Geld war für die berufliche Fortbildung von Schülerinnen der Israelitischen Töchterschule nach dem Schulabschluß bestimmt“.[1]
Seit 1985 gibt es im Hamburger Stadtteil Bergedorf die Mary-Marcus-Kehre.
Text: Rita Bake