Hamburger FrauenFreiluftGalerie
Open-air-Galerie zum Thema Frauenarbeit im Hafen mit derzeit (2019) vierzehn großformatigen Wandgemälden. Seit 1994 am Altonaer Elbufer
Große Elbstraße 132, 152, 164, 210-212, 266, 268, 276
Neumühlen 16-20, 21, 3
Stadt- und Industriegeschichtlich interessante Gebäude sind Bild-Träger der Wandgemälde eines Kunst- und Dokumentations-Projektes der FrauenFreiluftGalerie Hamburg. Internationale Künstlerinnen aus Hamburg, Argentinien, New York und London machen den Wandel sichtbar im traditionell als "Männerdomäne" geltenden Hafen mit Bildern der Vielfalt weiblicher Wirtschaftskraft in Hamburgs und New Yorks Hafen heute und bis zurück in die Jahre um 1900.
Längs der Großen Elbstraße vom hamburgischen Fischmarkt bis Neumühlen entstand in den letzten 25 Jahren auf zwei Kilometern die FrauenFreiluftGalerie. Damit legt sie eine Spur des Erinnerns und Sichtbarwerdens in einer Transformationslandschaft: eine einst hafenindustriell geprägte Arbeitswelt zum Ort heutigen Freizeit- und Dienstleitungsgewerbe.
Der Wandel der Arbeit und ihrer Bedingung, Arbeitsmigration, Gleichstellungspolitiken am Arbeitsplatz oder Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg gehören zur Thematik der Gemälde.
Erinnerungspolitisch und künstlerisch markieren sie diesen Stadtraum als Nach-Denk-Ort. Ein Gelände mit stadthistorischen Spuren. Denn bereits vor 29 Jahren gab es hier ein Vorgänger-Projekt: das 1.000 qm große Gemälde am Fischmarktspeicher. Damals als Beitrag zum 800. Hafengeburtstag von 1989 repräsentierte es 100 Jahre Frauenarbeit im Hafen: ein partizipatives und frauenpolitisches Projekt des Museums der Arbeit (1994 überbaut). Projektleiterinn der Galerie: die Hamburger Wandmalerin Hildegund Schuster und die Kunsthistorikerin Dr. Elisabeth von Dücker. Sie leiten das autonome Nachfolgeprojekt.
Diese ist ein non-profit Projekt. Es finanziert sich durch Spenden, öffentliche und private Gelder, gefördert vom Bezirk Hamburg-Altona, von der Hamburger Kulturbehörde, von betrieblichen und privaten Sponsoren sowie sog. Ehrenamtlicher Tätigkeit.
Die Bilder reflektieren die Philosophie der mexikanischen Wandbild-Bewegung als Kunst im städtischen Raum. Einige Gemälde konnten bereits mit Mitteln des Altonaer Bezirks restauriert werden.
Im Jahr des Hamburger Architektur Sommers 2019 besteht die FrauenFreiluftGalerie 25 Jahre.
Das nehmen wir zum Anlass, die künstlerischen und dokumentarischen Ressourcen der republikweit einzigen Open-air-Galerie zum Thema Frauen-Arbeit-Hafen einer breiten Öffentlichkeit vor Augen zu führen: Schreibt das Projekt doch an Hamburgs Stadtgeschichte mit.
Und- Es ist Eye-Opener für die wenig bekannten Geschiche/n der weiblichen Seite der Hafenwirtschaft und der Arbeitswelt. Und es erfreut sich einer positiven Resonanz bei Einheimischen und Besuchern, Republikweit einzig, verfügt der öffentliche Raum am Hafenrand mit dem Projekt über ein künstlerisch-dokumentarisches Memento. Auf den ersten Blick bleibt meist verborgen, wie Arbeits-, Sozial- und Gendergeschichte den Stadtraum mitgestaltet haben. Spuren vermitteln im Blick zurück und nach vorn ist daher ein zentrales Anliegen unseres Projektes. Bislang unbekannte "weiße" Flecken der Stadt werden somit farbig.
