Hamburgische Bürgerschaft
Hamburger Rathaus, Rathausmarkt
Siehe auch unter Frauenwahlrecht
Siehe auch unter: Hamburger Frauenkoalition
Siehe auch unter: Ausschuss für die Gleichstellung der Frau
Nachdem 1918 die Frauen das aktive und passive Wahlrecht erkämpft hatten, wurden die ersten Frauen 1919 bei der Wahl zur ersten verfassungsgebenden Bürgerschaft, deren Legislaturperiode bis 1921 dauerte, ins Hamburger Parlament gewählt. 168 Männer und siebzehn Frauen zogen in die Bürgerschaft ein. Neun Frauen gehörten der SPD an, vier der DDP (Deutsche Demokratische Partei, liberal-demokratisch), zwei der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei, links von der SPD), eine der DVP (Deutsche Volkspartei, national-liberal) und eine weitere der DNVP (Deutschnationale Volkspartei, nationalistisch-konservativ). Später, während der Weimarer Zeit gehörten 44 Frauen der Hamburgischen Bürgerschaft an: SPD: 18; KPD: 11; DDP: 6; DVP: 4; DNVP: 3; USPD: 2.
Helene Lange, geboren 1848 und damals in Hamburg lebend, konnte als Alterspräsidentin die am 24. März 1919 erfolgte konstituierende Sitzung eröffnen und ihre neuen Kolleginnen im Parlament begrüßen. Sie sprach dabei auch die lange Wartezeit der Frauen auf gleichberechtigte Teilhabe an: „Wir Frauen – ich begrüße die Kolleginnen, die mit mir hier zum ersten Male an der Entscheidung über ihre Heimat teilnehmen sollen – wir Frauen bringen (…) Glauben und (…) Optimismus mit. Sonst wären wir nicht hier. Wer ein Leben lang für Ziele gekämpft hat, die bis zu allerletzt in unerreichbare Zukunft zu liegen schienen, der bringt aus diesen Kämpfen viel Zuversicht mit zu dem, was man noch nicht sieht.“ (Ansprache der Alterspräsidentin Helene Lange in der 1. Sitzung der Bürgerschaft am Montag 24. März 1919, siehe: Rita Bake, Kirsten Heinsohn: „Man meint aber unter Menschenrechten nichts anderes als Männerrechte“. Zur Geschichte der Hamburger Frauenbewegung und Frauenpolitik vom 19. Jhd. bis zur Neuen Hamburger Frauenbewegung Ende der 1960er Jahre. Hamburg 2012, S. 97.)
Schwerpunkte der Politik der weiblichen Bürgerschaftsabgeordneten waren die Bereiche Sozialpolitik und Wohlfahrtspflege, Bevölkerungspolitik und Gesundheitsfürsorge, Jugendpflege und Schulpolitik sowie Ehe- und Familienrecht.
Doch die Freude über das errungene Wahlrecht wich bald Ernüchterung, denn die Frauen erhielten kaum aussichtsreiche Listenplätze und blieben somit im Parlament in der Minderheit. Frauen waren als Politikerinnen nicht gefragt. „Angesichts dieser Entwicklung wichen die anfänglichen Hoffnungen schnell kritischem Realismus. In den Reihen der Frauenbewegung machte sich allgemein Enttäuschung breit. Die parteipolitisch organisierten Frauen (...) beklagten (...) ihren geringen Einfluß. (...) Frauen waren in keiner Partei der Weimarer Republik gleichberechtigt“, 1) resümierten Karen Hagemann und Jan Kolossa in ihrem Buch über die Hamburger Frauenbewegung. Lida Gustava Heymann äußerte ihre Meinung zu den Ursachen dieser Diskriminierung: „Brotneid, nackter Egoismus der Männer innerhalb der Parteien. Abgeordneter zu sein, ist heute ein Geschäft, man wird bezahlt und verhältnismäßig gut bezahlt. An solche einträgliche Futterkrippe läßt man die Frauen nicht heran und die Männer gebrauchen hier wie überall, wo es sich um Einkommen handelt, ihre Ellbogen.“ Als Gegenstrategie entwickelte Lida Gustava Heymann die Idee der Frauenlisten, die jedoch in der Frauenbewegung auf wenig Gegenliebe stieß.
