KZ Außenlager Dessauer Ufer
KZ Außenlager des KZ Neuengamme
Zwangsarbeiterinnen
Dessauer Ufer, Lagerhaus G
Im 1903 errichteten Lagerhaus Speicher G am Saalehafen war vom 20.6.1944 bis 13.9.1944 ein KZ Außenlager des KZ Neuengamme. Eine Gedenktafel erinnert daran.
Im Juli 1944 internierten dort die Nationalsozialisten 1500 jüdische Frauen, meist Tschechinnen, Ungarinnen und Polinnen, die aus dem KZ Auschwitz nach Hamburg gebracht wurden. Die Frauen blieben bis September 1944 dort und kamen dann in die KZ Außenlager Wedel und Neugraben/Tiefstack. Für den Einsatz der Frauen war der Senatssyndikus Wilhelm Tegeler zuständig.
Heute führt noch eine schmale, steile Stiege vom Erdgeschoß des Lagers in einen niedrigen dunklen Keller. Hier mussten die Häftlinge bei Bombenangriffen ausharren und auf den täglichen Transport per Schiff zu den Arbeitsstellen warten. Im Keller befindet sich heute auch noch ein Kapoverschlag, in dem die Kapo saß und die Häftlinge beaufsichtigte. Das Bewachungspersonal bestand aus ausgedienten Wehrmachtsoldaten und pensionierten Zollbeamten. Weibliches Aufsichtspersonal gab es nicht.
Die weiblichen Häftlinge wurden zu Aufräumarbeiten im Hafen und in den Raffinerien gezwungen. Sie arbeiteten z. B. bei den Firmen Eurotank, Teerfabrik Ebano-Oehler und in der Erdölfabrik Schindler. Auch mussten sie in Getreidespeichern arbeiten und beim Bau von Notwohnungen mithelfen Frühmorgens und nur unzureichend bekleidet, wurden die Frauen auf Schuten verfrachtet und zu ihren Arbeitsstätten gefahren. Hier mussten sie mehr als zwölf Stunden täglich arbeiten, mit kaum mehr im Magen als einer dünnen Suppe und einer Scheibe Brot. Schafften die Frauen die Arbeit nicht, brachen zusammen oder waren schwanger, drohte ihnen die Deportation nach Auschwitz oder Ravensbrück
Liza Neumannova, ehemaliger Häftling im KZ Außenlager Dessauer Ufer berichtete der Gedenkstätte des KZ’s Neuengamme: „Von Auschwitz in Lastwagen einwaggoniert kamen wir anfangs Juli nach Hamburg ein und wurden am Dessauer Ufer in Getreidespeichern untergebracht. Täglich mußten wir um 3 Uhr früh aufstehen, bekamen ein wenig sogenannten Kaffee, kaum warm, und um 4 Uhr, nur in leichter Bekleidung - graue Sommerhäftlingskittel - ohne Strümpfe, in Holzpantoffeln, bei Wind und Wetter, warteten wir auf den Dampfer, der uns zu unseren Arbeitsplätzen brachte. Anfangs wurden wir während Bombenanflügen in unseren Unterkünften eingesperrt und erlebten einen schweren Bombenangriff in der Nacht. Später mußten wir bei Alarm sofort in den Keller, wo wir täglich den Abend bis Mitternacht verbrachten, und morgens um 3 Uhr früh begann, wie gewöhnlich, der Arbeitstag, dessen Abend wir frierend, hungrig und todmüde sehnlichst erwarteten.
Einmal stieß ein SS-Mann grundlos eine junge Frau über die Stiegen herunter. Sie erlitt eine schwere Kopfverletzung und starb nach kurzer Zeit. Unsere schwangeren Frauen mußten sich melden und wurden abtransportiert, niemand wußte wohin. Keine von ihnen kehrte zurück nach der Befreiung.”
Eine der üblichen Misshandlungen war das Auspeitschen mit einer 9-Riemen-Peitsche, an der Metallkugeln befestigt waren.
Der Besitzer der Barmbeker Elephanten-Apotheke, der nach Kriegsende als Kriegsverbrecher verhaftet wurde, lieferte ans Dessauer Ufer Arzneimittel, so das Beruhigungsmittel Luminal und Morphium. Morphium, zusammen verabreicht mit Luminal führte in vielen Fällen zum Tode.
Neueste Forschungen ergeben, dass auch Kinder in den Speichern am Dessauer Ufer untergebracht wurden. Es handelte sich dabei um Kinder von Zwangsarbeiterinnen, die mit ihren Müttern verschleppt worden waren oder in Hamburg von Zwangsarbeiterinnen geboren wurden.
Aus den Akten wird bisher nicht deutlich, in welchen Speichern die Kinder untergebracht wurden. Der Speicher G wurde bisher in den Quellen nicht erwähnt, dafür aber der Speicher F am Dessauer Ufer. So erfahren wir z. B., dass Fiktor Kolzow am 26. Juli 1944 im Allgemeinen Krankenhaus Langenhorn geboren wurde. Seine Mutter war am 4. Juli 1944 unter Fleckfieberverdacht in das Krankenhaus eingeliefert worden. Noch am selben Tag seiner Geburt wurde das Baby in das Zwangsarbeiterlager Dessauer Ufer entlassen. Und ein zweites Beispiel: Lidia Lisenko, geboren am 9. 12. 1938, erkrankte an Scharlach und wurde am 7. Juli 1944 im Allgemeinen Krankenhaus Langehorn aufgenommen. Am 22. August 1944 wurde sie in das Zwangsarbeiterlager Dessauer Ufer, Speicher F, entlassen.
Was mit den Kindern geschah, ist bisher nicht bekannt. (Stand : April 2013)
Im September 1944 wurden die Frauen auf andere Außenlager verteilt und das Lager Dessauer Ufer für 2.000 Männer hergerichtet. Diese kamen aus der UDSSR, Polen, Belgien und Frankreich. Auch sie mussten Aufräumarbeiten im Hamburger Hafen leisten. Kommandoführer war SS-Obersturmführer Karl Wiedemann, sein Stellvertreter war SS-Unterscharführer Hans Fiekens. Dieser galt als außergewöhnlich brutal. Er soll mehrere Häftlinge erschlagen haben.
Im Oktober 1944 wurde der Speicher G bombardiert. Während des Bombardements waren die meisten Häftlinge im Arbeitseinsatz. Vor Ort befanden sich ca. 200 kranke Häftlinge, von denen viele beim Bombenangriff ums Leben kamen.
Nach den Bombardements sollen die überlebenden Häftlinge in andere Außenlager verlegt worden sein. Im Februar 1945 kamen dann noch einmal 800 männliche Zwangsarbeiter aus dem Außenlager Fuhlsbüttel in den Speicher G am Dessauer Ufer.
Am 14. April 1945 wurde das Außenlager geräumt und die Häftlinge kamen über mehrere Außenlager schließlich ins Außenlager Sandborstel bei Bremen, wo die Überlebenden dann von den Alliierten befreit wurden.
Nach dem Krieg untersuchte die britische Militärregierung die Zustände im Frauenlager Dessauer Ufer und in Neugraben/Tiefstack. Drei Angehörige der Wachmannschaft und der Lagerführer wurden wegen Misshandlungen von Häftlingen verurteilt und bekamen Gefängnisstrafen von 15 bzw. 2 Jahren. Wiedemann bekam 15 Jahre Haft. Gegen Fiekens wurde 1950 und 1982 wegen seiner Taten im Außenalger Spaldingstraße ermittelt. Es kam zu keiner Verurteilung.
Text: Rita Bake