Folgende Stationen sind am Nördlichen Elbufer an Mauern und Treppenwänden zu besichtigen bzw. mittels geführter Spaziergängen zu erschließen (https://frauenfreiluftgalerie.de/veranstaltungenphp ):
Große Elbstraße 132, 152, 164, 210-212, 266, 268, 276 und Neumühlen: 16-20, 21, 3 (https://frauenfreiluftgalerie.de/geschichte.php )
Vorläuferin der Hamburger FrauenFreiluftGalerie war das 1989 an einer Außenfassade eines Speichers geschaffene Frauenwandbild an der Großen Elbstraße 39.
„Eingebettet in die damals virulenten Ideen der feministischen Platzgewinnung im öffentlichen Raum, verstand sich das Wandbild-Projekt als ein Experiment einer Open Air-Einschreibung bzw. –‚Einmalung‘ von Bildern, die in der Stadt über Frauenalltag und von Geschlechterverhältnissen erzählen. Auch eingedenk der Praxis des Künstlers Josef Beuys, Forschung und Kunst nicht nur als wissenschaftlichen und ästhetischen, sondern auch als sozialen Prozess zu begreifen.“ Unter frauenfreiluftgalerie.de/de/geschichte.php
Anlässlich des 800. Hafengeburtstages wurde das Wandbild auf Initiative des „Arbeitskreises Frauen im Museum der Arbeit“ sowie der im Museum der Arbeit tätigen Kustodin Dr. Elisabeth von Dücker am sog. Fischmarktspeicher}} in der Nähe des Hamburger Fischmarktes erarbeitet und auf einer Fassadenfläche vom 1.000 qm angebracht. Es stellte Szenen aus Arbeitsbereichen dar, in denen Frauen im Hafen arbeiteten und heute noch arbeiten. „Das Gemälde hatte 1994 – trotz mancher öffentlicher Proteste – den Umbaumaßnahmen für den Greenpeace-Bürobau im {{nolink: Fischmarktspeicher weichen müssen. Die Arbeitskreis-Frauen erreichten in Verhandlungen mit dem Investor eine Teilfinanzierung und entwickelten ein neues Konzept. Es entstand die Idee eines Wandgemäldes ‚in Folge‘, welches 1994 nach und nach umgesetzt wurde. An Hauswänden und Treppenmauern angebracht, sind die Bilder der FrauenFreiluftGalerie auf einer 1,5 Kilometer langen Strecke zwischen Fischmarkt und Neumühlen zu erwandern“, schreibt Elisabeth von Dücker in ihrem Beitrag „Bilder unter freiem Himmel: Ein Spaziergang durch die Hamburger Frauenfreiluftgalerie“ in dem Buch „Die Stadtverführerin Hamburg. FrauenLesbenstadtlesebuch. Hrsg. von Kerstin Brandes, Kerstin Hof und Sally Johnson u.a. Hamburg 1998, S. 186.
Aber auch das nächste Wandbild wurde vernichtet: „Drei Jahre nach Fertigstellen des [ersten] Wandgemäldes nahm der Arbeitskreis Frauen im Museum der Arbeit erneut, (…) eine Wandbild-Arbeit auf im sog. Columbus-Jahr 1992. Ausgangspunkt waren wiederum Erinnerungsfeierlichkeiten, diesmal anlässlich 500 Jahre Entdeckung und Kolonisierung von Lateinamerika. Das wurde zum Anlass einer kritischen Revision: Das Wandbild von 1989, so die Überlegung, sollte eine Erweiterung erfahren: an der westlichen Speicherseite um 300 qm auf dann ca. 1.300 qm vergrößert, sollte thematisch auch die ‚‘andere Seite der Medaille‘ in den Blick gerückt werden. Das heißt: Sichtbar werden sollte diejenige Arbeit, die den Wohlstand westlicher Länder am lokalen Beispiel Hamburgs mehrt und die hierzulande ungesehen und kaum bekannt, überwiegend von Frauen getan wird - übrigens meist zu für Arbeitgeber profitablen Dumpinglöhnen. Der Frauen-Arbeitskreis des Museums kooperierte für das neue Wandgemälde mit dem Projekt ‚Compañera 