Auch der Komponist Richard Wagner (1813-1883) konnte sich Frauen als Politikerinnen nicht vorstellen. So charakterisierte er 1852 seine Operngestalt „Ortrud“ in einem Brief an seinen Schwiegervater Franz Liszt: „Ihr Wesen ist Politik. Ein politischer Mann ist widerlich, ein politisches Weib aber ist grauenhaft: diese Grauenhaftigkeit hatte ich darzustellen.“ (Zit. Nach Eva Rieger: „Leuchtende Liebe, lachender Tod“. Richard Wagners Bild der Frau in der Musik. Düsseldorf 2009, S. 81.)
Text: Rita Bake, Birgit Kiupel
Die ersten Parlamentarierinnen
(Hinter den Geburts- und Sterbedaten sind in Klammern die Parteizugehörigkeit und der Zeitraum der Abgeordnetentätigkeit angegeben.)Marie Bautz geb. Bachmann (1.2.1879 Eppishofen bei Augsburg – 30.12.1929 Hamburg), (SPD, 1919–1924), Emma Ender geb. Behle (2.8.1875 Frankfurt a. M. – 25.2.1954 Hamburg), (DVP, 1919–1924); Emmy Kaemmerer verh. Leonhard (21.5.1890 Hamburg – ?), (SPD, 1919–1920),; Martha Kimmerling geb. Schütt (6.4.1873 Ottensen – 14.12.1956 Hamburg), (SPD, 1919–1921), Maria Kuhn (9.6.1878 Mainz – 4.10.1948 Hamburg) (USPD, 1919–1921); Helene Lange (9.4.1848 Oldenburg – 13.5.1930 Berlin), (DDP, 1919–1921); Frieda Radel, (DDP, 1919–1927); Adele Reiche geb. Cords (16.6.1875 – 25.8.1957 Hamburg), (SPD, 1919–1931); Johanne Reitze geb. Leopolt (16.1.1878 Hamburg – 22.2.1949 Hamburg), (SPD, 1919–1921); Doris Rieckmann (geb. 21.2.1887 Bremen – gest.?), (USPD, 1919–1920); Anna Johanna Schaper (30.12.1867 Hamburg – 9.4.1933), DNVP, 1919–1922); Minna Schröder geb. Beyer (22.2.1878 Schwerin – 9.4.1965 Hamburg), (SPD, 1919–1921); Elisabeth Seifahrt (2.9.1860 Homberghausen bei Homberg – 17.1.1933 Hamburg), (DDP, 1919–1927); Ida Stengele geb. Biedermann (14.2.1861 Wyl/Kanton Zürich – ?), (SPD, 1919–1927); Julie Stubbe geb. Ernst (11.6.1883 Hamburg – 27.9.1959 Hamburg), (SPD, 1919–1924); Grete Marie Zabe geb. Tischkowski (18.3.1877 Danzig – 1.12.1963 Hamburg), (SPD, 1919–1933).
Weitere weibliche Abgeordnete der Weimarer Zeit
Ilse von Arnoldi (2.7.1886 Görlitz – 16.5.1969), (DNVP, 1921–1931Lina Becker (13.1.1893 Arissau/Ostpr. – ?), (KPD, 1924–1927); Marie Becker geb. Hilger (12.3.1875 Köln – 29.7.1930), (DVP, 1924–1927); Emmy Beckmann (12.4.1880 Wandsbek – 24.12.1967 Hamburg) (DDP, 1921–1931. DStP (Deutsche Staatspartei), 1931–1933); Alma Ewert verh. Soltau (4.10.1894 Neu-Miltzow – 16.1.1968), (KPD, 1924–1931); Gertrud Frehse geb. Domien (18.6.1878 Schubin/Landkreis Bromberg – 26.3.1964 Hamburg), (DNVP, 1924–1931 u. 1932–1933, 1933 Kampffront schwarz-weiß-rot); Hedwig Fuchs geb. Bockeloh (7.5.1864 Spandau – 23.2.1944 Hamburg), (1931 Zentrum); Katharina Mathilde Guttmann geb. Ekey 28.4.1883 Hungen/Krs Schotten – 25.9.1967 Wermelskirchen (freundliche Mitteilung von Raimund Dehmlow)), (KPD, 1921); Marie Henning geb. Mahncke, verh. Rohde, verw. Henning (26.12.1895 Nossentinerhütte – 5.1.1948 Hamburg), (KPD, 1931–1933); Magda Heidtmann (8.1.1888 Rostock –10.2.1970 Hamburg), (DVP, 1928–1931); Paula Henningsen geb. Kuntzmann (30.12.1881 Hannover – 5.4. 