GAL-Frauenfraktion
Hamburger Rathaus, Rathausmarkt (ehemals)
Bereits 1983 initiierte der SFB (Sozialistischer Frauenbund) die Diskussion um einen Weiberrat und eine darauf aufzubauende Frauenliste. Damit sollte erreicht werden, dass Frauen die Möglichkeit erhielten, alle gesellschafts-politischen Bereiche zu besetzen, um somit die „Machtfrage“ stellen zu können. Nach Meinung des SFB war die Strategie der Neuen Frauenbewegung, sich auf den „Umbau kultureller Normen, Werte sowie der privaten Lebensweise“ zu beschränken, nicht weitreichend genug.
Im Januar 1984 fand die erste Diskussionsveranstaltung über einen Weiberrat und eine Frauenliste statt. Die Initiatorinnen dieser Veranstaltung: SFB-Frauen und Frauen aus der GAL. An der Veranstaltung beteiligten sich u. a.: Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), DKP, Demokratische Fraueninitiative (DFI), AStA-Frauenreferat, „§ 218 Beratungsgruppe“, Gruppe „Lohn für Hausarbeit“, „Hamburger Frauenzeitung“ und „Frauenbildungszentrum DenkTräume“. „Gemeinsam war den Frauen der Wunsch, die lähmende Zersplitterung der Hamburger Frauenbewegung zu überwinden, um zu gemeinsamer Aktionsfähigkeit zu gelangen. Auseinandersetzungen gab es jedoch von Anfang an darüber, ob ein Weiberrat das dazu geeignete Mittel sei. Insbesondere wurde die fehlende inhaltliche Bestimmung der Arbeit des Weiberrates kritisiert.“
Auf der 4. „Hamburger Frauenwoche“ im März 1984 fand erneut eine Diskussion zu diesem Thema statt. Es zeigte sich, dass „ein Weiberrat in Hamburg keine Realisierungschancen haben würde. Die meisten der autonomen Frauenprojekte und der organisierten Frauen hatten signalisiert, sich daran nicht zu beteiligen. Am 12. Juni 1984 erschien jedoch in der ‘tageszeitung’ ein Artikel, in dem die Gründung eines ‘Hamburger Weiberrates’ bekannt gegeben wurde. Dieser vom SFB im Alleingang gegründete Weiberrat rief bei Frauen aus fast allen autonomen und organisierten Gruppen scharfe Kritik hervor.“ (Zitate aus: Martina Muckli: „Einbruch in die Männerwelt“? Chancen und Restriktionen einer Veränderung von Politik durch Frauen am Beispiel der GAL-Frauenfraktion in Hamburg. Hamburg 1990, S.30f)
Im Frühjahr 1984 diskutierten dann Frauen aus der GAL und ihrem Umfeld das Konzept einer Frauenliste. Diese Frauen wurden in der GAL „die frechen Frauen“ genannt. „Auslöser für die Initiative der Frechen Frauen waren GAL-interne Entwicklungen, die unter anderem zum Rückzug von Frauen aus der GAL geführt hatten. Die Frechen Frauen kritisierten nicht nur die herrschenden, männerdominierten Politikstrukturen in der GAL, sondern auch die Strukturen und Inhalte der Frauenpolitik in der GAL. Der Konzentration von Frauen des GAL-Frauenbereiches auf ‘traditionelle’ Frauenthemen setzten die Frechen Frauen ein verändertes Verständnis von Frauenpolitik entgegen. Die Frechen Frauen forderten, daß in jedem politischen Schwerpunkt der GAL Bedürfnisse und Interessen von Frauen thematisiert – und zum Ausgangspunkt der Politik gemacht werden sollten.“ (Martina Muckli. Einbruch in die Männerwelt? a. a. O., S. 36f.)
