Jüdische Fachschule für Schneiderinnen und Haushaltungsschule
Heimhuder Straße 70 (ehemals)
Ab 1935 gab es hier im Rahmen der Ausbildungslehrgänge der Beratungsstelle für jüdische Wirtschaftshilfe eine Jüdische Fachschule für Schneiderinnen und Haushaltungsschule.
Folgende Lehrerinnen wurden während der Zeit des Nationalsozialismus deportiert und ermordet:
Nelly Toczek, geb. Nathan. Lehrerin. Geb. 15.1.1909, am 15.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, 1944 in Auschwitz ermordet.
Alfriede Wagener. Lehrerin Geb. 3.5.1880, am 25.10.1941 deportiert nach Lodz.
Alfriede Wagener, geb. Grübel
3.5.1880 Hamburg , am 25.10.1941 deportiert nach Lodz, im Mai 1942 in Chelmno ermordet
Lehrerin an der Jüdischen Fachschule für Schneiderinnen und Haushaltungsschule
Isestraße 11 (Wohnadresse), Stolperstein
Heimhuderstraße 70 (Schule, Wirkungsstätte)
Alfriede Wagener war mit Kurt Wagener (1903, 1938 Haft im KZ Fuhlsbüttel, am 29.12.1938 Tod im Konzentrationslager Sachsenhausen) verheiratet.
Christa Fladhammer schreibt über Alfriede Wagener: „Sie teilte das Schicksal von 1034 Hamburgern, die am selben Tag den Zug nach Osten besteigen mussten. Sie alle waren in keiner Weise auf das vorbereitet, was sie erwartete: Massenunterkünfte mit eilig zusammengezimmerten zweistöckigen Holzpritschen. Erst nach und nach konnten sie in ‚Wohnungen‘ umziehen, die aber auch nur eine karge Unterkunft boten. Es herrschte Eiseskälte, kurz nach ihrer Ankunft fiel das Thermometer auf minus 8 Grad Celsius. Brennmaterial musste auf dem Rücken herbeigetragen werden. Wer noch etwas Geld besaß, konnte sich vielleicht sogar einen Träger leisten. Dann wurden sie zur Arbeit eingeteilt.
Zwischen dem 18. Oktober und dem 4. November trafen 20.000 ‚Westjuden‘ aus dem ‚Reich‘, aus Luxemburg, Österreich, Böhmen und Mähren in Lodz ein. Unter ihnen 100 Ärzte, Zahnärzte und Krankenpflegepersonal, die als erste Arbeit fanden. Ebenfalls gesucht waren qualifizierte Handwerker, denn das Getto unterhielt sich durch Arbeit in Handwerksbetrieben und kleinen Fabriken. Wer zu alt oder geschwächt war, bemühte sich vergeblich um Arbeit. So erging es Alfriede Wagener. Ein halbes Jahr später, als wieder eine Deportation bevorstand, schrieb sie an das ‚Amt für Aussiedelung‘ in Lodz:
‚Hiermit erlaube ich mir die Bitte von der Evakuierung zurückgestellt zu werden. Ich leide seit letzten Winter an Frost an Händen und Füssen, und habe offene Wunden, mit denen ich jetzt im Spital Hanseatenstrasse in Behandlung bin. Es ist für mich ausgeschlossen, längere Wege zu gehen, sodass ich befürchten muss, die Strapazen der Evakuierung nicht auszuhalten. Gleichfalls möchte ich bemerken, dass mein Sohn im Konzentrationslager gestorben ist, und ich 8 Tage darauf meinen Mann auch verloren habe, sodass ich ganz alleine stehe. Seit ich hier bin, bemühe ich mich um Arbeit, habe aber durch mein Alter keine bekommen, ich bin 62 Jahre alt. Ich bin perfekte Schneiderin, und glaube bestimmt dasselbe leisten zu können, was Jüngere leisten.
Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich keine Fehlbitte tue.
Ergebenst
Alfriede Wagener‘
Ihre Bitte wurde abgelehnt. Alfriede Wagener hatte den Brief am 2. Mai geschrieben. Seit Ende April kursierten Gerüchte über eine ‚Aussiedelung‘ in ein anderes Arbeitsgetto, vielleicht nach Frankreich oder Bessarabien. Der erste Zug fuhr am 2. Mai 1942. Die Angst steigerte sich, als die Bewohner erfuhren, dass den ‚Ausgesiedelten‘ am Bahnhof ihr gesamtes Gepäck, das ohnehin schon sehr knapp bemessen war, abgenommen wurde. Vom 4. bis zum 15. Mai rollten 12 Züge mit insgesamt 10993 ‚Fahrgästen‘, für die ein Fahrpreis von 2,95 RM entrichtet werden musste, in Richtung Chelmno in den Gastod. In einem davon saß Alfriede Wagener.“
Text: Christa Fladhammer, aus: www.stolpersteine-hamburg.de
Dort angegebene Quellen: 1; Auskunft Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen vom 29.9.2009, Signatur in Archiv Sachsenhausen D 1 A/1020, Bl.556; USHMM,RG 15.083, M 300/1104-1104a; Die Chronik des Gettos Lodz/Litzmannstadt, Hrsg. Sascha Feuchert u. a., Göttingen 2007, Bd. 1941, S. 268ff; Bd. 1942, S. 142ff, S. 160f.; Andreas Engwert, Susanne Kill, Sonderzüge in den Tod: Die Deportationen der Deutschen Reichsbahn, Köln 2009, S. 95.
