Herbertstraße (Bordellstraße)
um 1900 bis heute
Herbertstraße Stadtteil St. Pauli
Um 1900 soll die „Herbertstraße“, die damals noch „Heinrichstraße“ hieß und erst 1922 in „Herbertstraße“ umbenannt wurde, als geschlossene Wohnanlage für Prostituierte, vor der Stadt eingerichtet worden sein. Zuvor hatten die Prostituierten in der Davidstraße auf Freier gewartet. Doch als der Fahrverkehr in die Davidstraße zunahm, konnten die Prostituierten dort nicht mehr ihrem Geschäft nachgehen.
Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden Maßnahmen zur “Säuberung des Straßenbildes” durchgeführt. “Die ‘Säuberungspolitik’ der Hamburger Polizei wurde durch ein den Prostituierten ausgehändigtes “Strichverbot” unterstützt, das diesen die Arbeit in sechs Stadtteilen untersagte. Eine Ausnahme wurde für die Herbertstraße gemacht. Hinter dieser Ausnahme verbarg sich die Wiedereinführung der Kasernierung auf dem Verordnungswege. Die Herbertstraße wurde staatlich gefordert und gefördert - zur ‘Bordellstraße’ mit Sichtblenden und Hausordnung gemacht. Hier war Prostituierten die Arbeit polizeilicherseits gestattet, hier fungierte der Staat als Zuhälter. Die Straßen sollten gesäubert werden, die Prostituierten aus dem öffentlichen Leben verschwinden, gleichzeitig aber - kontrolliert und ausgegrenzt - bei Bedarf verfügbar sein.”[1] Seit 1984 ist der Zutritt in die Herbertstraße für Frauen und Jugendliche unter 18 Jahren verboten.
Bereits die bürgerliche Frauenbewegung hatte schon gegen Ende des 19. bis ins 20. Jhd. hinein einen Kampf gegen die Reglementierung der Prostitution geführt. 1899 gründete sich auf Initiative von Lida Gustava Heymann der “Hamburger Zweigverein der britischen kontinentalen und allgemeinen Föderation”. Vereinsziel war: die Abschaffung der Prostitution als gesetzliche und geduldete Institution und Bekämpfung der Prostitution durch erzieherische und soziale Reformen. Um dies zu erreichen, musste zuerst einmal die staatliche Reglementierung abgeschafft werden. Die Prostituierten mussten sich bei der Sittenpolizei einschreiben und standen unter der Aufsicht ihrer Beherberger. Die “Föderation” vertrat die Meinung, der Staat habe aus “sittenpolizeilichen Gründen weder irgend einer Frau die ärztliche Untersuchung aufzuzwingen, noch die prostituierende Person irgend einer gesetzlichen oder polizeilichen Ausnahmebehandlung zu unterwerfen”.[2] Die “Föderation veranstaltete kostenlose Aufklärungsvorträge für Jugendliche ab 14 Jahren, forderte obligatorische Aufklärungskurse für die höheren Volksschulklassen und hielt gut besuchte öffentliche Versammlungen ab. Gegen Letztere ging die politische Polizei hart vor. Damit wollte sie in erster Linie Lida Gustava Heymann mundtot machen. In ihr, die zum radikalen Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung gehörte, sah das die Politik bestimmende Bürgertum eine große Gefahr. Schließlich wurden diese Versammlungen der „Föderation“ in Hamburg verboten, woraufhin die “Föderation” ihre Veranstaltungen im preußischen Altona durchführte.
Als Lida Gustava Heymann 1904 nach Berlin ging, entspannte sich die Situation und ab 1906 wurden die öffentlichen Vorträge der „Föderation“ wieder geduldet
Die gemäßigten Frauen der Frauenbewegung - so der ADF (Allgemeiner Deutscher Frauenverein) - wollten lediglich eine Reform der staatlichen Reglementierung der Prostitution, nicht deren Abschaffung. Der Staat müsste eine “ordnende Hand” über die Gesellschaft halten, um Sitte und Gesetz nicht verkommen zu lassen, Deshalb wollten die Gemäßigten auch nur helfend eingreifen, den “lasterhaften” Frauen Hilfe zum Ausstieg anbieten. Über die Freier wurde kein Sterbenswörtchen verloren. Die Reglementierung blieb bis Anfang der 20er-Jahre des 20. Jhds. in Kraft. Erst in dieser Zeit, als auch Frauen als Parlamentarierinnen in die Hamburgische Bürgerschaft einzogen, kam wieder Schwung in die Debatte zum Thema Prostitution. Unter den Parlamentarierinnen waren einige, die bereits in der “Föderation” mitgearbeitet hatten, so z. B. Frieda Radel. Sie trug 1920 die Diskussion über die Aufhebung der Bordelle in die Bürgerschaft - und hatte Erfolg. Am 17. Juni 1921 beschloss die Hamburgische Bürgerschaft die Aufhebung der Kasernierung für Prostituierte. Die staatlich kontrollierten Bordelle wurden mit diesem Beschluss geschlossen. 1927 wurde die polizeiliche Reglementierung durch eine Gesundheitskontrolle abgelöst. Mit dem “Reichsgesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten” ging die gesundheitliche Überwachung der Prostituierten auf die Gesundheitsbehörde über, d. h. die Kontrolle wurde nun nicht mehr von der Polizei durchgeführt, sondern von der Gesundheitsbehörde. Damit war allerdings eine konsequente Abschaffung der Reglementierung nicht erreicht worden.
Text: Rita Bake