Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Pflegeheim Farmsen

August-Krogmann-Straße 100


4416 Pflegeheim Farmsen
Pflegeheim Farmsen, August-Krogmann-Straße 100, Foto: Beate Backhaus

Früher Arbeitshaus (Zwangsanstalt), Bewahranstalt für Frauen und Männer, während der NS-Zeit wurden dort auch Zwangsterilisierungen durchgeführt.
Ab 1925: Für Prostituierte, die verurteilt wurden, weil sie sich der für Prostituierte vorgeschriebenen regelmäßigen Kontrolle durch die Polizei entzogen hatten, konnte eine Aussetzung der Bestrafung stattfinden, wenn sie sich in ein Heim begaben, wo sozial-fürsorgerisch auf sie eingewirkt wurde, mit dem Ziel die Prostituierten wieder auf den rechten Weg der Tugend zu führen. (Bielefelder System). Hierzu stellte das Wohlfahrtsamt auf dem Gelände des Versorgungsheims in Farmsen einige Baracken zur Verfügung. Dort lebten die Frauen. Sie mussten arbeiten und wurden von den übrigen Insassen getrennt.
Zwischen 1934 und 1939 wurden viele Frauen und Männer zwangssterilisiert (Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses von 1933). In Farmsen aufgenommen wurden sogenannte gefährdete Frauen und Mädchen
1942 kamen einige vorher sterilisierte Frauen in Lagerbordelle. (Siehe auch Eintrag zu Käthe Petersen)
1943 Auf Befehl der Gestapo wies das Hamburger Pflegeamt minderjährige “verwahrloste” Mädchen ins Pflegeheim Farmsen ein. Ein Jahr später wurden Insassinnen des Pflegeheimes ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert.
Georg Steigertahl (1885-1975), der von 1926 bis 1950 Leiter des Amtes für Wohlfahrtsanstalten und der Versorgungsheime in Hamburg war, siehe zu ihm in der Datenbank Die Dabeigewesenen (NS-Täter, „Mitläufer“ etc.), äußerte sich über die “Zustände” in Farmsen kurz nach dem Zweiten Weltkrieg: “ (...) ein britischer Soldat stand vor ihrem Behelfsverließ [ wegen sittlicher Gefährdung ins Versorgungsheim Farmsen eingelieferte Frauen] als ich vor ihn trat. (:..) Hunderte von Frauen sahen gestikulierend aus ihren Stationsfenstern, etwa 50 junge Frauen in rot-weißgestreifter Anstaltskleidung folgten drei jungen Soldaten in die Anlage, klagend, jammernd, wirr ihre Freiheit fordernd. Als ich selbstbewußt auf sie zuging, nahmen sie Vernunft an. Im Wachlokal erfuhr ich, dass die Anstalt Farmsen ein KZ sei, in dem wie überall in KZs drakonische Maßnahmen zur Tagesordnung gehörten. (...) Als ich dann aber von Geschlechtskrankheiten zu sprechen begann, trat ein Offizier auf mich zu (...) und suchte ein sachliches Gespräch. Jetzt begriff er sichtlich betroffen, warum diese gut aussehenden Frauen über Polizei und Arzt hier eingewiesen worden waren. Dem Spuk wurde ein schnelles Ende bereitet, kein Mädchen wurde aus der Anstalt entlassen.” (Georg Steigertahl: Zwischen den Epochen der Weltgeschichte. Dienstliche Erlebnisse von 1926-1950 des Direktors der hamburgischen Wohlfahrtsanstalten Hamburg, o.J., S. 58.)
In der ersten frei gewählten Bürgerschaft nach der Befreiung vom Faschismus machte die KPD-Abgeordnete Magda Langhans auf einen „wunden“ Punkt aufmerksam, der lieber verschwiegen wurde. Junge Mädchen waren in der NS-Zeit als „schwererziehbar“ in das Heim Farmsen eingeliefert, dort als „unterwertig“ eingestuft und zwangssterilisiert worden. Anlass ihrer Einweisung in das Farmsener Heim war bei vielen von ihnen die Weigerung gewesen, in der Rüstungsindustrie zu arbeiten. Frau Langhans forderte eine Überprüfung dieser Fälle und gegebenenfalls Entschädigung. Der KPD-Antrag in der Bürgerschaft wurde ohne Diskussion abgelehnt.[1]
Text: Rita Bake