1969 Maschen bei Hamburg), (SPD, 1921–1933); Edith Hommes-Knack geb. Stillmann (10.2.1891 Breslau – ?), (KPD, 1921–1927); Sibylla Igelbrink geb. Cariot (2.2.1883 Norrköping/Schweden – 1.3.1945 Hamburg), (KPD, 1931–1933); Antonie Kähler geb. Schubert (2.9.1875 Friedland – 27.6.1958 Hamburg), (SPD, 1924–1927); Magda Kelm später Magda Langhans (KPD, 1931–1932); Maria Krollmann (? – ?), (KPD, 1931–1933); Hildegard Ollenhauer (12.12.1902 Magdeburg-13.8.1995 Bad Oldesloe), (SPD, 1932–1933); Elisabeth Pape (5.9.1870 Hamburg – 25.2.1964 Hamburg), (DVP, 1921–1932; Anna Priebisch (30.12.1875 Memel – ?), (DDP, 1928–1931 Erna Rehberg geb. Demuth (30.6.1892 Hamburg – ?), (KPD, 1921–1922); Else Schlüter verh. Berkmann (31.3.1904 Itzehoe – 30.11.2001 Stuttgart), (SPD, 1933); Antonie Möbis, geb. Schmidt (5.3.1898 Spremberg/N.L. – 16.8.1976 Hamburg), (KPD, 1931–1933); Hanna Stolten (17.12.1888 – 24.12.1942 Hamburg), (SPD, 1927–1933); Margarete Uetzmann geb. Maraun (4.10.1887 Braunsberg – 26.11.1937 Hamburg), (DDP, 1930–1931. DStP, 1932–1933); Bertha Wendt geb. Bahnson (6.10.1859 – 14.3.1937 Hamburg), (DDP, 1919–1924);. Johanna Wendt (9.10.1875 Hamburg – ?), (SPD, 1927–1931); Alice Wosikowski geb. Ludwig (18.10.1886 Danzig – 7.4.1949), (KPD, 1928–1933).
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus: Die ersten weiblichen Abgeordneten in der Ernannten Bürgerschaft von Februar bis Oktober 1946
Am Nachmittag des 3. Mai 1945 rückten englische Truppen in das von Bomben zerstörte Hamburg ein. Vor dem Portal des Rathauses erfolgte die förmliche Übergabe der Stadt an die Sieger. Gauleiter Kaufmann, führende Männer der Hamburger Parteiorganisationen, wenige Tage später Bürgermeister Krogmann und mehrere leitende Verwaltungsbeamte wurden verhaftet. Hamburg unterstand nun der Militärregierung. Im Februar 1946 ging diese daran, eine Volksvertretung zu bilden, deren Mitglieder sie selbst benennen wollte. Den Briten war daran gelegen, dass zu den 81 Mitgliedern – einschließlich der beiden Bürgermeister und der Senatoren – auch Frauen gehörten. Nach dem Willen der britischen Militärregierung sollte die Bürgerschaft die Hamburger Bevölkerung repräsentieren und einen Querschnitt durch alle Kreise darstellen. Sie bat Emmy Beckmann und ihren Kreis, geeignete Frauen zu empfehlen. Sieben der 81 Ernannten waren Frauen: Magda Langhans (KPD), Frieda Reimann (KPD), Magda Hoppstock-Huth (SPD), Frieda Roß (SPD), Elsa Jacobs (SPD), Harriet Wegener (FDP), Betty Gosau (CDU).Thema Nummer eins war die Versorgungslage der Bevölkerung. Immer wieder wiesen die weiblichen Abgeordneten darauf hin, dass es vornehmlich die Hausfrauen waren, die für die Erhaltung der Lebens- und Arbeitskräfte und somit für die Grundlagen der Volkswirtschaft sorgen mussten, und drängten darauf, dass die Bürgerschaft dies erkenne und die materielle Lage der Hausfrauen verbessere.
