Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Agnete Mönckeberg Dr. med. Agnete Mönckeberg

(19.7.1908 Gießen – 20.10.2007 Baden-Baden)
Erste Chefärztin einer Frauenklinik in Deutschland
Feldbrunnenstraße 50 (Adresse der Großeltern, Bürgermeister Johann Georg Mönckeberg, hier Hamburger Adressbuch 1910, Eintrag für die Witwe)
Edmund-Siemers-Allee 1 (Universität Hamburg)
Bülowstraße 9 (ehem. Städtische Frauenklinik Hamburg-Altona)


In Erinnerung an ihre Begegnung mit dieser ungewöhnlichen Persönlichkeit, schrieb die Journalistin Andrea Grießmann: „Eine liebenswürdige 90-jährige Dame war sie, als wir uns kennenlernten – und sie vermietete mir eine Wohnung, in ihrem charmanten Haus in Baden-Baden, am Flussufer der Oos. Agnete stammt aus einer berühmten Familie. Nach ihrem Großvater Johann Georg Mönckeberg (geb. 1839 – er verstarb kurz vor ihrer Geburt 1908), dem Hamburger Senator und Bürgermeister, ist die Mönckebergstraße in Hamburg benannt. Ihr Vater war der Pathologe Johann Georg Mönckeberg (1877 Hamburg - 1925 Bonn) – und er rettet seiner Tochter das Leben, als er erkennt, dass die 6-jährige Agnete deshalb immer so müde ist, weil sie an Kinderlähmung erkrankt ist. Dennoch hinterlässt die Krankheit Spuren: Agnete sitzt viele Jahre im Rollstuhl, geht später Zeit ihres Lebens am Stock. Wie mühsam muss es für sie gewesen sein, beim Operieren stundenlang am OP-Tisch zu stehen! Aber sie macht Karriere“ (Grießmann 2011: 140) [1]. Auch ihr Großvater mütterlicherseits war Mediziner: Professor Franz Riegel (1843-1904) war Internist und Gründer der medizinischen Fakultät in Gießen.
Agnete Mönckeberg studierte als eine der ersten Frauen Medizin mit dem Schwerpunkt Gynäkologie in Bonn, Hamburg und Gießen. An der Universität Gießen waren Frauen seit Mai 1908 zum Studium zugelassen. Im Wintersemester 1918/19 studierte etwa 1/3 der Frauen Medizin, die anderen neuere Philologien. „In den 1930er Jahren – als die junge Agnete Mönckeberg in Gießen studierte – begannen die Maßnahmen, um jungen Frauen das (Medizin-)Studium zu verleiden. So durften 1934 nur rund 15.000 Abiturientinnen studieren – geregelt durch das ‚Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen’ und davon durften nur zehn Prozent Schülerinnen sein“. Von Oktober 1936 bis September 1937 war sie an der Städtischen Frauenklinik Hamburg-Altona tätig, damals in der Bülowstraße 9.
