Hamburgische Staatsoper
Hamburgische Staatsoper in der NS-Zeit; Stolpersteine vor der Staatsoper; Geschlechterrollen auf der Opernbühne
Stadttheater 1934 in „Hamburgische Staatsoper“ umbenannt, weitestgehend zerstört: 1943, Neubau 1953, Neubau des Betriebsgebäudes: 2005
Dammtorstraße 28 (heute)
Vorläuferinnen: Stadttheater; Comödienhaus; Gänsemarktoper
Siehe auch: Elsa Bernstein
Stadttheater/Hamburgische Staatsoper in der NS-Zeit
„Die Herrschaft der Nationalsozialisten brachte auch für das Stadttheater einschneidende Veränderungen. Das seit 1828 bestehende Philharmonische Orchester und das Orchester des ,Stadt–Theaters‘ wurden fusioniert, das „Stadt-Theater“ 1934 in [Hamburgische] Staatsoper umbenannt. Eugen Jochum [1902–1987] löste Karl Böhm [1894–1981] als Ersten Kapellmeister in Hamburg ab. Angehörige des Hauses, die politisch missliebig oder jüdischer Herkunft waren, wurden entlassen“,[1] erklärt Rüdiger Thomsen-Fürste in seinem Buch „Hamburg musikalisch. Spurensuche in der Neustadt“.
Stolpersteine vor der Staatsoper
Seit April 2007 erinnern zwölf Stolpersteine in der Mitte des Säulenganges vor der Staatsoper an Künstlerinnen, Künstler, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Oper, die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden. Die Steine erinnern an: den Chorsänger Kurt Abraham Salnik, die Sopranistin Camilla Fuchs, die Sängerin Ottilie Metzger-Lattermann, den Werkstättenleiter Jacob Kaufmann, den Theaterarzt Max Fraenkel, den Dirigenten und Komponisten Gustav Brecher, den Chorsänger Mauritz Kapper, Bruno Wolf, der im Orchester spielte, die Altistin Magda Spiegel, den Komponisten und Dirigenten Viktor Ullmann, den Kapellmeister Hermann Frehse und den Tenor Joseph Schmidt.
Die „Hamburgische Staatsoper“ nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute
Nach Kriegsende wurde sofort mit den Räumarbeiten und dem Wiederaufbau der „Hamburgischen Staatsoper“ begonnen. Währenddessen behalf man sich zunächst mit dem „Thalia-Theater“ und der „Musikhalle“ als Aufführungsorte. Bereits 1946 war mit einem provisorischen Theater mit 606 Plätzen in dem von der Bombardierung verschont gebliebenen Bühnenhaus in der Dammtorstraße eine Interimslösung geschaffen worden.
„Das Bespielen eines Opernhauses war in den Jahren nach der Kriegskatastrophe, als die Städte wieder aufgebaut wurden, keine Selbstverständlichkeit. Es bedurfte klarer politischer Entscheidungen für die Kultur. Obwohl viele Politiker nach dem Krieg der Meinung waren, dass eine Oper nicht das dringlichste sei, was die Stadt in dieser Zeit brauche, sorgte der sozialdemokratische Bürgermeister Max Brauer [1887–1973] dafür, dass der Betrieb wieder aufgenommen wurde. Er stellte kategorisch fest, dass die Oper ebenso wichtig sei wie sozialer Wohnungsbau. Als die Besucher im Winter 1946/47 trotz Decken und heißer Getränke froren, weil es keine Kohle gab, hatte Brauer die Idee: Kohle gegen Kunst. Bergarbeiter im Ruhrpott legten Sonderschichten ein. Dafür gaben die Philharmoniker im Pott Konzerte. Aus dieser aus der Not heraus geborenen Idee entwickelten sich dann die Ruhrfestspiele Recklinghausen.“[2]
Dem Bühnenhaus wurde 1953 ein Vorderhaus-Neubau mit Foyer und Zuschauerraum von dem Architekten Gerhard Weber (1909–1986) vorgesetzt.
Am 13. Oktober 1955 wurde die „Hamburgische Staatsoper“ mit 1679 Plätzen wiedereröffnet.
In den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde „im Zuge der politisch unruhigen 1960er Jahre (...) die Existenzberechtigung der Oper von vielen überhaupt infrage gestellt. Der französische Komponist Pierre Boulez [geb. 1925] forderte sogar, man solle alle Opernhäuser niederbrennen. [Rolf] Liebermann [von 1959 bis 1973 Opernintendant] sah sich bald zwischen den Stühlen. Dem konservativen Opernpublikum war er zu radikal, anderen galt er als Lenker einer überkommenen Musikinstitution.