„Das Konzept der ‚Frechen Frauen‘ in Hamburg war sowohl innerhalb der GAL als auch in der Hamburger Frauenbewegung eher auf Mißstrauen und Skepsis gestoßen – dies jedoch aus sehr unterschiedlichen Gründen. Die Kritik reichte vom Vorwurf des Biologismus (Frausein ist kein Programm!) und unpolitischen Herangehens bis hin zum Lamentieren über die künftige Ausgrenzung von Männern und der Befürchtung, autonome Bestrebungen der Frauenbewegung würden in parlamentarische, männlich bestimmte Bahnen (und Sackgassen) führen.“ (Katja Leyrer: GAL-Frauenliste 1986 bis 1991: Einbruch in die Männerwelt – oder zwischen allen Stühlen?, in:Inge Grolle und Rita Bake: “Ich habe Jonglieren mit drei Bällen geübt“. Frauen in der Hamburgischen Bürgerschaft 1946 bis 1993. Hamburg 1995, S. 277.)
Dennoch kam es im Sommer 1986 zur Aufstellung einer GAL-Frauenliste zur anstehenden Bürgerschaftswahl im November 1986. So etwas hatte es bis dahin in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegeben. Bei den Bürgerschaftswahlen im November 1986 trat die GAL also mit einer reinen Frauenliste an und errang dreizehn Mandate. „Der grüne Wahlerfolg im Landesparlament ist mit Sicherheit nicht ausschließlich der Idee ‚Frauenliste‘ zugute zu halten, sondern hatte auch zwei sehr unerfreuliche Gründe: Im Frühjahr 1986 war es nach der Katastrophe von Tschernobyl bis in den Hamburger Raum zu radioaktiven Niederschlägen gekommen, die insbesondere für Mütter kleiner Kinder zu einer angstvollen Belastung wurden und für die als Anti-AKW StreiterInnen bekannten GRÜNEN zu einem Stimmenzuwachs führten. Und im Zusammenhang mit einer Anti-AKW-Demonstrtaion hatte die Hamburger Polizei kurz vor der Wahl traurige Berühmtheit mit dem ‚Hamburger Kessel‘ erlangt.“ (Katja Leyrer, a. a. O., S. 275.)
Die erste Frauenfraktion der GAL mit ihren 13 Abgeordneten amtierte nur 120 Tage, dann wurde die Bürgerschaft im März 1987 aufgelöst. Der Hintergrund hierzu: Nach den Wahlen im November 1986 hatte es eine SPD-Minderheitenregierung gegeben, die in ihren Beschlussfassungen von wechselnden Mehrheiten abhängig gewesen war. Unter solchen Bedingungen konnte nicht lange regiert werden. In einer Sondersitzung am 18.3.1987 wurde dann mit den Stimmen der CDU und SPD-Fraktionen die Auflösung des Parlaments beschlossen, um daraufhin Neuwahlen durchführen zu können.
Im Mai 1987 kam es zur Neuwahl des Parlaments. Die GAL trat wieder mit einer reinen Frauenliste an und erhielt acht Mandate. Diese zweite GAL-Frauenfraktion amtierte knapp zwei Jahre von Mai 1987 bis Februar 1989. Dann musste „rotiert“ werden. „Ein zwar umstrittener, aber damals noch praktizierter Grundsatz der GRÜNEN und damit auch der Hamburger GAL forderte von grünen Parlamentarierinnen und Parlamentariern die ‚Rotation‘ aus dem Parlament nach zwei Jahren. (…) Die – parteiintern begründete – ‚Rotation‘ aus der Bürgerschaftsfraktion bedeutete in der Praxis, daß die amtierenden Parlamentarierinnen der Fraktion ausgetauscht wurden. Für diese rückten – nach Listenplatz – neue Kandidatinnen nach. (…) Diese personelle Neustrukturierung brachte für die Frauenfraktion eine erhebliche Unterbrechung in der Kontinuität der Arbeit mit sich. (…) Die ‚Nachrückerinnen‘, die nun ins Parlament ‚rotierten‘, waren im Gegensatz zu den Spitzenkandidatinnen der ersten und zweiten Fraktion mehrheitlich von sogenannten ‚Realo‘-Frauen besetzt, und man erwartete nun ein Abrücken von Hamburger GAL-typischen ‚linken‘ Positionen. (…) Die Einstellung der Parlamentarierinnen zur Idee ‚Frauenliste‘ war in dieser dritten Frauenfraktions-Zusammensetzung allerdings wesentlich homogener als bei den Vorgängerinnen: bei den ‚Nachrückerinnen‘ fanden sich die Skeptikerinnen in einer Minderheitenposition. Rückblickend zusammengefaßt, erweckte diese Fraktion auch der Presse gegenüber einen ‚neuen‘ Eindruck. Die Wochenzeitung ‚Freitag‘ beobachtete: ‚(…) eine Fraktion, die viel weniger von GAL-Traditionen geprägt war als viel mehr von Frauen, die bisher ihren Lebensmittelpunkt nicht in der Parteiarbeit gesehen hatten, sondern zum Beispiel in ihrem beruflichen Engagement. (…)“ (Katja Leyrer, a. a. O., S. 279f.)