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus: Die ersten weiblichen Abgeordneten der ersten frei gewählten Bürgerschaft Oktober 1946 bis Oktober 1949
Am 13. Oktober 1946 fand die Wahl der ersten frei gewählten Bürgerschaft nach der Zeit des Nationalsozialismus statt. Die Wahlbeteiligung lag bei 79 Prozent.Den Wahlsieg errang die SPD (43,1%; 83 Sitze). Die CDU erhielt 26% (16 Sitze), die FDP 18,2% (7 Sitze) und die KPD 10,4% (4 Sitze).
17 der Gewählten waren Frauen, ihr Anteil an der Bürgerschaft betrug.15.5%. 15 Frauen gehörten der SPD an, je eine der FDP und der KPD. Als einzige Frau der CDU rückte Else Kesting im Februar 1949 nach.
Magda Langhans (KPD); Olga Brandt-Knack, geb. Knack (Hausfrau, geb. 1885, SPD); Marta Damkowski, geb. Bröker (Angestellte, geb. 1911, SPD); Hedwig Günther, geb. Brosterhues (Hausfrau, geb, 1896, SPD); Magda Hoppstock-Huth (SPD); Paula Karpinski, geb. Theefs (Senatorin ab 1946, geb. 1897, SPD); Annie Kienast (Abteilungsleiterin, geb. 1897, SPD); Berta Kröger, geb. Binhoff (Einzelhändlerin, geb, 1891, SPD); Gertrud Lockmann, geb. Buschow (Helferin in Steuersachen, geb. 1895, SPD); Hilge Nordmeier, geb. Stuhr (Hausfrau, geb, 1896, SPD); Elisabeth Ostermeier, geb. Gottschalk (Geschäftsführerin, geb. 1913, SPD); Frieda Roß (SPD); Emmy Schaumann, geb. Garben (Hausfrau, geb. 1901, SPD); Erna Steffens, geb. Handorn (Kartonkleberin, geb. 1903, SPD); Paula Westendorf geb. Gühlk (Angestellte, geb. 1893, SPD); Margarethe (Grete) Wöhrmann, geb. Brosterhues (Hausfrau, geb. 1900, SPD); Catharina Lange, geb. Freitag (Hausfrau, geb. 1900, FDP)
Die drei Jahre der ersten gewählten Bürgerschaft standen ganz im Zeichen der nachkriegsbedingten Not. Der Beteiligung von Frauen ist es zu verdanken, dass in der Bürgerschaft die konkreten Alltagsnöte der Bevölkerung und vor allem die lebenswichtige Bedeutung der Hausfrauenarbeit erkannt und bewertet wurden. Durch Beschreibungen der Elendssituation weckten die weiblichen Abgeordneten bei den Politikern ein Bewusstsein für die existenzielle Grundlage des Gemeinwesens: für die „Reproduktion menschlicher Lebenskraft“, wie sie es nannten. Während die männlichen Abgeordneten sich um den Wiederaufbau der Werften und der Industrien als volkswirtschaftliche Voraussetzung für ein Wiedererstarken der Wirtschaft bemühten, forderten die Frauen beharrlich eine Lösung von „Kleinen Fragen“, Engagement für die Lockerung des Paragraphen 218 und auf dem Gebiet der sozialfürsorgerischen Aufgaben.
Die SPD gewann die Wahl von 1949 mit 42,8 Prozent der Stimmen. Von den siebzehn weiblichen Abgeordneten gehörten elf der SPD an, vier der FDP und je eine der CDU und der KPD. Die Vertreterinnen aller Parteien wollten das Selbstbewusstsein von Frauen sowie ihre Befähigung zu politischer Verantwortung und Mitarbeit stärken. Im Parlament blieb der Sozialbereich die Domäne der Frauen. Sie forderten die Erhöhung der Sozialhilfesätze, zusätzliche Kinderkrippen, Tagesheime und Spielplätze und die Einstellung von Fachkräften im Sozialbereich. Doch mit der Normalisierung der Verhältnisse im Nachkriegs-Hamburg geriet auch die politische Arbeit der Frauen ins Hintertreffen. Die gesellschaftliche Bedeutung der Hausfrauenarbeit und der Frau als Arbeitskraft in andern Arbeitsbereichen nahm ab, Frauenfragen standen nicht mehr im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit, die Lage der Frau in der Gesellschaft schien konsolidiert. Die Parlamentarierinnen wandten sich nun mehr der Parteipolitik zu. Konsequente Frauenpolitik wurde am ehesten noch von den Angehörigen der bürgerlichen Parteien CDU und FDP verfolgt. Die Frauen der FDP hatten den Traditionszusammenhang mit der bürgerlichen Frauenbewegung nicht verlassen und wollten die alten Ziele an die junge Generation weitervermitteln. Die Frauen der SPD wandten sich der parteitreuen Kleinarbeit zu. Durch Parteiarbeit glaubten sie auch Fraueninteressen am besten durchsetzen zu können.