Neben der Förderung des modernen Musiktheaters sorgte Liebermann [1910–1999] dafür, dass die qualitative Kluft zwischen Premiere und den herkömmlichen Vorstellungen von Repertoirestücken geschlossen wurde. Er bildete ein Ensemble heran, das fest am Haus engagiert war und hohe Qualitätsansprüche gewährte. Auf diese Weise wirkte er dem Starsystem mit seinen negativen Auswirkungen auf den Musiktheater-Betrieb entgegen.“[3]
Liebermanns Nachfolger August Everding (1928– 1999) engagierte 1973 John Neumeier (geb. 1942) für die Leitung des Ballettfaches. John Neumeier wurde Ballettdirektor und Chefchoreograph. Ab 1996 erhielt er zusätzlich den Status eines Ballettintendanten. Mit Neumeier, Träger des Bundesverdienstkreuzes, erlangte das Hamburger Ballett Weltruhm. Seit 1975 veranstaltet er als Abschluss und Höhepunkt der Saison die von ihm ins Leben gerufenen „Hamburger Ballett-Tage“.
August Everding holte als Chefregisseur Götz Friedrich (1930–2000) nach Hamburg und installierte die „Opera Stabile“. „Und mit Werkstattveranstaltungen in der Reihe ‚Musiktheater in der Diskussion‘, Gesprächen mit dem Publikum und engen Kontakten zu den Schulen setzt Everding in seiner erfolgreichen Arbeit einige neue Akzente. Ein Gastspiel in Israel mit Schönbergs ‚Moses und Aron‘ und einige Ballettaufführungen waren in der Spielzeit 1974/75 ein Höhepunkt in Everdings Wirken.“[4]
1997/98 übernahm dann Dr. Albin Hänseroth (1939– 2004) die Intendanz der Oper und Ingo Metzmacher (geb. 1957) den Posten des Generalmusikdirektors. „Auch in dieser Zeit gab es hohe musikalische Auszeichnungen für die Inszenierung von Opern. Unter dem Opernintendanten Louwrens Langevoort [geb. 1957], der im Jahre 2000 Albin Hänseroth ablöste, wurde die Kinderopernreihe ‚Opera piccola‘ gegründet. Nach dem Prinzip ‚Kinder machen Oper für Kinder‘ wird hier der Nachwuchs im künstlerischen Bereich ebenso gefördert wie das junge Publikum,“[5] heißt es auf der Website der „Hamburgischen Staatsoper“.
2001 beschloss die Hamburgische Bürgerschaft den Neubau eines Betriebsgebäudes. „Mit einem Volumen von 37 Millionen Euro stellte das neue Betriebsgebäude die umfangreichste Investition der Freien und Hansestadt Hamburg im Kulturbereich in den letzten Jahren dar.“[6] Noch im selben Jahr wurde das alte Betriebsgebäude abgerissen und mit dem Neubau begonnen. Am 3. Januar 2005 konnte das neue Betriebsgebäude eingeweiht werden. Der Entwurf des Hauses kam von dem Hamburger Architektenbüro Konstantin Kleffel (geb. 1943), Uwe Köhnholdt (geb. 1940) und Partner. „Auf einer Grundfläche von 8500 qm entstanden drei große Probebühnen, ein Orchesterprobensaal für das Philharmonische Staatsorchester, ein Chor- und ein Ballettprobensaal sowie zahlreiche Büro- und Aufenthaltsräume. In den oberen Geschossen sind die Werkstätten eingezogen, darunter die Kostümschneiderei, die Maskenbildnerei, die Rüstmeisterei und die Hutmacherei. In den Untergeschossen ist Platz für Lager- und Magazinräume, zudem konnten im Bereich des zentralen Lastenaufzugs kleinere Tischler- und Schlosserwerkstätten für Reparaturen im laufenden Betrieb eingerichtet werden. Viele Transporte werden durch den Neubau überflüssig, denn Dekorationen für 10 bis 14 Spieltage können nun im fertigen Tagesmagazin gelagert werden. Der neue komplett versenkbare Drehscheibenwagen entspricht dem höchsten technischen Standard und bietet noch vielfältigere Möglichkeiten bei der Realisierung von Bühnenbildern sowie schnellere Umbauten.“[7]
Mit der Spielzeit 2005/2006 übernahm dann zum ersten Mal in der Geschichte der „Hamburgischen Staatsoper“ eine Frau die künstlerische Leitung: die australische Dirigentin Simone Young (geb. 1961). Als Opernintendantin und Hamburgische Generalmusikdirektorin „verbindet Simone Young die Tradition des Hamburger Opernhauses mit modernem Musiktheater. (…) Künstlerische Akzente setzt Simone Young mit einem 2006 begonnenen Britten-Zyklus, mit der Reihe ‚Opera rara‘, die selten aufgeführte Werke in konzertanter Form zeigt (…). Auch Nachwuchsförderung wird an der Staatsoper Hamburg weiterhin groß geschrieben. Die jungen Sängerinnen und Sänger des internationalen Opernstudios stellen jede Saison eine eigene Produktion vor, und bei der Kinderopernreihe ‚Opera piccola‘ sitzen die Kinder nicht nur im Publikum, sondern wirken auch als Sänger mit. ‘“[8] Simon Young war bis 2015 an der Hamburgischen Staatsoper beschäftigt.
