Helene-Lange-Gymnasium
(erbaut 1908/10)
Bogenstraße 32
Eines der ersten staatl. Höheren Mädchenschulen der Stadt. 1904 schloß die Bürgerschaft eine lange Debatte über die Notwendigkeit höherer Mädchenschulen mit dem Ersuchen an den Senat, eine Vorlage für die Errichtung staatlicher höherer Mädchenschulen zugehen zu lassen, nachdem schon Jahre zuvor private Stiftungen mit der Emilie-Wüstenfeld-Schule und der Klosterschule St. Johannis mit guten Beispiel voran gegangen waren.
Den Namen von Helene Lange trägt die Schule seit 1927. Zuvor hieß die Schule „Staatliche Mädchen-Oberrealschule an der Hansastraße“. Nachdem jedoch 1926 der Hamburger Senat beschlossen hatte, „die ‚höheren Lehranstalten für die weibliche Jugend‘ mit neuen Bezeichnungen zu versehen,“ beantragte die Pädagogin und Frauenrechtlerin Emmy Beckmann, die damals Direktorin dieser Schule war, bei der Oberschulbehörde die Umbenennung der Schule in „Helene-Lange-Oberrealschule“. „Trotz Gegenanträgen aus dem Kreis des Kollegiums und eines Teils des Elternrats wurde diesem Antrag stattgegeben“, schreibt Angelika Schaser in ihrem Aufsatz über die Umbenennung der Mädchenoberschule an der Hansastraße nach Helene Lange und gibt folgende Erklärung: „Die Protestschreiben einer nicht näher benannten Minderheit des Kollegiums der Schule vom 9. September 1926 und von fünf namentlich genannten Mitgliedern des Elternrats vom 13. September 1926 machen deutlich, daß es nicht nur marginale Bedenken waren, die diese beiden Gruppen zum Einspruch bewogen. (…) Entscheidend ist (…) das Hauptargument, mit dem ein Teil des Kollegiums die Umbenennung ablehnt: ‚Der Name Helene Lange bedeutet ein Programm …; da diese Frau als ihre Lebensaufgabe ansieht, den Einfluß des Mannes bei der Mädchenerziehung auszuschalten, und ganz besonders dafür eintritt, die Klassenleitung in den oberen Klassen der Mädchenschule ausschließlich in die Hände von Damen zu legen. Die Erlaubnis für die Schule, sich diesen Namen beizulegen, kann und wird nur so gedeutet werden, daß nun doch dem Wunsche der Frauenbewegung nachgegeben wird, die eben von der O.S.B. [Oberschulbehörde] gewährleistete, gleichberechtigte Mitarbeit des Mannes neben der Frau wieder einzuschränken.‘ Dieser Passus bezog sich auf die Tatsache, daß eine von der Oberschulbehörde 1925 erlassene Verordnung, den Frauen die Leitungsfunktionen in den Mädchenschulen zu sichern, nach heftigen Protesten wieder zurückgenommen werden musste. (…)
Diese Eingabe wirft ein deutliches Licht darauf, welche Erfolge die Frauenbewegung auf dem Gebiet der Mädchenbildung bereits gezeitigt hatte. Obwohl Frauen noch in vielerlei Weise männlichen Lehrkräften gegenüber diskriminiert wurden (schlechtere Bezahlung, erzwungenes Ausscheiden aus dem Schuldienst im Falle einer Eheschließung), sahen manche Männer sich bereits in die Defensive gedrängt. So wie der ‚Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation‘ bereits 1912 ein Zeichen gesetzt hatte, so machte jetzt diese kleine Gruppe von Pädagogen deutlich, daß die Emanzipationsgelüste der Frauen schon die aus ihrer Sicht tolerierbaren Grenzen überschritten hätten. (…) Teile des Elternrats warfen Helene Lange ebenfalls Maßlosigkeit ihrer Forderungen vor und fürchteten im Falle einer Umbenennung gar den Untergang der bürgerlichen Familie: ‚Helene Lange und mit ihr die, welche führend in der Frauenbewegung sind, geben zu, daß die deutschen Frauen dem Rechte nach die freiesten Frauen der Welt sind. Damit geben sie sich aber nicht zufrieden, sondern verlangen, daß die Mädchenerziehung … völlig in ihre Hand gelegt wird. Es wird von Helene Lange offen ausgesprochen, daß auch die Stellung und Haltung der Hausfrau dem Mann gegenüber einer Umbildung bedarf …. Wir erblicken in dieser neuen Namensgebung für die weitere Zusammenarbeit und für den Frieden zwischen Schule und Elternhaus eine Gefahr.‘“
All diese Proteste nützten nichts. Die Schule wurde am 2. Februar 1927 in Helene Lange umbenannt.
Sechs Jahre später übernahmen die Nationalsozialisten die Macht. Die NSDAP setzte einen neuen Schulleiter ein. Dieser Schulleiter namens Grübner ließ die Schule im November 1934 in „Hansaoberschule“ umbenennen. Seine Begründung: „Ihre [Helene Langes] Weltanschauung gründete sich, wie aus ihren Büchern hervorgeht, auf übernationalen Liberalismus, auf demokratische und pazifistische Ideen eines Weltmenschentums, die wir heute nicht nur ablehnen, sondern aufs schärfste bekämpfen. Die Anschauungen von Helene Lange über den Weltkrieg sind so bar jeglichen Verständnisses, jeglicher heroischen Lebensauffassung, daß ich mich gezwungen sah, ihre Bücher aus der Schulbücherei zu entfernen.“
Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde die Schule im November 1945 wieder in Helene Lange rückbenannt.