Neu gewählte Bürgerschaftsmitglieder:
Emmy Beckmann, (FDP); Anneliese Buschmann (3.6.1906–26.4.1999 Hamburg, FDP), Gertrud Lockmann geb. Buschow (29.4.1895 Hamburg – 10.9.1962 Hamburg, SPD); Liselotte Kruglewsky-Anders, 6.5.1915-18.11.2009, FDP/SPD);
ACHTUNG: Im Folgenden werden nur verstorbene weibliche Abgeordnete aufgeführt. Ihre Namen sind in den Wahlperioden genannt, in denen diese Abgeordneten zuerst in die Bürgerschaft gewählt wurden.
Dritte Wahlperiode: 1953–1957
Zum ersten Mal gab es 1953 einen Wechsel in der Regierung. Der Hamburg Block, ein Bündnis aus CDU, FDP, DP (Deutsche Partei) und dem Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE), erhielt mit 62 Mandaten eine knappe Mehrheit (SPD: 58 Mandate). Fünfzehn Frauen zogen in die Bürgerschaft. Wie auch im Berufsleben waren Frauen in der Politik kaum gefragt. Männer verschafften sich die guten Listenplätze für die Kandidatur zur Bürgerschaft. Hamburg war, wie die gesamte Bundesrepublik, in die Phase des Wirtschaftswunders getreten. Im Parlament dominierten wirtschaftliche Themen, zu denen die Frauen allenfalls kleine Korrekturen oder praktische Durchführungsvorschläge beisteuerten. Doch in dieser Legislaturperiode ging es auch um zwei entscheidende Angelegenheiten der Gleichberechtigung. 1949 war der Artikel 3 „Frauen und Männer sind gleichberechtigt“ im Grundgesetz verankert worden. Damit er auch zur Anwendung gelangte, mussten etliche Paragraphen des seit 1900 gültigen BGBs (Bürgerliches Gesetzbuch) verändert werden. Sie waren nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar. Hierbei handelte es sich z. B. um den Paragraphen 1354 BGB, der den „Stichentscheid“ des Ehemannes festlegte. Damit hatte der Mann das alleinige Entscheidungsrecht in allen das eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten. Auch der Paragraph 1628 BGB war nicht mehr verfassungskonform. Er sprach die elterliche Gewalt in Entscheidungen über gemeinsame Kinder vorrangig dem Vater zu. Zu diesen beiden Paragraphen richtete die Abgeordnete # Charlotte Walner von Deuten (SPD) an den Senat eine Große Anfrage: Der Senat möge in seiner Funktion als Ländervertreter im Bundesrat sich dafür einsetzen, dass der verfassungswidrige „Stichentscheid des Ehemannes“ aus dem BGB gestrichen werde. Doch die bundesrepublikanische Politik war dazu nicht in der Lage. So wurde das Bundesverfassungsgericht angerufen, das das alleinige Entscheidungs- und Vertretungsrecht des Vaters durch Urteil aufhob.
Hauptthema der Parlamentarierinnen wurde in der dritten Wahlperiode die Familienpolitik. Im Zuge der Wiederherstellung geordneter gesellschaftlicher Verhältnisse begnügten sich die meisten Frauen mit dem alten Rollenbild von der Frau als Hüterin von Heim und Herd. Dies wirkte sich auch auf die Stellung der Frau im Parlament aus. Ihre politische Partizipation nahm ab.
Neue Mitglieder im Parlament:
Irma Blohm geb. Wolter (24.11.1909 Hamburg – 29.1.1997 Hamburg, CDU); Johanna Brauweiler (12.9.1896 Remscheid – 9.5.1989, CDU). Edith Rauschning-Asher, CDU); Charlotte Walner-von Deuten (19.3.1906 Hamburg – 7.11.1984 Hamburg, SPD; Clémence Budow (25.11.1908 Riga – 10.5.1995 Hamburg), (Hamburg Block/DP); Elsa Teuffert geb. Jansen (12.6.1888 Hamburg – 10.3.1974 Hamburg, FDP).
