Katharina Klafsky Katharina Klafsky (gesch. Liebermann verw. Greve verh. Lohse)
(19.09.1855 in St. Johann/Ungarn - 22.09.1896 in Hamburg)
Opernsängerin
Klosterallee 10 (Wohnadresse)
Stadttheater (Hamburgische Staatsoper) Dammtorstraße (Wirkungsstätte)
Garten der Frauen, Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756 (Grabstein)
Auf dem Ohlsdorfer Friedhof liegt ein umgefallener Stein, auf dem nur „Katharina“ steht – sonst nichts. Kein Geburts- und Sterbedatum, kein Nachname. So war es von Katharina Klafsky gewollt.
Sie wurde am 19. September 1855 in dem deutsch-ungarischen Dorf St. Johann als Tochter eines Flickschusters geboren. Schon als Kind fiel sie durch ihre besondere stimmliche Begabung auf und sang ab dem achten Lebensjahr im Kirchenchor. Eine Gesangsausbildung konnten ihre Eltern jedoch nicht bezahlen. Nach dem Tod ihrer Mutter im Jahre 1870 und der Wiederverheiratung ihres Vaters verließ Katharina Klafsky ihr Heimatdorf. Es war für sie zu Hause noch enger geworden. Sie zog nach Sopron (Oedenburg) und weiter nach Wien. Ihr Wunsch war es, zu singen. Aber da sie weder Geld hatte noch einflussreiche Menschen kannte, blieb ihr nichts anderes übrig, als zuerst einmal als Kindermädchen zu arbeiten. Ihrem Dienstherrn fiel ihre Begabung auf. Er schickte sie 1873 zu einem Organisten, der sie nach kurzer Ausbildung an den Direktor der „Komischen Oper“ in Wien empfahl, wo sie eine Anstellung als Choristin für 30 Gulden im Monat bekam. Auch in Wien fiel Katharina Klafsky auf. Der Konzertmeister vermittelte sie an Mathilde Marchesi, die später zur bedeutendsten Gesangspädagogin des 19. Jahrhunderts werden sollte. Die Kosten für die Ausbildung wurden durch Spenden von „hohen Persönlichkeiten“ getragen.
Nach knapp zwei Jahren brach Katharina Klafsky die Ausbildung jedoch ab. Freunde müssen ihr eingeredet haben, sie habe einen solchen „Schulzwang“ nicht nötig, und sie war naiv genug, das zu glauben. Doch schnell bereute sie diesen Schritt, denn anders als ihr vorgegaukelt, fand sie kein Engagement als Solistin und musste weiterhin als Choristin tätig sein. Am Salzburger Stadttheater hatte sie erste kleinere Erfolge, zum ersten Mal wurde auch die Öffentlichkeit auf sie aufmerksam. Doch wieder brach sie ab, was sich langsam zu entwickeln begann. Sie heiratete den Kaufmann Liebermann und zog mit ihm nach Leipzig, wo sie zwei Söhne gebar. Da die Ehe jedoch nicht glücklich verlief, trennte sich das Ehepaar (später kam es zur Scheidung), und Katharina Klafsky nahm wieder ein Engagement an der Oper an. Am Leipziger Stadttheater, dessen Operndirektor zu jener Zeit Angelo Neumann war, sang sie im Chor und übernahm kleinere Rollen, bei „bescheidener Gage“. Wiederum stellten sich kleine Erfolge ein, so dass sie hin und wieder auch größere Aufgaben bekam. Am 8. September 1879 sang sie ihre erste große Rolle in iener Operette, am 22. Oktober 1879 ihre erste große Wagner-Partie, die Venus in „Tannhäuser“. Eine Wagnersängerin war geboren. Angelo Neumann schreibt später: „Katharina Klafsky ist in Leipzig von mir als Anfängerin eingeführt und eine jener jungen Kräfte, die ich mir nach und nach herangezogen habe.“[1]
Als er im Sommer 1882 ein Tournee-Ensemble gründete, um Wagners „Ring der Nibelungen“ in ganz Europa aufzuführen, nahm er auch Katharina Klafsky mit, die inzwischen Studien bei Joseph Sucher und Friedrich Rebling absolviert hatte. Sie sang vornehmlich kleinere Rollen, nur ausnahmsweise bekam sie auch einmal eine größere Partie wie in Danzig, als Neumann völlig überraschenderweise sie anstelle der damals weltberühmten Therese Vogl mit der Rolle der Sieglinde betraute.
Während einer Tournee durch Italien im Mai 1883 erkrankte Katharina Klafsky an einer schweren Venenentzündung und Malaria. Nach vier Monaten erst wurde sie aus dem Krankenhaus in Turin entlassen. Obwohl noch schonungsbedürftig, musste sie aus finanziellen Gründen schnell wieder arbeiten. Für die Spielzeit 1883/84 nahm sie bereits ein Engagement bei Angelo Neumann an, der inzwischen Direktor am Bremer Stadttheater geworden war. Vorher reist sie nach Leipzig, um ihre Kinder abzuholen, die dort in Pflege waren.
