Anne Volk Anne Volk, verh. Hecht
(8.2.1944 Königsberg/ehem. Ostpreußen, heute Kaliningrad/Russ. Föderation – 6.1.2017 Hamburg)
Chefredakteurin und Herausgeberin
Straßenbahnring 45 (Wohnadresse)
Poßmoorweg 2, Jahreszeiten Verlag (Wirkungsstätte)
Burchardstraße 11 (heute Hauptsitz Heinrich-Bauer-Verlag;)
Am Baumwall 11, Gruner & Jahr Verlag (Wirkungsstätte)
„Aber so ist das Leben! Sie sind doch auch geschminkt und gefärbt, und jetzt fragen Sie mich so einen Dreck“, konterte sie Kritik, in der „Frauenzeitschrift“ Brigitte stünden Schminktipps neben Sozialreportagen [1].
Im Jahr der Zerstörung der einstmals östlichsten Großstadt Deutschlands, in Königsberg wurde Anne Volk geboren. Ihr Vater starb im Zweiten Weltkrieg. Gemeinsam mit vier älteren Brüdern und ihrer Mutter wuchs sie in Schorndorf, östlich von Stuttgart auf. Nach dem Schulabschluss besuchte sie die Staatliche Modeschule in Stuttgart. Ihr Berufsziel: Modejournalistin. Die Ausbildung war zeitgemäß praxisorientiert: In den 1960er Jahren wurden von dort bereits Reisen zur internationalen Haute-Couture z. B. nach Paris und Italien organisiert [2]. Ganz jung, mit 22 Jahren wurde die gut Ausgebildete bereits Moderedakteurin bei der Zeitschrift „neue mode“ im Heinrich-Bauer-Verlag Hamburg. Noch heute schwärmen einige Töchter der Mütter, die damals diese Zeitschrift kauften (in Internet-Foren) über den zeitlosen Stil dieser bodenständigen Frauen-Zeitschrift: Viele hilfreiche Nähtipps, Modeberatung, ausführliche Nähanleitungen, kein „Lifestyle“. Die günstigere Variante der Burda sozusagen. Bereits vier Jahre später wechselte Anne Volk zur Zeitschrift Für Sie in den Hamburger Jahreszeiten-Verlag, um mit nur 28 Jahren (1972) für acht Jahre Chefredakteurin der neue mode zu werden. Sie wechselte zurück in den Jahreszeiten-Verlag als Stellvertretende Chefredakteurin bei der „Frauenzeitschrift“ Petra und ging dann nach München in den Burda-Verlag in gleicher Position zur Freundin.
Ihre Expertise und Führungserfahrung machte sich der Hamburger Gruner & Jahr-Verlag zueigen. Als erste Frau übernahm sie 1985 die Chefredaktion der Zeitschrift Brigitte. Zusätzlich wurde ihr 1994 die Geschäftsführung der Brigitte übertragen und sie wurde Herausgeberin. „Sie hat darum gekämpft, als Verlagsgeschäftsführerin der Brigitte-Gruppe auch für die Finanzen verantwortlich zu sein. Sie sagt auch, es sei ihr immer mehr um Gerechtigkeit gegangen als um die Sache der Frauen“ (Zitat aus Anm.1).
Die Vorläuferin der Brigitte hieß „Dieses Blatt gehört der Hausfrau. Zeitschrift für alle Angelegenheiten des Hauses“ und wurde 1886 gegründet. Erst 1952 schlich sich der Name Brigitte auf der Titelseite ein und wurde seit Mai 1954 zum Solitär; „1957 übernahm der Constanze-Verlag die Zeitschrift Brigitte, 1969 ging Constanze in Brigitte auf. Diese hatte nun ein doppeltes Erbe zu verwalten, das der Hausfrauenzeitschrift, ihrer Vorgängerin vom Ende des 19. Jahrhunderts, und das der Konkurrentin Constanze, eines Produkts der Angestelltenkultur vom Anfang des 20. Jahrhunderts. (...) Von der Nähmaschine ist es kein weiter Weg zur Schreibmaschine und für die Eilige, die beide Tätigkeiten miteinander vereinen wollte, die Schneiderei für die Familie und die Arbeit für den Chef, erfand Brigitte schon in den fünfziger Jahren die ‚Simplicity-Schnitte’ oder den ‚schnellen Schnitt’, die sie exklusiv von bekannten Designern wie Cardin, Oestergard, Féraud entwerfen ließ“ [3].
