Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Hannelore Willbrandt Hannelore Willbrandt (verheiratete Sieber, dann Ploog)

(21.9.1923 Hamburg – 10.2.2003)
gehörte zur Gruppe des Hamburger Zweiges der Weißen Rose, einer Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus
Dammtorstraße 1, Rundbau Ecke Valentinskamp, Deutschlandhaus (ehem. Buchhandlung Conrad Kloss) (Wirkungsstätte)


4258 Hannelore Willbrandt
Hannelore Willbrandt um 1945, Bild: KarlNaxxx / CC BY-SA

Hannelore Willbrandt arbeitete Anfang der 1940er Jahre als Buchhändlerin (oder Buchhandelsgehilfin) in der Universitätsbuchhandlung Conrad Kloss in der Dammtorstraße 1 und stellte zahlreiche Kontakte zwischen verschiedenen gegen das NS-Regime opponierenden Personen und Gruppen her; so auch zu der Gruppe um Chefarzt Prof. Dr. Rudolf Degkwitz, gleichzeitig Ordinarius für Kinderheilkunde an der Universität Hamburg, die sich am Universitäts-Krankenhaus Eppendorf (UKE) organisiert hatten, oder dem Musenkabinett, einem Kreis von Künstlern und Intellektuellen, die offizielle Veranstaltungen in „Streit’s Hotel“ gestalteten. Im Sommer 1942 lernte sie die Studenten Margaretha Rothe und Heinz Kucharski kennen und machte diese mit ihrem Freund, dem Medizinstudenten Albert Suhr bekannt.
Diese vier organisierten gemeinsam mit den Philologiestudenten Karl Ludwig Schneider und Reinhold Meyer, Schulfreund von Albert Suhr, konspirative Treffen im Keller der Buchhandlung der Agentur des Rauhen Hauses am Jungfernstieg 50. Sie diskutierten, vervielfältigten und verbreiteten einige der Flugblätter der Weißen Rose aus München. Der Vater von Reinhold Meyer war der Buchhändler Johannes P. Meyer. Er zeigte in seiner Buchhandlung am Jungfernstieg seit 1939 Arbeiten von als „entartetet“ verfemten Künstlern. Sein Sohn Reinhold rettete zusammen mit einem Freund Hunderte von Aquarellen Eduard Bargheers aus dessen brennendem Atelier während der Bombenangriffe auf Hamburg im Sommer 1943 (Rosenkranz/Lorenz 2006, abgedruckt in: Rita Bake, Verschiedene Welten II, Hamburg 2010, S.225). Gemeinsam mit ihrem Freund Albert Suhr schrieb Hannelore Willbrandt das dritte Flugblatt der „Weissen Rose“ ab. „Die jungen Leute haben gekämpft für die Freiheit des Geistes, indem sie Texte abschrieben und verbreiteten und auch über die Zeit nach dem ‚Dritten Reich’ diskutierten“. Dieser Freundeskreis begann nach der Hinrichtung der Geschwister Scholl 1943 aktiv zu werden (Anneliese Tuchel zit. In Bake 2010, S.224).
Am 18. Dezember 1943 wurde Hannelore Willbrandt aus dem Kriegshilfsdienst im Hamburger Ausweichkrankenhaus Rickling bei Neumünster von der Gestapo verhaftet, zunächst in das Polizeigefängnis Neumünster und am 25. Dezember 1944 in das Gestapo-Gefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel verbracht. Nach 10 Monaten Einzelhaft verlegte man sie und 17 andere Mitglieder der Weißen Rose Hamburg in das Untersuchungsgefängnis Hamburg-Stadt am Holstenglacis. Von da an verlief ihr weiteres Schicksal bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges parallel zu dem von Dr. Ursula de Boor (vgl. Artikel in dieser Datenbank): Am 6. November 1944 wurde sie als Untersuchungsgefangene dem Volksgerichtshof überstellt und Anfang November zunächst mit acht Frauen in das Frauenzuchthaus Cottbus, später über das Gefängnis Leipzig-Kleinmeusdorf in das Gefängnis St. Georgen in Bayreuth verlegt.
Die Anklage erfolgte wegen Vorbereitung zum Hochverrat, Feindbegünstigung, Wehrkraftzersetzung und des Rundfunkverbrechens im Verfahren gegen Albert Suhr, Hannelore Willbrandt, Ursula de Boor, Wilhelm Stoldt und Felix Jud. Das Verfahren sollte in Bayreuth durchgeführt werden, da das Gebäude des Volksgerichtshofes in Berlin aufgrund der alliierten Bombenangriffe am 3. Februar 1945 zerstört worden war. Nachdem auch das Stadtgefängnis von Bayreuth bei einem Luftangriff im April schwer getroffen worden war und man die Insassen in ein Waldlager vor Bayreuth geschafft hatte, wurde Hannelore Willbrandt am 14. April 1945 von amerikanischen Truppen befreit“ (vgl. Nachwort von R.G. in: Lisa de Boor, Tagebuchblätter 1939-1945, München 1963, S. 243).
Über ihren weiteren Werdegang sowie ihren Sterbeort ist wenig bekannt. Sie lebte in der DDR. Unter dem Pseudonym Ursula Baer veröffentlichte sie 1951 gemeinsam mit Ulla Hengst im Kinderbuchverlag „... und Heiner ist auch dabei“. Mit ihrem zweiten Ehenamen Hannelore Ploog war sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am „Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR” tätig. Sie promovierte 1975. Ihre Dissertation: „Im Netz der Manipulierung. Aldous Huxley und seine ‚Brave New World’“ erschien als Buch vier Jahre später gleichzeitig im „Verlag Marxistische Blätter“ in Frankfurt/Main, printed in the GDR, und im Akademieverlag, Berlin. Sie leitete die „Kommission zur Erforschung der Geschichte des örtlichen antifaschistischen Widerstandskampfes” beim „Kreiskomitee Weißensee” des „Komitees der Antifastischen Widerstandskämpfer der Deutschen Demokratischen Republik” (nach 1989 umbenannt in: Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener, kurz auch genannt: Interessenverband der Verfolgten des Naziregimes (IVVdN) (vgl. Werkliste unter dem LINK de.wikipedia.org/wiki/Hannelore_Willbrandt).
Diese Kurzbio stellte Dr. Cornelia Göksu zusammen.