Die dritte GAL-Frauenfraktion amtierte dann von Februar 1989 bis März 1990. „Aufgrund innerparteilicher Streitereien und politischer Differenzen kam es im März 1990 zum nachhaltigen Eklat: vier Frauen der GAL-Frauenfraktion (Heide Neitsch, Eva Hubert, Krista Sager und Angela Friedrich) erklärten ihren Austritt aus der Hamburger GAL, verweigerten aber die Niederlegung ihrer Bürgerschaftsmandate. (…).“ (Katja Leyrer, a. a. O., S. 280.)
Zwei weitere Fraktionskolleginnen unterstützten die vier nun Parteilosen. Diese sechs Frauen bildeten „bis Mai 1991 ‚Die Frauenfraktion‘ ohne offizielle Parteianbindung in der Hamburger Bürgerschaft. Im April 1990 [war sie] offiziell als parteilose ‚Frauenfraktion‘ von der Bürgerschaft anerkannt [worden].“ (Katja Leyrer, a. a. O., S. 280.)
Zur nächsten Bürgerschaftswahl, die für das Jahr 1991 anstand, hatte sich im Laufe des Jahres 1990 der ‚Hamburger Frauenratschlag‘ gegründet, „ein Verbund von Frauen aus dem Umfeld der Frauenfraktion, parteilosen Feministinnen, aber auch enttäuschten GAL-Frauen, um die nochmalige Kandidatur einer Frauenliste bei den Bürgerschaftswahlen 1991 vorzubereiten. (…) ‚120 Frauen kandidieren für die Bürgerschaft 1991‘ – hieß es in einem der Aufrufe. ‚Unsere Vielfalt gegen männliche Einfalt!‘. Das anfänglich breite Bündnis brach jedoch zusammen und verkündete am 17. April 1991 in einer Presseerklärung: ‚Das Frauenbündnis wird nicht kandidieren.‘
Die Frauenfraktion feierte mit vielen Kolleginnen der vorhergehenden GAL-Frauenfraktionen – wenn auch nicht mit allen – am 31. Mai 1991 ihren Abschied. Drei Tage vorher hatten die Hamburger GRÜNEN bekanntgegeben, zur Bürgerschaftswahl 1991 eine aus 24 Kandidatinnen und Kandidaten bestehende, also wieder eine ‚gemischte‘ Liste aufzustellen.“ (Katja Leyrer, a. a. O., S. 282.)
Über die Frauenliste urteilten Politiker: „Thomas Ebermann nannte die Aufstellung der Frauenliste ‚Despotie durch Ausgrenzung‘, (Thomas Ebermann war 1982-1984 MdHBÜ, später MdB in Bonn. Vgl.: Der Spiegel 19/1987.) Klaus von Dohnany sprach von ‚Kasperletheater‘ (Klaus v. Dohnany war zu dieser Zeit regierender Bürgermeister in Hamburg. Seine Aussage über die Frauenliste wurde später zur Grundlage für deren kostümierten Einzug ins Rathaus: Alle in Nadelstreifenanzügen mit einer Kasperlepuppe – es waren auch Teufel darunter! – an der Brusttasche.), und Hartmut Perschau fürchtete gar eine ‚Katastrophe für unsere Stadt‘ (Hartmut Perschau war damals Fraktions-Chef der Hamburger CDU. Vgl.: Der Spiegel 19/1987). Ein gutes Jahr später bezeichnete GAL-Vorstandsmitglied Bernd Vetter die Arbeit seiner Parteifreundinnen in der Fraktion als ‚Hausfrauisierung der GAL‘ (Auf der Mitgliederversammlung der Partei am 23.8.87; Vetter war ebenfalls MdHBÜ in der ersten geschlechtergemischten GAL-Fraktion in der Bürgerschaft gewesen.).“ (Katja Leyrer, a. a. O., S. 282.)
