Clara Horn Clara Maria Amalie Horn
(06.11.1852 in Berlin - 03.07.1884 in Hamburg)
Schauspielerin am Thalia-Theater von 1875 bis 1884
Thalia Theater, Alstertor (Wirkungsstätte)
Gerhart-Hauptmann-Platz (Wohnadresse)
Fuhlsbüttler Straße 756, Ohlsdorfer Friedhof Althamburgischer Gedächtnisfriedhof: Grabplatte „Thalia“
Friedenstraße, Jacobipark (erster Friedhof Hamburgs, eröffnet 1848, aufgehoben 1954). Einige Grabsteine stehen dort noch, auch der von Clara Horn.
„Mein erster Schritt oder Sprung auf die Bretter geschah in der Rolle eines kleinen Grenadiers in dem Ballett ‚Der Geburtstag’. Es ‚schwebt’ mir noch lebhaft vor, wie Se. Excellenz der Herr General-Intendant von Hülsen in wirklich höchsteigener Person uns achtundzwanzig kleinen ‚Ratten’ wie, zu meinem größten Bedauern, der technische Ausdruck lautet, mit eiserner Strenge den Grenadiermarsch einstudirte. Man denke! Achtundzwanzig Rat– das Wort will mir nicht über die Feder, sagen wir Rangen, das klingt weicher. Wieviel Geduld braucht man nicht oft schon im Verkehr mit einer einzigen solchen Naturerscheinung, und nun gar 28! Indeß, Herr von Hülsen hat diese, wie seitdem gewiß noch manche andere Geduldprobe glücklich überstanden, – und auch ich bin mit heiler Haut davon gekommen, trotzdem mein linkes Nebenmädchen mir jedes Mal beim Präsentiren des Gewehres mit demselben einen Schlag auf die Schulter versetzte, so daß mir das Exercitium nachgerade höchst ungemütlich wurde. Zum Glück wurde sie von der angestrebten Carriere sehr bald wieder aufgegeben, so dass weiteres Unglück verhütet wurde; ich aber marschierte und hüpfte lustig weiter, bis ich eines Tages den kühnen Sprung vom Tanzboden auf den Boden des Schauspiels executirte.“[1]
Mit viel Humor erzählt Clara Horn hier von den Anfängen ihrer Theaterlaufbahn. Der Besuch einer Kindervorstellung mit Tanz brachte alles ins Rollen. Seitdem wollte die Neunjährige unbedingt tanzen lernen. Die Eltern, bürgerliche Leute, Inhaber einer Mobilienhandlung in der Friedrichstraße in Berlin, gaben dem Drängen der Tochter nach und ließen sie auf der Königlichen Ballettschule ausbilden. Bereits nach einem Jahr wurde die kleine Clara ins Kinderballett aufgenommen. Doch dann lockte das Schauspiel. Clara Horn erhielt Unterricht bei der Schauspielerin Minona Frieb-Blumauer und hatte 1873 ihren ersten Auftritt im Königlichen Schauspielhaus. Da der Anfängerin hier jedoch nur kleine Rollen angeboten wurden, ging sie für ein Jahr nach Danzig, um ein wenig Routine zu bekommen. Danach verschaffte die Empfehlung ihrer Lehrerin ihr zunächst ein Gastspiel, dann ein Engagement am Thalia-Theater in Hamburg. Die folgende kleine Anekdote zeigt, wie sehr Clara Horn damals noch der Übung und Erfahrung bedurfte: Als sie sich kurz vor ihrem Gastspiel mit Fieber ins Bett legte, schickte man den Arzt Dr. Engel-Reimers zu ihr. Ein Blick genügte: „Sie haben wirklich Fieber, mein Fräulein, aber es ist nur ein unschuldiges Lampenfieber, für das freilich kein Kräutlein gewachsen ist. Sie müssen sich einfach tüchtig zusammennehmen.“[1]
Clara Horn folgte seinem Rat und bestand mit ihrer kleinen Rolle vor Publikum und Kritikern. Ihren ersten echten Erfolg hatte sie als Fifi in dem Lustspiel „Die Augen der Liebe“ von Wilhelmine von Hillern, der Tochter der damals überall gespielten Charlotte Birch-Pfeiffer. Über Nacht war der Name Clara Horn bzw. Fifi, wie ihre Kolleginnen und Kollegen sie fortan nannten, in Hamburg in aller Munde. Schnell avancierte sie zum Publikumsliebling schlechthin.