Ab Oktober 1937 führte ihr Weg Agnete Mönckeberg an die Universität Jena: Dort wurde sie Assistentin des Leiters der Universitäts-Frauenklinik (Blasberg 1991: 22-23 [3] sowie Grießmann: Vita 2016 [1]). 1941 promovierte sie in Jena, ihre Privatanschrift war J. Bachstraße 18; am 1. April 1942 trat sie in die NSDAP ein [4]
„Ihr Mentor in Jena, Prof. Gustav Döderlein, war es wohl auch, der Angete Mönckeberg im März 1949 den Rat gab, über die ‚grüne Grenze’ in den Westen zu gehen (Blasberg 1991: 23)[2]. Im selben Jahr ließ sie sich dort als Fachärztin nieder. Sie wurde 1956 die erste Chefärztin einer Frauenklinik in Deutschland – am damals hochmodernen, frisch gegründeten Städtischen Krankenhaus Leverkusen hat sie rund 25.000 Babies auf die Welt begleitet. Im Februar 1962 wurde sie verbeamtet und Städtische Obermedizinalrätin. Ab 1974 unterhielt sie ihre eigene Praxis in Baden-Baden, wo sie mit ihrer Freundin, der Malerin Clarissa Kupferberg, zusammenlebte. „Die beiden Frauen sind Bohèmiens, haben einen großen, illustren Freundeskreis und leben ein schillerndes Leben – mitten im bürgerlich-braven Deutschland der 50er/60er-Jahre.“[3]
„Ihr größtes berufliches Abenteuer führt Agnete in den Jemen. Anfang der 1960er-Jahre sucht der jemenitische König Ahmad ibn Yahya (1948-1962) händeringend nach der besten Ärztin, die seine Schwester heilen soll. Nur eine Frau darf sich der kranken Prinzessin nähern. Und so bekommt Agnete Mönckeberg am 5. Dezember 1961 einen Anruf vom Auswärtigen Amt in Bonn – sagt ja, und macht sich auf den Weg. Der Jemen ist damals noch ein abgeschottetes, wildes Land; es ist eine Zeitreise ins Mittelalter, und die fremde Hakima, die Ärztin, wird auf den Straßen von Taizz, im Bergland auf über 1000 m Höhe, ungläubig bestaunt. Prinzessin Sidi Ismail hat ein Gebärmutterleiden – Agnete Mönckeberg operiert sie und behandelt sie so gut, dass die Prinzessin gar nicht mehr nach Hause will. ‚Es gefällt ihr im Krankenhaus’, schreibt Agnete in ihr Tagebuch, ‚sie findet es weniger langweilig als im Harem und möchte am liebsten bleiben!’ Der König hat eine große Verwandtschaft, immer mehr Frauen suchen den Rat der deutschen Ärztin – auch die Haremsdamen des Königs wollen vor allem eins wissen: Wie werde ich nicht schwanger? Agnete Mönckeberg erklärt den Frauen die Temperaturmethode und rät ihnen, sich geschickt abzuwechseln, wenn der König nach einer Frau verlangt . . .
Nach zwei Monaten wird Agnete in den Königspalast in Sanaa gerufen und steht das erste und einzige Mal dem König gegenüber. König Achmed thront auf einem erhöhten Ruhebett, sein Bart ist schwarz gefärbt, die Lippen rot, seine Augenlider blau geschminkt. Er dankt ihr, küsst ihre Hand, streichelt sie zärtlich und schenkt ihr zum Abschied eine goldene Uhr mit einem dicken Brillanten. Diese Uhr hat sie auch bei unserer letzten Begegnung getragen, einem gemütlichen Kaffeetrinken in ihrem wunderschönen Haus in Baden-Baden“ (Grießmann 2011: 140 f.)[1].
Ihr Haus in dem Kurort war zeitweise das Wohnhaus der Pianistin und Komponistin Clara Schumann gewesen; Agnete Mönckeberg setzte dort die Tradition des musikalisch-literarischen Salons fort. Darüberhinaus unternahm sie mit ihrer Partnerin Kulturreisen in die Toscana: „Ihrer Zeit war Agnete Mönckeberg als Chefärztin ein wenig voraus, denn Gynäkologie war im 20. Jahrhundert lange eine Männerdomäne. Erst im Jahr 2000 erhielt eine Frau – Prof. Dr. Marion Kiechle – im deutschsprachigen Raum einen Lehrstuhl für Frauenheilkunde an der Technischen Universität München." (Blasberg 2011: 24)
Auf dem Südfriedhof in Bonn ist Agnete Mönckeberg bestattet.
Ehrenämter:
1968-1973 Vorsitzende des Prüfungsausschusses für Arzthelferinnen NRW; acht Jahre Vorsitzende der Ärztekammer NRW; Gründungsmitglied des Landesverbandes Pro Familia in NRW (1973 Ehrenmitglied); Aufbau und Leitung der Pro Familia-Beratungsstelle in Leverkusen; Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland (aus nachrecherchierter Vita „Agnete Mönckeberg“ von Andrea Grießmann 2016)
Text: Dr. Cornelia Göksu