Vierte bis Sechste Wahlperiode: 1958–1970 – Latenzzeit in der Frauenpolitik
Durch die Wahl 1957 gelangte wieder die SPD zur Regierung. Zwanzig Frauen kamen in die Bürgerschaft. Immer noch waren es vorwiegend die „Großmütter“, die zur parlamentarischen Mitarbeit bereit waren – in Hamburg lag der Altersdurchschnitt weiterhin über 50 Jahren, während die jüngere Generation sich von der Politik fernhielt. Das lag wohl nur zum Teil daran, dass junge Frauen durch Beruf und Familie absorbiert waren. Gerade die „Zwischengeneration“ der Frauen, die als Kinder oder Jugendliche Naziherrschaft, Krieg und die Verwerfung einst geltender Ideale erlebt hatten, empfanden Politik als „schmutziges Geschäft“, das sie lieber den Männern überließen. Erst die erwachsenen Töchter der in der ersten Nachkriegszeit politisch tätigen Frauen gelangten in den 70er- und 80er-Jahren in politische Führungspositionen.Die Zeit bis etwa 1970 lässt sich im Hinblick auf die Politikpräsenz von Frauen als „Latenzperiode“ zusammenfassen. Politisch tätige Frauen sahen den ihrer weiblichen Rolle gemäßen Auftrag darin, durch sozialen Ausgleich den Trends des Industriekapitalismus mit seinen Konsumzwängen entgegenzuwirken. Dabei verharrten sie, kleine Schritte verfolgend, in den traditionellen Frauenbereichen und griffen nur selten in große Debatten der „Männerressorts“ ein.
Die Arbeit der Frauen in der Bürgerschaft konzentrierte sich vor allem auf die Familie. Dabei nahmen Frauen aller Fraktionen eine überwiegend konservative Haltung ein. Familienunterstützende Maßnahmen forderten sie als Hilfen für berufstätige Frauen und Mütter. Der Gedanke an eine partnerschaftliche Aufteilung der Hausarbeit tauchte nicht auf.
Weltanschauliche und parteipolitische Unterschiede verstellten den Parlamentarierinnnen oft den Blick auf allgemeine Fraueninteressen. Nur einmal kam im Plenum der Paragraph 218 zur Sprache, dies aber nur in Zusammenhang mit dem Extremfall einer Vergewaltigung. In der Bewertung weiblicher Erwerbsarbeit standen alle Bürgerschaftsfrauen zwar positiv zur beruflichen Ausbildung und Berufsausübung von Frauen. Aber während die Sozialdemokratinnen sich mit den Nöten der Familienmütter beschäftigten, die aus ökonomischen Gründen erwerbstätig waren, stand bei den weiblichen Abgeordneten der bürgerlichen Parteien die Frage, inwieweit die Erwebstätigkeit verheirateter Frauen vom Wohlstandszwang zu Lasten der Familie motiviert war, im Mittelpunkt des Interesses. In der Schulpolitik vertraten die weiblichen SPD-Abgeordneten wie ihre männlichen Kollegen die Einheits- und Gesamtschule und die Koedukation. Die Frauen der FDP kämpften für spezielle weibliche Bildungsgänge, und die der CDU befürworteten ein differenziertes Schulwesen und Begabtenförderung.
Vierte Wahlperiode: 1957–1961
Charlotte Fera geb. Helmke (24.10.1905 Bremen – 10.5.1998 Hamburg, CDU); Friederike Fischer (3.9.1896 Wien – 6.6.1971, (SPD); Elfriede Matthias (10.5.1915 Holzminden – 11.10.1974 Hamburg, SPD); Helene Meibohm (21.12.1893 Hamburg – 17.2.1982 Hamburg, SPD); Anneliese Most (25.11.1912 Wismar – -6.9.1982, SPD); Hildegard Ollenhauer (12.12.1902 Magdeburg – 13.8.1995 Bad Oldesloe, SPD).
