Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Liselott Kreidelmeyer

(19.6.1923 Hittfeld - ermordet 27.8.1943 Wien)
Opfer der NS-Euthanasie
Am Frankenberg 8 (Wohnadresse)
2017 wurde in Sinstorf eine Straße nach ihr benannt: Liselott-Kreidelmeyer-Hof
Für Liselott Kreidelmeyer liegt ein Stolperstein vor ihrem Wohnhaus Am Frankenberg 8 in Wilstorf.


4371 Kreidelmeyer Liselott
Liselott Kreidelmeyer, Quelle: © Linda Rickowski

Liselott Kreidelmeyer war das dritte von sieben Kindern ihrer Eltern Franz und Erna Kreidelmeyer. Die ersten Jahre ihrer Kindheit verbrachte sie in Emmelndorf bei Hittfeld. Ihr Vater fuhr zur See als Kapitän und arbeitete bei der HAPAG (Hamburg-Amerikanische Paketfahrt-Actien-Gesellschaft) als Schiffsbefrachter (Tallymann) im Hamburger Hafen. Jahrelang war Liselott das lebhafteste Kind der Familie.
Für das unbekümmerte Mädchen und ihre Eltern und Geschwister brach eine Welt zusammen, als es nach der Einschulung an Meningitis (Hirnhautentzündung) erkrankte und dauerhafte Hirnschäden davontrug. Das gesamte Familienleben änderte sich, da die kleine Liselott von nun an mehr Fürsorge als alle anderen benötigte. Die Familie zog daraufhin Ende der 1920er Jahre ins benachbarte Harburg, wo sie zunächst in der Dürerstraße (heute: Flebbestraße) und dann Am Frankenberg 8 wohnte.
Mit ihrem Frohsinn und ihrem kindlichen Charme war das Mädchen Liselott Kreidelmeyer überall gern gesehen. Sie sprudelte vor Spielideen und sang, wo immer und wann immer sie konnte. Ihr Repertoire an Kinderliedern war unerschöpflich. Mit Vorliebe begleitete sie ihre Mutter bei der Gartenarbeit. Sie wusste, was die Pflanzen brauchten und wie sie hießen. Besonders gern sammelte sie Heilkräuter. Eltern und Geschwister unterstützten sie. Obwohl sie bald eine andere Schule besuchte als ihre Freundinnen, akzeptierten diese sie uneingeschränkt ebenso wie die Menschen in ihrer Nachbarschaft. Die Beziehung zu ihren Eltern intensivierte sich, insbesondere in den Jahren, in denen die kleine Harburgerin epileptische Anfälle erlitt. Vor allem nachts wurde sie immer häufiger von Krampfanfällen – manchmal sogar mehrmals – aus dem Schlaf gerissen. Sie schrie dabei laut.
Mehrere längere Aufenthalte im Städtischen Krankenhaus Harburg-Wilhelmsburg und in der Universitätsklinik Eppendorf führten zu keiner dauerhaften Besserung. Jedes Mal wurde sie auf Wunsch der Eltern ungeheilt nach Hause entlassen, was die familiäre Situation stets aufs Neue belastete. Die intensive Betreuung des kranken Mädchens zehrte vor allem an den Kräften der Mutter, sodass das zuständige Jugendamt 1937 schließlich eine Aufnahme der Schülerin in die damaligen Alsterdorfer Anstalten zum Wohle aller Beteiligten ins Gespräch brachte. Die¬ser Vorschlag wurde, obwohl den Eltern die Zustimmung schwer fiel, am 1. September 1938 in die Tat umgesetzt.
Die Empfehlung schien nicht verkehrt gewesen zu sein, da Liselott Kreidelmeyer sich in diesem Haus der Inneren Mission gut entwickelte. Bereits nach drei Monaten stellten die Ärzte und das Pflegepersonal fest: "[Die junge Patientin] zeigt sich an ihrer Umgebung sehr interessiert, möchte gern alles wissen. Sie besieht gern Bilderbücher und liest den anderen Kindern daraus vor. Der Appetit ist immer gut." Die vielen Besuche ihrer Eltern und Geschwister und die gelegentlichen Urlaubstage im Elternhaus am Frankenberg dürften ihr das Gefühl gegeben haben, dass sie weiterhin fest zur Familie gehörte und dass die Aussicht, eines Tages in ihren Kreis zurückzukehren, nicht unrealistisch war. Doch mit zunehmender Aufenthaltsdauer kehrten die epileptischen Anfälle immer häufiger zurück.
Alle Hoffnungen auf eine positive Wende erfüllten sich am Ende nicht. Im August 1943 gehörte Liselott Kreidelmeyer zu den 469 Insassen der damaligen Alsterdorfer Anstalten, die auf Initiative von Pastor Friedrich Lensch, dem Direktor des Hauses, in enger Zusammenarbeit mit der Hamburger Gesundheitsbehörde aus der Hansestadt abtransportiert wurden.
Am 16. August 1943 wurde die zwanzigjährige Patientin zusammen mit 227 anderen Alsterdorfer Mädchen und Frauen in die "Landesheilanstalt Am Steinhof" in Wien verlegt. Hier verstärkten sich ihre epileptischen Anfälle. Nach einem heftigen Anfall am 27. August 1943 stellten die Ärzte einen Tag später ihren Tod fest. In ihrer Sterbeurkunde wurde "Fallsucht" als Todesursache angegeben. Ob sich ihre Asche wirklich in der Urne befand, die ihren Eltern nach Kostenerstattung zugestellt wurde, darf bezweifelt werden.
Text: Klaus Möller