Beispiele einiger parlamentarischer Aktivitäten der Frauenfraktionen:
Adrienne Goehler (GAL) kritisierte 1987 erstmals in einer Bürgerschaftssitzung den männlich orientierten und Frauen ausgrenzenden Sprachgebrauch der Abgeordneten. Sie bemerkte kritisch: „Wir kommen als eigenständige Personen und werden normalerweise unter die Männer subsumiert.“ (Pl Pr, 13/1 vom 3.6.87, S. 11A)
1989 präsentierte die GAL-Frauenfraktion noch vor den Kolleginnen aus den anderen Fraktionen einen Gesetzentwurf zur Gleichstellung im öffentlichen Dienst, „der eine 50-Prozent-Quotierung und hauptamtliche Frauenbeauftragte in allen Bereichen vorsah“. (In: Freitag vom 4.1.91, zit. nach Katja Leyrer, a. a. O., S.290.) Auslöser für diesen Gesetzentwurf war die von der GAL geführte Kritik an der 1984 vom Senat aufgestellten „Richtlinie zur Förderung von Frauen im hamburgischen öffentlichen Dienst“. Nach Meinung der GAL hatte diese Richtlinie wenig bewirkt, so waren z. B. Frauen in Führungspositionen des öffentlichen Dienstes weiterhin die Ausnahme.
Zum Thema „Qualifikation“ vertraten die GAL-Frauen die Meinung: Eine „wirkliche und der Lebensrealität von Frauen gerecht werdende Quotierung [kann] nur dann möglich und einlösbar [sein], wenn gleichzeitig traditionelle ‚normale‘ männliche Normen von ‘Qualifikation’ angegriffen würden. Ohne eine Aufweichung des herrschenden Qualifizierungsbegriffs bleibe (...) auch eine 50-prozentige oder gar höhere Quotierung zugunsten von Frauen eine Anpassungsleistung an männlich geprägte Macht- und Arbeitsstrukturen.“ (Katja Leyrer, a. a. O., S. 290.) Die GAL forderte: reduzierte Arbeitszeiten sollten nicht nachteilig bewertet werden. Außerdem sah die GAL in ihrem Gesetzentwurf Sanktionen gegen Arbeitgeber vor. Nur so sei die Quotierung zu gewährleisten. Der Gesetzentwurf fand in der Bürgerschaft jedoch keine Mehrheit.
Die Frauenfraktionen machten „immer wieder mit spektakulären inner- und außerparlamentarischen Aktionen von sich reden: Bei einer Smog-Debatte im Rathaus erschienen die Abgeordneten mit Mundschutz; einige von ihnen störten zusammen mit Tierschutzgruppen die jährlich stattfindende Senatsjagd (…)
Nach den Neuwahlen im Mai 1987 war die (zweite) GAL-Frauenfraktion als Mehrheitsbeschafferin in einzelnen Sachfragen nicht mehr relevant. Die Anträge der (…) Fraktion wurden in der Regel von den Koalitionsparteien der gesamten Bürgerschaft abgelehnt, z. B. ein Antrag auf ‚Förderung von Kulturprojekten von Frauen für Frauen‘ oder einer zur finanziellen Absicherung einer ‚Informationsstelle Frauen Alltag, Medikamente‘ (beide im Dezember 1988). Dass so gut wie nie ein Einfluss auf Haushaltsentscheidungen möglich war, hatte zumindest in den ersten Jahren der Ära Frauenliste im Rathaus zu nachhaltigen Enttäuschungen der örtlichen Frauenprojekte geführt. (…)
Im Juli 1988 fragte die (zweite) GAL-Frauenfraktion in einer Großen Anfrage nach dem Stand und Plan der Finanzierung von Gentechnologie aus öffentlichen Mitteln. In einem Antrag im Ausschuss für Wissenschaft und Forschung war zudem eine Anhörung mit dem Thema ‚Gentechnologie und Technikbewertung‘ gefordert worden. Dem Antrag der Frauenfraktion auf die Anhörung wurde – nach beträchtlicher Zeitverzögerung – nur zum geringsten Teil stattgegeben. Die große Anfrage ergab, dass aus öffentlichen Mitteln der Freien und Hansestadt bis einschließlich 1988 20 Millionen DM für Standortfinanzierung gentechnologischer Forschung ausgegeben worden war, bis 1992/93 noch weitere 100 Millionen DM folgen sollten.