92. Koproduktion Frauen Lateinamerika – Hamburg‘, ein Frauen-Kulturprojekt, das den Columbus-Feierlichkeiten ein ‚Conquista-Jahr‘ der Kolonialisierung und somit eine andere Perspektive und Kulturpraxis entgegensetzen wollte: Ein Netz zu knüpfen zwischen den vielfältigen Aktivitäten von Frauen hier und in Lateinamerika, war ‚Compañeras‘ Anliegen. Im Sommerhalbjahr 1992 recherchierten künstlerische Aktivistinnen zu Fragen nach weiblichem Alltag hier und dort und gingen der Frage nach, wie Kolonialismus diese Lebenswelten in patriarchalisch geprägten Gesellschaften beeinflusste - Stichwort Rassismus und geschlechterspezifische Diskriminierung. Aus dieser kulturellen Koproduktion, gefördert durch öffentliche Mittel, entstanden in Hamburg u.a. Filme, Ausstellungen und Wandbilder. Eines davon war unser Gemälde. Es wurde auch für die Aktiven des Frauen-Arbeitskreises zu einem Lernstück im Sinne der ‚Entkolonisierung des Denkens‘. Für das Projekt Frauen-Wandbild bedeutete dies im besonderen: nicht nur über Frauenarbeit in Lateinamerika und über Latinas sprechen, sondern ein gemeinsames Projekt machen mit einer lateinamerikanischen Künstlerin.
Die Malerin Olga Maradiaga Zuniga aus Leon, Nicaragua, wurde dazu vom Frauen-Arbeitskreis eingeladen. Gemeinsam mit der Hamburger Wandmalerin Hildegund Schuster und dem Arbeitskreis Frauen des Museums ging es ans Werk. Drei Erwerbstätigkeiten, die der Bananenwäscherin, der Kaffeepflückerin und der migrierten Sexarbeiterin wählte die Arbeitsgruppe als Beispiele aus. Kompositorisch verknüpften die Künstlerinnen das erste und das erweiterte Wandbild mit dem vielschichtigen Motiv der Waren- und Geldtransfer symbolisierenden, flatternden Geldscheine á la money makes the world go round. Sie gestalteten das ca. 300 qm-Gemälde direkt an der westlichen Wasserseite des Fischmarktspeichers. (…) Keine lange Dauer war diesem auf Hafenrundfahrten in den neugierigen Blick genommenen, internationalen Gemälde beschieden, denn zwei Jahre später, bei der Umwandlung des Speichers in ein Bürogebäude, ging das gesamte Wandbild verloren.
Doch die Fortsetzung nahte bereits im selben Jahr: Drei Frauen aus dem ehemaligen Museums-Arbeitskreis, die Malerin Hildegund Schuster, die Museumswissenschaftlerin Dr. Elisabeth von Dücker und die Sozialwissenschaftlerin Emilija Mitrovic, entwickelten daraufhin ein Folge-Konzept, das der ‚FrauenFreiluftGalerie Hamburg‘. (…) Die vom Fischmarkt auf einer Länge von ca. 2 km gen Westen am Flussufer verlaufende Große Elbstraße war ideal für diese Konzeption, denn sie bildet eine jahrhundertealte Erschließungsachse für Hafen, Gewerbe, Industrie mit den dazugehörenden Bauten. Und, einer kulturellen Perlenkette gleich, fädeln sich an diesem Elbebegleit-Weg Arbeits- und Lebensgeschichten auf.
Nachdem die Projektgruppe beim Investor des Fischmarktspeichers eine Teilfinanzierung in Art einer kleinen ‚Wiedergutmachung‘ für Kunstabriss erreicht hatte, begann 1994 die Arbeit. Der kompliziertere Teil der Arbeit, so stellte sich mit den Jahren heraus, wurde die Gewinnung von Wandflächen.“ frauenfreiluftgalerie.de/de/geschichte.php
Bilder an folgenden Standorten:
Große Elbstraße 132: die Wände an der Seemannsmission und dem Gebäude mit der Haifischbar (beim Altonaer Fischmarkt / Holzhafen).
