Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Marie Priess, geb. Drews

(13.9.1885 Bühnsdorf/Segeberg laut Sterbeurkunde – 9.1.1983 Reinbek)
Kommunistische Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus, Mitglied der Widerstandsgruppe Bästlein-Jacob-Abshagen
Am Nienhegen 10 in Dassendorf (Wohnadresse)
Wellingsbüttler Landstraße 186 zur Untermiete bei Ernst Mittelbach (Wohnadresse während der NS-Zeit)
Garten der Frauen, Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756 (Erinnerungsstein)


Marie Drews entstammte einer Arbeiterfamilie. Ihr Vater starb, als Marie zwei Jahre alt war, ihre Mutter arbeitete auf dem Gutshof in Bühnsdorf.
Zunächst wurde Marie Priess Mitglied der SPD. In ihre Jugend arbeitete sie in der Fahrenkruger Mühle. „Ich hatte während des Krieges nicht nur in der Mühle gearbeitet, man hatte mir auch die Leitung des Betriebes übertragen. Ich hatte zehn Maschinen zu bedienen; Flocken, Grütze, Graupen etc.“, erzählte Marie Priess im Alter der Journalistin Gerda Zorn.[1]
1918 gehörte die damals Neunzehnjährige als einzige Frau dem Arbeiter- und Soldatenrat in Kiel an. In der Weimarer Zeit trat sie der KPD bei und gehörte schon damals zu den entschiedenen Gegnerinnen des aufkommenden Nationalsozialismus. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten trat sie in den illegalen Widerstand gegen das NS-Regime. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges gehörte sie zur Widerstandsgruppe Bästlein-Jacob-Abshagen.
Marie Priess hatte 1908 einen Schauermann aus dem Hamburger Hafen geheiratet. Während des Ersten Weltkrieges erlitt er als Soldat eine Kampfgasvergiftung, von der er sich nicht wieder erholte und an der er schließlich später um 1938 auch verstarb.
Das Paar bekam drei Söhne und eine Tochter. Die Söhne Viktor (1908-1999), Bruno (1911-1938) und Heinz (1920-1945) gingen in der Zeit des Nationalsozialismus wie ihre Mutter auch in den illegalen Widerstand. Viktor und Bruno konnten nach ihrer KZ-Haft aus Deutschland fliehen und kämpften in Spanien in den Internationalen Brigaden. Bruno wurde dabei in der Schlacht am Ebro am 21.9.1938 getötet. Die Tochter starb bereits im Alter von neun Jahren an einer Infektion.
„Zusammen mit ihrem Sohn Heinz Priess (Flugzeugkonstrukteur bei Blohm &Voss)und dem Lehrer Ernst Mittelbach half sie den im Sommer 1942 über Ostpreußen mit einem Fallschirm abgesprungenen deutschen Kommunisten Erna Eifler und Wilhelm Fellendorf, die wegen der bereits begonnenen Verhaftungswelle gegen die Berliner Gruppen der Roten Kapelle dort vergeblich eine Kontaktaufnahme versucht hatten und mit ihren Reserve-Adressen nach Hamburg gekommen waren. Sie boten ihnen für einige Zeit ein Versteck.“[2] Marie Priess Sohn Viktor, der damals bei dem militärischen Nachrichtendienst der Roten Kapelle tätig war, hatte die Adresse der Mutter als zuverlässiges Versteck genannt.
Doch bereits im Oktober 1942 wurden Marie Priess und ihr Sohn von der Gestapo verhaftet Nachdem durch die Bombardierung Hamburgs im Juni 1943 die Gefängnisgebäude sehr stark beschädigt worden waren, erhielten die Häftlinge Hafturlaub unter der Bedingung, sich nach zwei Monaten zurückzumelden.
Marie Priess entschied sich mit ihrem Sohn in den Untergrund zu gehen und sich in Hamburg illegal aufzuhalten. Heinz konnte sich im Waldhäuschen der Lehrerin Margarethe Höfer, die ebenfalls Mitglied der KPD war, in Dassendorf verstecken. Am 19. April 1944 wurden Mutter und Sohn erneut festgenommen und im Oktober 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Heinz Priess wurde am 12. März 1945 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet. Marie Priess „konnte wegen zunehmender Desorganisation der Verkehrswege am Ende des Krieges nicht in eine Hinrichtungsstätte transportiert werden und überlebte daher.“[2] Über ihre Befreiung berichtete Marie Priess: „Wir bekamen sofort ärztliche Pflege – ich wog damals nur noch 42 kg. Es dauerte Wochen, bevor wir soweit waren, daß wir überhaupt wieder richtig essen konnten. Und Monate, bevor wir nach Hause, nach Hamburg reisen konnten. Damals hoffte ich noch, daß auch mein Heinz trotz Todesurteil überlebte.“[1]
Ihr Sohn Viktor „gelangte nach seiner Entlassung aus der französischen Internierung über Algerien in die Sowjetunion, als der Zweite Weltkrieg auf seinem Höhepunkt ist. In Moskau gerät Viktor in Konflikt mit seiner Partei, der KPD. Wegen angeblicher Verunglimpfung der Sowjetunion und andere Vorwürfe verurteilt ihn ein sowjetisches Gericht 1947 zu 25 Jahren Lager. Bis 1956 arbeitet er in einem Bergwerk in der Nähe des sibirischen Workutta“, schreibt Gerda Zorn in ihrem Buch „Rote Großmütter gestern und heute“.[1]
Als Marie Priess alt war, umsorgte sie ihr Sohn.
Text: Rita Bake