1989 setzte die (dritte) GAL-Frauenfraktion die – oppositionelle - Arbeit an diesem Thema fort. (…).“ (Katja Leyrer, a. a. O., S. 288ff.)
„Auch manche tagespolitischen Themen, die nur indirekt mit Hamburg zu tun hatten, wirkten sich auf die parlamentarische Arbeit der Frauenfraktionen aus. Ein Beispiel dafür ist der Antrag ‚Frauenrechte in der Verfassung‘, gestellt von der letzten parteilosen Frauenfraktion im September 1990: ‚Wir stellen in Übereinstimmung mit Frauen in Führungspositionen der DDR-Regierung, DDR-Parteien und der Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR mit Besorgnis fest, daß der gesamtdeutsche Einigungsprozeß bereits jetzt zu erheblichen Nachteilen bei Frauen führt.‘
Unter Hinweis auf die steigende Frauenerwerbslosigkeit in den künftigen ‚Neuen Bundesländern‘, die zu beobachtenden Streichungen von Kinderbetreuungseinrichtungen und die (damals noch) bestehenden unterschiedlichen Gesetzeslagen wandten sich die Frauenfraktions-Abgeordneten an den Senat: ‚Der Senat wird ersucht, dem 2. Staatsvertrag nur zuzustimmen, wenn (…).‘ Es folgt ein 10-Punkte-Katalog, der zu erwartenden gesetzlichen Veränderungen bzw. den ‚Anschluß‘ der ehemaligen DDR an Bundesdeutsches Recht abhängig machen wollte von der gleichzeitigen Konsolidierung einiger ‚Frauenrechte‘: u. a. einer besonderen arbeitsrechtlichen und strukturpolitischen Frauenförderung, der Sozialversicherungspflicht für Teilzeitarbeitsverhältnisse, einem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuungseinrichtungen, der Ausdehnung des Betreuungsurlaubs für kranke Kinder und der Abschaffung des § 218 StGB.“ (Katja Leyrer, a. a. O., S. 290f.)
Katja Leyrer zieht zum Schluss ihres im Jahre 1995 veröffentlichten Artikels über die GAL-Frauenliste ein Fazit: „Das Fazit der Parlamentarierinnen über ihre Arbeit als Abgeordnete in der Hamburger Frauenfraktion ist unterschiedlich (Mein Fazit bezieht sich auf die Ergebnisse einer eigenen Befragung der Abgeordneten Ende 1991/Anfang 1992). Die Bandbreite ihrer Einschätzungen reicht von Enttäuschung vor allem über das ‚Binnenklima‘ zwischen den beteiligten Frauen und in der Partei, bis zu fast begeisterten Beschreibungen über die Erfahrung, sich in dieser Form ins politische Geschehen einzumischen. (…) Von Enttäuschungen geprägt sind bei vielen der Akteurinnen die realen Erfahrungen mit der ‚Frauengruppe‘ Frauenfraktion. Doch gehen auch hier die Einschätzungen ziemlich weit auseinander (…). Einige glauben mit etwas mehr Großzügigkeit unter den Frauen, vor allem aber einer eindeutigeren Pro-Frauenfraktions-Zusammensetzung der Gruppen könne es künftig besser laufen. Andere bestehen auf der Notwendigkeit von begleitender Supervision für ein solches Projekt. Und fast einstimmig wird der Hamburger GAL ein äußerst schlechtes Zeugnis ausgehändigt, was den politischen Umgang mit dem Versuch Frauenfraktion betrifft. An den Pro- und Kontra-Einstellungen für eine Fraktion ohne Männer hat sich kaum etwas geändert. Nur eine der ehemaligen Befürworterinnen der Frauenliste ist heute davon überzeugt, daß die Idee falsch, da ‚künstlich‘ war. (…) Obgleich die Erfahrungen mit Quoten und ‚Frauenförderplänen‘ widersprüchlich und die Meinungen über künftige Strategien geteilt sind, gilt das Experiment der Hamburgerinnen bereits heute als geschichtsträchtiger Versuch von Frauen, sich den Raum zu nehmen, der ihnen zusteht. (…)“ (Katja Leyrer, a. a. O., S. 291f.)