Westwand am Haus mit der Haifischbar: "Frauenarbeit im Hafen von New York und Hamburg - ein Brückenschlag
„Working Women in the Harbours of New York City and Hamburg - a Bridging Project" Entwurf und Ausführung: Janet Braun-Reinitz, Hildegund Schuster, Assistenz: Ayse Kazci. Kuratorin: Elisabeth von Dücker. 2013.
Große Elbstraße 152: „Frauenarbeit in der Fischindustrie“ (1994) Cecilia Herrero, Janet Pavone, Hildegund Schuster. Kuratorin: Elisabeth von Dücker.
Große Elbstraße 164: „Frauen bei der Kaffee-, Tabak- und Bananenernte“ (1994) Cecilia Herrero, Janet Pavone, Hildegund Schuster. „Wisch und Weg - die Putzfrauen“ (1997), H. Schuster.„Demonstrantinnen“ (1997) Cecilia Herrero, H. Schuster.
Treppe neben Große Elbstraße 164: „Die Prostitutierten“ (1995) C. Herrero. „Der Streik der Kaffeeverleserinnen“ (1996) H. Schuster.
Treppe neben Große Elbstraße 210-212: „Der Sprung ins kalte Wasser“ (1995) Hildegund Schuster und die Mädchengruppe des Malkurses der Hamburger Kunsthalle.
Große Elbstraße 266: „Metallarbeiterinnen im Hafen“ (2000) H. Schuster. Kuratorin: Elisabeth von Dücker.
Große Elbstraße 268: Halle VII neben Auktionshaus Lauritz: "Frauen in Fischindustrie und am Fischmarkt, 2015". Entwurf und Ausführung: Hildegund Schuster und Cecilia Herrero. 2015. Kuratorin: Elisabeth von Dücker
Große Elbstraße 276: Innenseite der Stützmauer vor dem Hafenbahnhof, „Frauen in der Hafenlogistik ", Entwurf und Ausführung: Hildegund Schuster. 2010. Kuratorin: Elisabeth von Dücker.
Treppenaufgang Große Elbstraße 210-212, im Altonaer Fischmarkt, zwischen Halle XII und XIII: „Mädchen in Sicht - Zukunft im Hafen". Entwurf und Ausführung: Mädchengruppe Malschule der Kunsthalle, Hildegund Schuster. 2012. Kuratorin: Elisabeth von Dücker.
Neumühlen 16-20: An dieser Stelle erinnert ein 1995 von Cecilia Herrero und Hidegund Schuster geschaffenes Wandbild an die Frauen des KZ-Außenlagers Dessauer Ufer. Das Wandbild wurde auf Initiative des Arbeitskreises Frauen im Museum der Arbeit und durch Unterstützung der Lawaetzstiftung geschaffen. Kuratorin: Elisabeth von Dücker.
Neumühlen 21: "Frauen ans Ruder". Entwurf und Ausführung: Cecilia Herrero. 2000
Neumühlen 3, Pumpwerk Nr. 69: "Frauen zur See – Seefrauen einst und jetzt"
Entwurf und Ausführung: Barbara-Kathrin Möbius, Hildegund Schuster. 2011. Kuratorin: Elisabeth von Dücker.
Unter frauenfreiluftgalerie.de/de/geschichte.php kann mehr über dieses Kunstprojekt nachgelesen werden.
Dieses Projekt verbindet Kunst und soziale Dimensionen geschlechtsspezifischer Arbeit in der hamburgischen Hafenwelt in Gegenwart und Geschichte. Wichtige Quelle sind die in den hafenbetrieben erhobenen Interviews und Fotografien (verantwortlich Elisabeth von Dücker). Eine Text-/Fotodokumentation der einzelnen Gemälde findet sich unter frauenfreiluftgalerie.de/de/geschichte.php
Vgl. auch Elisabeth von Dücker: "Eine Perlenkette eigener Art. 100 Jahre Frauenarbeit im Hamburger Hafen", in : Spirale der Zeit (hg. v. Annette Kuhn u.a. Nr. 8, 2010. Opladen, S. 51-55. Ebenso: Elisabeth von Dücker: frauensache Hafenarbeit? Ein Besuch in der FrauenFreiluftGalerei Hamburg, in: Lunapark 21, Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie. Heft 25/2014, S. 31-35.
Text: Elisabeth von Dücker