Geschlechterrollen auf der Opernbühne
„Oper ist Drama und Leidenschaft, ausgedrückt durch Gesang, Musik und Szene“, sagte Simone Young. „Sie berührt Herz und Verstand mit einer Unmittelbarkeit, die es heute nicht mehr oft zu erleben gibt.’“
Besser als Simone Young kann man nicht ausdrücken, was die Oper bewirken kann. Die Oper ist also nicht nur ein musikalisches Kraftwerk, sie berührt, wie Simone Young sagt, auch den Verstand – und damit werden Opernaufführungen für die politische Bildung interessant, denn die Opernlibretti behandeln oft Themen der Zeitgeschichte, beschäftigen sich mit Krieg und Frieden, mit Armut und Reichtum und mit Geschlechterrollen. „Oh wie so trügerisch“: Ideale Geschlechterrollen auf der Opernbühne und die gesellschaftliche Realität“ hieß deshalb auch eine 1998 von der „Landeszentrale für politische Bildung“ in der „Hamburgischen Staatsoper“ durchgeführte Veranstaltung.
Im vollbesetzten Foyer des 4. Ranges der „Hamburgischen Staatsoper“ präsentierten die Historikerinnen Birgit Kiupel und Rita Bake mit den Sängerinnen Maria Freudenthal-Kleina und Karin Kunde sowie der Musikerin Marie-Luise Bolte verschiedene stadtbekannte Opern, leuchteten deren sozial-geschichtlichen Hintergründe aus und verglichen die in diesen phantastischen Opernwelten gelebten Geschlechterrollen mit den gesellschaftlichen Realitäten.
Opernwerke sind Dokumente, die die Atmosphäre der Zeit, den Seelenzustand der Völker und die Ereignisse der Tagespolitik sehr genau widerspiegeln. Sie sind ein klingendes zeitgeschichtliches Dokument.
Mit Musik, einem Medium, das alle menschlichen Sinne erreicht, werden Botschaften oft einprägsamer und nachhaltiger aufgenommen, als es oft irgendein wissenschaftlicher oder politischer Text vermag. Und so ist die Oper seit Jahrhunderten eine nicht zu unterschätzende Übermittlerin von Geschlechterrollenmustern. Die Musik erzählt von Gewaltverhältnissen, von sozialen Konflikten und von oftmals tödlichen Kämpfen zwischen Mann und Frau. Was sich auf der Bühne beim Spiel zwischen den Geschlechtern abspielt, beinhaltet klare Botschaften in puncto Übermittlung gesellschaftlich sanktionierter Geschlechterrollenmuster.
Früher war die Oper zwar als Bildungsträgerin weitaus wichtiger als heute. Aber nach wie vor geht das Bildungsbürgertum in die Oper. Wirken nicht auch auf diese die Botschaften, eingebettet und damit gut verdaulich in ergreifender Musik? Und wenn sie wirken: Wirken diese in Musik vertonten Geschlechterrollenmuster etwa nur in den nächtlichen Träumen der Opernbesucherinnen und -besucher nach? Nehmen diese die Botschaften nicht auch mit in ihre eigene Realität, an ihren Arbeitsplatz, wo sie verantwortungsvolle Positionen bekleiden?
Die Oper ist in vielfältiger Hinsicht ein Politikum – so gilt sie als Standortfaktor, als sozialer Treffpunkt und Erlebnisraum. Auch das Bühnengeschehen fungiert als gesellschaftlicher Spiegel – und damit auch als Ort der Geschlechterpolitik, denn die Oper lebt von der Konstruktion der Liebe – und damit in unserer Gesellschaft von der Konstruktion zweier Geschlechter.
Siehe zu Sängerinnen, Tänzerinnen, Ballettmeisterin, Choreographin, Stifterin ab 1934:
Ilse Koegel; Hedi Gura; Gusta Hammer; Helene Werth; Helga Swedlund; Erika Hanka;
Erna Schlüter; Maria von Ilosvay; Clara Ebers; Elfriede Wasserthal; Martha Mödl; Dore Hoyer; Maria Fried; Charlotte Uhse.
Text: Rita Bake