Ab Mitte der 1980er wurde Brigitte Marktführerin in der Branche, vor Für Sie und freundin. Und damit ein gradliniger Erfolg in der Karrieregeschichte der Anne Volk, denn sie „war Brigitte“. Große Fotograf_innen-Namen prägten den künstlerischen Stil des Magazins: F.C. Gundlach, Will McBride, Charlotte March, der Theaterfotograf Fritz Peyer. Unter ihrer Ägide stieg die Auflage der marktführenden „Frauenzeitschrift“ Deutschlands bis 1996 auf über eine Million gedruckte Exemplare – bei einer etwa dreifachen Reichweite. Sie zeichnete verantwortlich für die Entwicklung der neuen Zeitschriften-Generation Brigitte Woman sowie das Internetportal brigitte.de.
Weggefährtinnen und Kollegen beschreiben die hochgewachsene blonde Frau als unerschütterlich natürlich, zu raumfüllendem Lachen aufgelegt, auch aufbrausend und dominant. „Diese Mischung aus Machtbewusstsein und mädchenhaft, (...) als wäre sie frei von jeglichen Minderwertigkeitskomplexen“. Sie konnte nähen, kochen, backen, hatte jedoch nie einen eigenen Text veröffentlicht, sondern von Anfang an als Blattmacherin und Managerin in Führungspositionen gewirkt (vgl. Anm. 1). „Natürlich konnte sie auch lospoltern, und dann ging man lieber in Deckung, weil sie grundsätzlich ungern ein Blatt von den Mund nahm. Aber wenn jemand ihren Rat oder ihre Hilfe brauchte, war sie da und scheute sich auch nicht davor, sich mit anderen großen Tieren im Verlag anzulegen. Anne Volk war echt, und das ist eine Eigenschaft, die kaum hoch genug eingeschätzt werden kann. (...) Widerstände? Gab’s. Wenn man an so exponierter Stelle steht, weht einem der Wind eben auch mal ins Gesicht. Aber Anne Volk konnte so schnell nichts umhauen, dafür stand sie mit beiden Beinen viel zu fest auf dem Boden, und für das Glitz-und-Glamour-Heitidei der Branche hatte sie, die Schwäbin, die ihr Idiom nie ganz abgelegt hat, sowieso nur hoch gezogene Augenbrauen übrig. Und wenn’s mal ganz dick kam, gab’s eben die ‚Frust-Bratkartoffeln’“ [4]. Apropos: dick. Eine Brigitte-Diät hat Anne Volk selbst nie gemacht. Mit Anfang 60 zog sie sich ganz aus dem journalistischen Geschäft zurück: „Sie hatte keine Allüren, sie hatte Überzeugungen“ [5]. „Vielleicht war das der große Vorteil der Anne-Volk-Generation: Die sah ihre abschreckenden Beispiele eher bei den abhängigen Hausfrauen. Anne Volks Vorbild war ihre Patentante, die in den zwanziger Jahren in Paris studiert hatte“. Auch Alice Schwarzer fand sie toll, „obwohl diese ihr Magazin in kämpferischen Zeiten mal als ‚igitte’“ beschimpft hatte (Zitat aus Anm. 1).
Mit 47 heiratete sie Axel Hecht (1944-2013), den Chefredakteur der von ihm konzipierten Kunstzeitschrift ART. Nach dem Tod seiner ersten Frau war er allein erziehender Vater geworden und Anne Volk kam glücklich zu zwei Teenager-Zieh-Töchtern.
Anne Volk starb nach langer schwerer Krankheit am 6. Januar 2017 in Hamburg. Sie wurde 72 Jahre alt.
Ehrenämter
Über viele Jahre gehörte die „belesene, humorvolle und angenehm uneitle Anne Volk dem Vorstand des Literaturhaus e.V. Hamburg an, zuletzt als Stellvertretende Vorsitzende“ (www.literaturhaus-hamburg.de/news/trauer-um-anne-volk)
Text: Dr. Cornelia Göksu