60 Jahre zuvor:
Nachdem die Frauen 1918/19 das Wahlrecht erlangt hatten, hofften die Frauen auf mehr Einfluss in der Politik und die Durchsetzung ihrer Rechte. Doch diese Hoffnungen schwanden immer mehr. „Die Politiker empfanden die Frauen als Konkurrenz und die Forderungen und Interessen der Frauen waren für sie, die ihr männliches Rollenverständnis keineswegs hinterfragen wollten und die Frauen in politischen Ämtern für nicht qualifiziert hielten, marginal und nicht unterstützungswürdig. Lida Gustava Heymann brachte 1924 die Gründe für die politische Frauendiskriminierung auf den Punkt: ‚Brotneid, nackter Egoismus der Männer innerhalb der Parteien. Abgeordneter zu sein, ist heute ein Geschäft, man wird bezahlt und verhältnismäßig gut bezahlt. An solche einträgliche Futterkrippe läßt man die Frauen nicht heran und die Männer brauchen hier wie überall, wo es sich um Einkommen handelt, ihre Ellbogen.‘Um den geringen parlamentarischen Einwirkungsmöglichkeiten und der Verhinderung von Frauen in politischen Ämtern und Funktionen entgegenzuwirken, forderten Lida Gustava Heymann und Anita Augspurg für die nächsten Reichsstagswahlen ‚Frauenlisten‘ mit den Kandidatinnen aller Parteien aufzustellen. Diese Idee führte Mitte der 1920er Jahre in der bürgerlichen Frauenbewegung zu heftigen Diskussionen, konnte sich schließlich aber nicht durchsetzen. Gleichzeitig wurde auch über eine Frauenpartei nachgedacht. ‚Im Gegensatz zu einer Frauenliste, stellt die Forderung nach einer Frauenpartei das Verlangen nach einer auf Dauer berechneten politischen Arbeits- und Lebensform dar (…). Welches wären nun die konkreten Arbeitsgebiete der Frauenpartei?
Die Beeinflussung der Gesetzgebung für Verhütung und Schadensbesserung aller sozialen Not. (…)
Der Kampf gegen die Sonderstellung der Frau im Recht, im öffentlichen Leben, im Parlament als Verteidigung verfassungsmäßig festgelegter Gleichberechtigung der Geschlechter. (…)‘
Auch die Idee einer Frauenpartei wurde innerhalb der Frauenbewegung heftig kontrovers diskutiert. Die Sozialdemokratinnen und Kommunistinnen lehnten von ihrem jeweiligen frauenpolitischen Standpunkt her grundsätzlich eine Frauenpartei ab und die gemäßigte bürgerliche Frauenbewegung, wie der ‚Bund Deutscher Frauen‘ bezweifelte, dass eine gemeinsame inhaltliche Basis in der Frauenpartei gefunden werden könnte. Der BDF meinte, der bessere Weg wäre, die zu den Reichstagswahlen antretenden Parteien aufzufordern, mehr Frauen auf aussichtsreichen Listenplätzen kandidieren zu lassen und zu den Frauenforderungen Stellung zu beziehen. Die meisten Frauen in der gemäßigten bürgerlichen Frauenbewegung und die Sozialdemokratinnen glaubten weiterhin daran, dass über Parteien und Parlamente die Gleichberechtigung der Frau mit verwirklicht werden könnte. Nur ein kleiner Kreis in der radikalen bürgerlichen Frauenbewegung hatte diesen Glauben an die Parteien und Parlamente verloren.“ (Kirsten Heinsohn: Die Frauenfrage – ein Problem der Moderne, in: Rita Bake, Kirsten Heinsohn: „Man meint aber unter Menschenrechten nichts anderes als Männerrechte“. Zur Geschichte der Hamburger Frauenbewegung und Frauenpolitik vom 19. Jahrhundert bis zur Neuen Hamburger Frauenbewegung Ende der 1960er Jahre. Hamburg 2012, S.109.)