Auch in Bremen war sie nur für mittlere Rollen vorgesehen, zumal man ihr nach der langen Krankheit keine großen Rollen zutraute. Doch durch den Tod der Primadonna Hedwig Reicher-Kindermann und Misserfolge anderer Kolleginnen erhielt sie die Chance, große Partien zu singen. Ihre Leonore in Beethovens „Fidelio“ wurde ein Riesenerfolg – der Durchbruch war geschafft. Sie arbeitete jetzt ohne jede Rücksicht auf sich und ihre Stimme:
„Das körperliche Befindender Klafsky war übrigens im Winter 1884/85 von der bedeutenden Anstrengung, eine ganze Reihe großer Partien neu zu studieren, zahllosen Proben beizuwohnen und daneben an sechzig Abenden die schwersten und angreifendsten Rollen zu bewältigen, doch recht ungünstig beeinflußt worden; auch stimmlich machte sich vereinzelt eine besorgniserregende Ermüdung geltend. Vor allem war die rastlos Strebende, wie sie ihrem zur Vorsicht mahnenden Lehrer, Paul Geisler, später eingestand, ‚rasend nervös’ geworden“.[1] Bei ihrem ersten Auftritt in Berlin im März 1885 erfüllte sie die Erwartungen ihrer Zuhörer dann auch so wenig, dass weitere schon verabredete Gastspiele dort nur auf inständiges Bitten ihres Lehrers zustande kamen. Doch bald muss Katharina Klafsky sich wieder gefangen haben. Bei Gastspielen in Hamburg und Wien wurde sie kurz darauf stürmisch gefeiert und „als eine reine, zum höchsten berufne, mit den größten Mitteln ausgestattete und reichbegabte Künstlernatur“1 anerkannt. Von ihrer Isolde, die sie im Hamburger Stadttheater am 05. Mai 1885 zum ersten Mal sang, hieß es im „Hamburger Fremdenblatt“: „Die Isolde der Frau Klafsky repräsentiert diese reine Menschlichkeit, das nur ihrem glühenden Empfinden gehorchende Weib in jedem Zuge, ohne jemals in der Darstellung oder musikalisch die Grenze der Schönheitslinie zu überschreiten.“[1]
1886 nahm Katharina Klafsky ein festes Engagement am Hamburger Stadttheater an und blieb hier mit Unterbrechungen bis zu ihrem Tode. 1887 heiratete sie den Bariton Franz Greve, der ebenfalls zum Ensemble des Stadttheaters gehörte. Mit ihm hatte sie eine Tochter.
Die Hamburger Zeit war geprägt von zahlreichen großen Erfolgen am eigenen Haus und bei Gastspielen in Berlin, Köln, Stuttgart, Wien, Paris, London und St. Petersburg. Sie sang nicht nur an Opernhäusern, sondern trat auch in Konzertsälen und bei Musikfesten auf. Am 12. Mai 1892 starb Franz Greve. 1895 heiratete Katharina Klafsky ihren dritten Mann, den Kapellmeister am Hamburger Stadttheater, Otto Lohse. Im gleichen Jahr brach sie ihren Vertrag mit dem Stadttheater und verließ Hamburg für eine ausgedehnte Tournee durch die USA. Ihr erster Auftritt fand am 12. November 1895 in Cincinnati statt, Katharina Klafsky sang die Brünnhilde in der „Walküre“. Als nächste Station folgte Chicago. Nach überaus erfolgreichen Auftritten in mehr als 20 Städten der USA endete die Tournee im März 1896 mit mehreren Abenden in New York.
Nach ihrer Rückkehr nach Hamburg traf sie mit dem Stadttheater ein Arrangement, das ihr erlaubte, einen Teil der Saison in Hamburg, den anderen in den USA zu verbringen. Doch das sollte sie nicht mehr ausschöpfen können. Am Abend des 11. Septembers 1896, als sie wieder einmal die Leonore im „Fidelio“ gesungen hatte, bekam sie heftige Beschwerden – ein Gehirngeschwulst, das sie sich wahrscheinlich in den USA zugezogen hatte, als sie gegen eine Tischplatte gefallen war. Katharina Klafsky starb am 22. September 1896 an den Folgen der Operation. Sie war erst 41 Jahre alt und auf der Höhe ihrer gesanglichen Fähigkeiten.
Die Bestattung fand am 25. September 1896 auf dem Ohlsdorfer Friedhof statt. Mehrere tausend Menschen nahmen an der Beerdigung teil. Der Vorplatz des Friedhofes und der ganze Weg bis zur Kapelle 2 sollen so überfüllt gewesen sein, dass der Trauerzug kaum hindurch kommen konnte. Katharina Klafsky hatte alles bühnenreif inszeniert: Im Gewand der reinen, der „heiligen“ Elisabeth aus dem letzten Akt von Wagners „Tannhäuser“ ließ sie sich in der Grabstätte ihres zweiten Mannes Franz Greve beisetzen. Das Orchester des Stadttheaters spielte den Chor „O Isis und Osiris“ aus Mozarts „Zauberflöte“, in dem die Priesterversammlung die Erwartung ausspricht, dass der Prinz Tamino bald der Eingeweihten würdig sein werde. Die Hoffnung und der Wunsch auf Entsühnung mögen die Beweggründe für Katharina Klafskys letzten Willen gewesen sein.
Ob sie bei ihrer Entscheidung für die Elisabeth wohl daran gedacht hatte, das das Pendant, die Venus, ihre erste große Rolle auf der Bühne gewesen war?
Text: Stefan Sedlmair/Brita Reimers