Fünfte Wahlperiode: 1961–1966
Carla-Hilde Götz (2.10.1912 Hamburg – 10.3.1991, CDU); Louise Hövermann (11.11.1898 Hamburg – 15.9.1979 Hamburg), SPD); Wilma Thiele (18.9.1909 Hamburg – 24.7.1982, (SPD); Paula Voigt (22.2.1900 Dortmund – 24.7.1983), SPD); Margareta Hunck-Jastram (30.11.1913 Altona – 2.3.1998, CDU); Emilie Kalbitzer (17.2.1912 Obernkirchen – 16.12.1999, SPD); Erna Witt (6.10.1911-14.12.2006, FDP); Irene Knickrehm (27.10.1925-2.12.2019, CDU)
Sechste Wahlperiode: 1966–1970
Marlise Nicolaysen (19.11.1909 Rendsburg – 27.5.1991, FDP); Friedel Büscher (13.3.1913-27.1.2004, SPD); Hannelind Feilcke (14.8.1934-10.11.2015, CDU); Gerda Gühlk (11.5.1920-16.12.2003, SPD);
Siebte bis Neunte Wahlperiode: 1970–1982
In den 70er-Jahren nahmen die Parteien die politische Herausforderung der 68er-Bewegung an, sie verteidigten die bestehende Verfassungsordnung, brachten aber zugleich politische Reformen auf den Weg. Die Parole Willy Brandts „Mehr Demokratie wagen“ war für viele Frauen der Startschuss, um in Parteien einzutreten und dort bei politischen Entscheidungen mitzubestimmen. Auf der unteren Parteiebene waren die Frauen zwar willkommen, aber ihrem Aufstieg zu höheren Parteiämtern und in die Parlamente standen die Barrieren traditioneller „Männerpolitik“ entgegen.In Hamburg erhielten nach der Wahl im Jahre 1970 nur elf Frauen ein Mandat, das war weniger denn je. Das änderte sich etwas, als die Bürgerschaft im februar 1971 durch Verfassungsänderung beschloss, Senatsmitglieder dürften während ihrer Amtszeit nicht gleichzeitig ihr Bürgerschaftsmandat ausüben. Durch diese Gesetzesänderung wurden Bürgerschaftssitze frei; es musste nachgerückt werden, und dadurch erhöhte sich die Zahl der weiblichen Mitglieder auf 17. Die Parlamentarierinnen traten nach wie vor verstärkt in „ihren“ Bereichen hervor. Doch nicht zu übersehen war auf längere Sicht das Bemühen der Abgeordneten Frauen, auch in die so genannten Männerbereiche vorzudringen.
Siebte Wahlperiode: 1970–1974
Prof Dr. Hedwig Wallis geb. von Häfen (20.5.1921 Hamburg – 21.10. 1997, (CDU); Helga von Hoffmann (24.1.1933-5.12.2005, SPD); Christel Stegmann (26.10.1919-19.7.2007, FDP); Anke Fuchs (5.7.1937-14.10.2019, SPD)
Achte Wahlperiode: 1974–1978
Sigrid Brinkmann (21.6.1942 Breslau – Oktober 1997, CDU); Helga Diercks-Norden (6.4.1924-12.7.2001, CDU); Helga Elsner (19.3.1924-31.10.2012, SPD)
Neunte Wahlperiode: 1978-6.6.1982
Helga Irmhild Gertrud Mack (1.8.1938 Dresden – 16.6.1995 Hamburg, CDU); Ilse Sanders (21.1.1927 Osnabrück – 15.11.1986, CDU); Susanne Rahardt-Vahldieck (23.2.1953-3.4.2008, CDU)
Zehnte Wahlperiode: 6.6.1982-19.12.1982
Regula Schmidt-Bott (10.6.1945-11.10.2015, GAL)
Elfte bis Dreizehnte Wahlperiode: 1983–1987
Die Anzahl der weiblichen Abgeordneten war, mit geringen Schwankungen, seit 1946 annähernd gleich geblieben: 1974 bis 1978: Fünfzehn Frauen (12,5 Prozent); 1978 bis 1982: zwölf Frauen (10,0 Prozent). 