Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Industria-Verein Industria-Verein zur Förderung der im Handel und Gewerbe thätigen weiblichen Angestellten zu Hamburg

Paulstraße 25: Sitz in Hamburgs erstem Frauenhaus (heute hier die Europapassage). In der Passage erinnert eine Tafel daran.


3750 Frauenhaus Paulstrasse
Paulstraße, Quelle: Staatsarchiv Hamburg

Seit 1898 hatte auch der Industria-Verein zur Förderung der im Handel und Gewerbe thätigen weiblichen Angestellten zu Hamburg in der Paulstraße seinen Sitz. Sein Ziel war „Seine Mitglieder in beruflicher, wirthschaftlicher, wissenschaftlicher und geselliger Hinsicht in jeder Weise zu fördern und an seinem Teile zur Milderung der sozialen Gegensätze beizutragen.“[1] Der Verein richtete deshalb eine Stellenvermittlung, eine Rechtsberatung und eine Bibliothek ein und rief eine Kranken-, Darlehens- und Unterstützungskasse und eine Versicherung für stellenlose Handlungsgehilfinnen ins Leben. 1899 eröffnete er eine Handelsschule für Mädchen.
Aufgenommen wurden keine Verkäuferinnen, somit wurde ein Großteil der im Handel tätigen Frauen, die meist aus der unteren Mittelschicht, dem Kleinbürgertum, aber auch aus der Arbeiterschicht kamen, ausgegrenzt.

Ausschnitt aus dem szenischen Rundgang "Jedes Haus sein eigenes Geheimnis". Stadtführerin: Rita Bake; Direktor: Dieter Schmitt; Fräulein Schmidt: Beate Kiupel

Die Organisationsform des Vereins war eine autonome, organisiert von weiblichen Angestellten, „ohne Einflussmöglichkeiten für Geschäftsinhaber“. Solch eine Organisationsform galt in „vielen bürgerlichen Kreisen als ‚sozialistischer Grundsatz‘, der den inneren sozialen Frieden stören würde.“ [2]
Der Verein war an „einer Verbindung zwischen Frauen- und Angestelltenrechten orientiert und nicht auf die Kooperation mit Arbeitgebern fixiert.“[3]
1905 wurde der Verein aufgelöst: „zugunsten einer neuen Organisation mit dem Namen ‚Kaufmännischer Verband für weibliche Angestellte, Ortsgruppe Hamburg‘“,[4] so die Historikerin Kirsten Heinsohn. Alle nicht kaufmännischen Vorstandsmitglieder mussten ihre Posten aufgeben, so auch Lida Gustava Heymann. In den nächsten Jahren entfernte sich der neue Verband von den Zielen der radikalen bürgerlichen Frauenbewegung, zu der Lida Gustava Heymann gehörte, und zog deshalb aus den Räumen in der Paulstraße 25 aus zum Großen Burstah bzw. Adolphplatz. Lida Gustava Heymann kommentierte diesen Sinneswandel: „(...) so wurde sie [die Industria] eine reine Berufsorganisation ohne frauenrechtlerische Tendenz“.[5]
Text: Rita Bake