Einer ihrer Verehrer, Harbert Harberts, schrieb in einem biographischen Abriss, mit dem er der flüchtigen Kunst der Schauspielerin ein Denkmal setzen wollte: „Wenn auf der Bühne der Frohsinn sein rosenrotes Scepter schwang, dann concentrirte sich zumeist unser Interesse auf eine Gestalt und sie war der Magnet, dem die Herzen zuflogen. Der Magnet hieß Clara Horn. Jedes Wort, das in so gewinnender Schalkhaftigkeit, in so köstlichem Mutwillen von ihren Lippen perlte; die reizende Natürlichkeit, mit der sie jede Bewegung, jede Geste ihres Spiels ausführte, nahm uns gefangen und sicherte Stürme des Beifalls, die sie allabendlich zu ernten pflegte. Sie war im besten und schönsten Sinne des Wortes unser Liebling.“[1] Aber nicht nur das Publikum, auch die Kritiker waren bezaubert von der jungen Schauspielerin. Ein Journal rühmte: „Man darf kühnlich behaupten, daß Clara Horn in ihrem Genre unerreicht dasteht. Ihr Lachen und Weinen ist unübertrefflich und von bezaubernder Wahrheit, ihr eigenthümlich trockener und doch so liebenswürdiger Humor übt eine magische Wirkung auf die Zuschauer aus; Alles an ihren Leistungen athmet Anmuth und Heiterkeit, nirgendwo läßt sich eine Absichtlichkeit, ein Haschen nach gewöhnlichem Theatereffekt entdecken, mit einem Worte: Clara Horn ist eine echte Künstlerin, die mit Recht die reichen Ovationen verdient, welche ihr von allen Seiten dargebracht werden, ein echtes Kind der heiteren Muse Thalia, deren Schwestern die Wiege des Pathchens mit herrlichen Gaben überschütteten.“ [1]
Als Clara Horn sich ins ernste Fach vorwagte, scheiterte sie. Ihre Domäne war der Backfisch, der ins weibliche übersetzte dumme Junge, der damals in zahlreichen Lustspielen und Possen vorkam, und sie war nach einigen missglückten Versuchen klug genug, ihre Grenzen nicht mehr zu überschreiten.
Das Jahr 1882 war für Clara Horn in doppelter Hinsicht ein ganz besonderes. In diesem Jahr begegnete sie den zwei Männern, die wenig gemein, aber für sie und ihr Leben eine große Bedeutung hatten: dem Kaiser und ihrem künftigem Bräutigam.
Kaiser Wilhelm II. hatte Clara Horn schon als kleines Kind verehrt. Sein Bild, das der Bruder des Kaisers der kleinen Ballettrange geschenkt hatte, hing gerahmt in ihrem Zimmer. Zum Kaisergeburtstag beschloss die Zwölfjährige zusammen mit ihrer älteren Schwester Julie, ihn bei seiner Spazierfahrt durch den Tiergarten zu erwarten und ihm ein Blumenbouquet in die Kutsche zu werfen. Da der Kaiser an diesem Tag jedoch einen neuen Weg für seine Ausfahrt gewählt hatte, warteten die beiden Mädchen vergeblich, und es blieb ihnen nichts anderes übrig, als das Bouquet durch einen Dienstmann ins Schloss schicken zu lassen. Am nächsten Tag erschien der Kaiser persönlich im Theater, bedankte sich bei Clara und bat scherzend um ein neues Bouquet. Fortan schickte Clara Horn dem Kaiser zu jedem Geburtstag Blumen und illuminierte ihre Fenster. Nun, im Sommer 1882, sollte sie ihm bei einem Gastspiel in Bad Ems erneut begegnen. Er zeigte sich entzückt von ihrem Spiel und ließ ihr ein kostbares Armband überbringen. Als man sich am nächsten Tag auf der Promenade traf, plauderte man angeregt.
Dem zweiten bedeutenden Mann ihres Lebens begegnete sie auf der Insel Norderney. Hier traf Clara Horn, die äußerst beliebt war und in Kreisen verkehrte, die sonst über ihresgleichen die Nase rümpften, den begüterten Guts- und Mühlenbesitzer Josef Daubeck aus der Umgebung von Brünlitz in Böhmen. Die beiden verliebten sich ineinander, zu Ostern 1884 fand die offizielle Verlobung statt, im Mai, bei Saisonende, wollte Clara Horn ihren Abschied von der Bühne nehmen und im Monat darauf ihren Bräutigam heiraten. Doch es kam anders.
Am 13. Mai 1884 brach Clara Horn nach Schluss der Vorstellung zusammen. Die offizielle Diagnose: Gelenkrheumatismus. Die ganze Stadt nahm rührenden Anteil an dem Schicksal der jungen Schauspielerin. Täglich brachten die Zeitungen Meldungen über ihr Befinden, die Menschen strömten in ihr Haus am Pferdemarkt (heute Gerhart-Hauptmann-Platz), um sich selbst nach ihrem Zustand zu erkundigen. Als sie sieben Wochen nach diesem Zusammenbruch starb, blieb die offizielle Version eines Gelenkleidens bestehen. Dass die wahre Todesursache wohl im Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes stand, zeigt ein Eintrag in das Ohlsdorfer Grabregister, wo der Tod eines Sohnes der Schauspielerin Clara Horn am 17. Juni 1884 nach nur einer Stunde Lebenszeit vermerkt ist.
Nach einer Trauerfeier, die einer Fürstin zur Ehre gereicht hätte, wurde Clara Horn auf dem Jakobi-Friedhof beigesetzt. Josef Daubeck ließ einen großen Grabstein mit einem Bronzerelief anfertigen, das einen Engel mit umgedrehter Fackel zeigt. Er ist heute noch an der alten Stelle zu finden, obwohl der Friedhof längst aufgelassen ist – im öffentlich zugänglichen Jakobipark. In seinem Haus umgab sich Josef Daubeck mit allen verfügbaren Bildern von seiner Braut, die er in Lebensgröße hatte ausführen lassen.
Text: Brita Reimers