1982 war zum erstenmal die GAL in der Bürgerschaft vertreten, von ihren neun Mandaten gingen fünf an Frauen. Mit neunzehn von 120 Sitzen stieg der Frauenanteil im Parlament auf 15,8 Prozent. Ab 1986 stieg der Anteil der weiblichen Abgeordneten von durchschnittlich einem Siebtel auf mehr als ein Drittel. Aber noch immer waren Frauen in der Bürgerschaft unterrepräsentiert. Frauen, die ein politisches Mandat anstrebten, hatten es schwer. Nach wie vor lag es an der geschlechtsspezifischen Rollenverteilung in Ehe und Familie, die es Frauen kaum erlaubte, so viel Zeit in die parteipolitische Arbeit zu investieren, wie es Männer taten, um sich für eine Bürgerschaftskandidatur zu profilieren. Kinder waren für Frauen ein „politischer Hinderungsgrund“. Die Väter im Parlament fühlten sich bei diesem Thema nach wie vor kaum angesprochen.Ab den 80er-Jahren beteiligten sich Parlamentarierinnen auch stark auf den Gebieten Haushalt und Finanzen. Frauen kümmerten sich gern um Probleme, die eine konkrete Lösung versprachen, so nahmen sie z. B. im Eingabenausschuss die Möglichkeit zu unmittelbaren Entscheidungen wahr. Ob es nun um Arbeitsmarktpolitik, Verfassungs- und Parlamentsreform ging, um Umwelt-, Energie- und Abfallfragen oder um Verfassungsschutz – die Beteiligung von Frauen deckte alle Felder ab. Da nach wie vor bestimmte Ressorts mit den Attributen „hart“ und „weich“ belegt wurden, wurde die traditionelle familiäre Rollenverteilung zwischen „Hausherr“ und „Hausfrau“ auch auf der politischen Ebene wiederholt. Denn in der Politik gelten als Frauenressorts die Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereiche und damit als weich, während Männer auf dem harten Gebiet von Wirtschaft, Finanzen, Bau und Verkehr ihr Feld behaupteten. Hart ist männlich, wichtig – weich dagegen weiblich und weniger wichtig. Arbeiteten Frauen in den harten Ressorts, kam es häufig zu vernetztem Denken. Das führte bei den Männern zu Irretationen, denn vermischten Frauen Themen miteinander und setzten sie in Beziehung zueinander, konnten Männer das oft nicht nachvollziehen. „Das gehört nicht hierher“, „das steht doch gar nicht zur Debatte“ mit diesen Aussprüchen versuchten sie diese Denkstrukturen – die in der Wissenschaft als interdisziplinäre Herangehensweise interpretiert werden – abzubügeln.
Elfte Wahlperiode: 1983–1986
Sonja Pape, geb. Siebert (24.5.1932 Essen – 30.1.1997, SPD); Ingeborg Glock (17.7.1941-17.5.2016, GAL); Thea Woost (13.5.1931-13.12.2012, SPD); Marion Pein (18.9.1948 Pinneberg-24.3.2020, GAL)
Ab Wahlperiode siebzehn wurden keine Wahlperioden mehr aufgeführt, weil keine der in dieser Zeit neu hinzugekommenen weiblichen Abgeordneten verstorben ist.
Zwölfte Wahlperiode 1986-1987
Rena Vahlefeld (23.9.1938-22.1.2019, CDU)
Dreizehnte Wahlperiode: 1987–1991
Kristin Heyne (25.2.1952 Aumühle bei Hamburg – 30.1.2002 Berlin, GAL); Helga Wullweber (1947-28.9.2017, GAL)
Vierzehnte Wahlperiode 1991-1993
Heidemarie Scherweit-Müller (24.1.1943-2.6.2014, SPD); Anke Kuhbier (1.1.1943-30.7.2018, SPD)
Fünfzehnte Wahlperiode: 1993-1997
Sabine Boehlich, (28.4.1950-8.8.2016, GAL); Anke Hartnagel (22.1.1942-17.4.2004, SPD); Erika Woisin (22.10.1929-16.12.2018, SPD)
Sechszehnte Wahlperiode 1997-2001
Heide Simon (6.11.1955-2.3.2006, GAL); Andrea Hilgers (22.9.1962-7.6.2019, SPD); Vera Jürs (9.10.1944-16.3.2019, CDU); Elke Thomas (25.2.1935-12.6.2014, CDU);
Ab Wahlperiode siebzehn wurden keine Wahlperioden mehr aufgeführt, weil keine der in dieser Zeit neu hinzugekommenen weiblichen Abgeordneten verstorben ist.
(Stand: April 2020)