Zur Nummerierung häufig genutzter Quellen siehe Link "Recherche und Quellen".
Für Nelly Toczek liegt ein Stolperstein vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in der Isestraße 37.
Sie war seit 1937 verheiratet mit Arthur Torczek (22.111.1908 Hindenburg – 14.7.1942 deportiert nach Theresienstadt, am 19.10.1944 weiter transportiert nach Auschwitz). Er arbeitete als Lehrer für Physik und Mathematik an der Talmud Tora Schule, bis diese aufgelöst wurde. Dann war er nach Zusammenlegung der Mädchenschule in der Carolinenstraße mit der Talmud Tora Schule in der Carolinenstraße tätig.
Das Paar wohnte zuerst zu Untermiete in der Isestraße 37.
Christa Fladhammer hat ein Porträt über die Familie Toczek verfasst, welches in der Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de nachzulesen ist. Hier folgend Auszüge daraus:
„Dort wurde ihre erste Tochter Neomi geboren[28.7.1938]. Danach zog die Familie noch zweimal um, zunächst zur Untermiete in die Schlüterstraße, dann im Juni 1939 in eine eigene Wohnung im Gebäude der Jüdischen Gemeinde in der Heimhuder Straße 70, wo die Toczeks ihrerseits eine Untermieterin aufnahmen. In diesem Haus befand sich die Beratungsstelle für jüdische Wirtschaftshilfe und die Jüdische Haushaltungsschule, an der Nelly Toczek, selbst Schneidermeisterin, die Klasse für Schneiderinnen unterrichtete. Außerdem engagierte sie sich in der Beratungsstelle für Jüdische Wirtschaftshilfe.
Am 24. Dezember 1941 musste die Familie ins ‚Judenhaus‘ in der Benneckestraße ziehen, wo auch Artur Toczeks Mutter, Salka Toczek, untergebracht war. Dort kam am 16. April 1942 Reha, die zweite Tochter, zur Welt.
Am 15. Juli 1942 wurden alle, die junge Familie und die Großmutter, nach Theresienstadt deportiert, zusammen mit der Kollegin Lilly Freimann und mehreren der verbliebenen Schüler der Talmud Tora Schule. Vier Tage später folgten die letzten beiden Lehrer.
Reha Toczek war noch keine drei Monate alt, als sie mit ihren Eltern in den Zug nach Theresienstadt verfrachtet wurde. Etwas mehr als zwei Jahre blieb die Familie dort. Da es in Theresienstadt ein gewisses Maß an Bewegungsfreiheit für die Insassen gab, kann man sich vorstellen, dass die Großmutter das Heranwachsen ihrer Enkeltöchter in aller Not und Bedrängnis miterleben konnte, zum Beispiel wie Neomi zu einem Schulkind heranwuchs. Das belegt eine Postkarte, mit der Neomi vergeblich nach ihrer ‚Tante‘ Fanny David suchte. Die bekannte Hamburger Beamtin im Wohlfahrtsamt, später in der Sozialarbeit der Jüdischen Gemeinde tätig, befand sich seit dem 23. Juni 1943 ebenfalls in Theresienstadt. Die Postkarte – im Namen ihrer Schwester Reha – im Juni geschrieben, wurde erst am 3. August aus Berlin abgeschickt. Post von und nach Theresienstadt musste zeitweise über die dortige Zentrale der ‚Reichsvereinigung der Juden in Deutschland‘ versandt werden.
Dann brach über Salka Toczek die große Ungewissheit herein: Ihre Kinder und die zwei Enkelinnen wurden mit einem Transport in "den Osten" gebracht und sie hörte nie wieder etwas von ihnen. Die junge Familie Toczek befand sich auf dem Transport "Es 106" nach Auschwitz.
Salka Toczek war eine der wenigen Überlebenden der Schoah. Sie gehörte zu den 1200 Personen, die im Februar 1945 über das Internationale Rote Kreuz aus Theresienstadt befreit und direkt in die Schweiz gebracht wurden. Dort kam sie ins Auffanglager St. Gallen. Der Leiter des Altersheimes, in dem sie unterkam, bemühte sich in den fünfziger Jahren, Informationen über das Schicksal der Kinder zu sammeln, bevor sie für tot erklärt wurden. In der Antwort hieß es: ‚Aus einer Mitteilung des Tschechischen Roten Kreuzes vom 25.5.1951 geht hervor, dass der Transport ,Es‘ als Todestransport anzusehen ist, von dem weniger als 10 Prozent nach dem Krieg zurückkehrten.‘"[1]