Irmgard Grossner Irmgard Grossner, geb. Brünning
(1.12.1913 Hamburg – 30.4.2014 Hamburg)
Fürsorgerin, Gründerin der Altenhilfe
Silcherstraße 29 (damals: Beethovenstraße in HH Bahrenfeldt) (Wohnadresse)
Fuhlsbüttler Straße 756, Grabstätte auf dem Friedhof Ohlsdorf: Z 26-237
Irmgard Brünning besuchte von 1920 bis 1924 das Luisenlyceum, danach von 1924-1933 die Heilwigschule – Realgymnasium für Mädchen – und schloss den Schulbesuch am 2.4.1933 mit dem Abitur ab.
Vom 1.4.1937 bis 31.3.1938 war sie als Praktikantin in der Abteilung Familienfürsorge der Hamburger Fürsorgebehörde tätig. In dieser Zeit trat sie 1937 in die NSDAP ein. Davor war sie von 1935 bis Sommer 1937 Mitglied des BDM (Bund Deutscher Mädel) gewesen. Dort bekleidete sie 1935 das Amt einer Jungmädelschaftführerin (in Funktion einer Sozialreferentin) (Staatsarchiv Hamburg 221-11 Ed 15774). Bis Dezember 1936 war die Hitler-Jugend noch eine „Jugendorganisation der NSDAP mit ‚freiwilligem‘ Beitritt“ gewesen. Dies änderte sich „durch das Gesetz über die Hitler-Jugend vom Dezember 1936. Mit diesem Gesetz wurde die HJ zum staatlichen Jugendverband erklärt (…). Schließlich wurde die Zwangsmitgliedschaft in der HJ für alle Jugendlichen zwischen dem 10. und 18. Lebensjahr mit der zweiten Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz vom März 1939 festgeschrieben, die auch mit Polizeigewalt durchgesetzt werden sollte.“ (Mario Wenzel: Die NSDAP, ihre Gliederungen und angeschlossenen Verbände, in: Wolfgang Benz (Hrsg.): Wie wurde man Parteigenosse? Die NSDAP und ihre Mitglieder. Frankfurt a. M. 2009,. S. 28.)
Von 1942 bis 1944 gehörte Irmgard Grossner auch dem Deutschen Frauenwerk an. „Zusätzlich zu der streng nat.soz. ausgerichteten NS-Frauenschaft wurde im Oktober 1933 das Dt. Frauenwerk (DFW) geschaffen, das als Sammelbecken für gleichgeschaltete bürgerliche Frauenbewegungen und einzelne Mitglieder diente. Obwohl das DFW als eingetragener Verein mit eigenem Vermögen über einen anderen Status als die NS-Frauenschaft verfügte, waren beide Organisationen v.a. personell eng miteinander verflochten. An der Spitze des hierarchischen Aufbaus beider stand seit 1934 die Reichsfrauenführerin Gertrud Scholtz-Klink. (…).“ (Anja von Cysewski: NS-Frauenschaft, in: Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hermann Weiß (hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. 2. Aufl. , München 1998, S.617.)
In ihrem Entnazifizierungsverfahren wurde Irmgard Grossner in Kategorie V (entlastet) eingestuft.
Irmgard Grossner hatte am 8.9.1946 zu ihrer Funktion im BDM folgende Erklärung abgegeben: „Hierdurch erkläre ich eidesstattlich, dass mein Beitritt zu den Jungmädeln im BDM im Sommer 1935 nur erfolgte, weil alle Schüler des Staatl. Sozial. Pädagogischen Instituts, das ich damals besuchte, aktiv in einer politischen Arbeit stehen mussten. Ich übernahm ein Sozialreferat in einer Jungmädelgruppe, bei der sich meine Tätigkeit zum grössten Teil mit der praktischen Arbeit als Jugendfürsorgerin deckten. Ich beschränkte meinen Wirkungskreis ausschließlich auf die Sozialarbeit, weil ich als ausgesprochen kirchlich denkender Mensch die weltanschaulichen Ziele des Nationalsozialismus ablehnte. Aus demselben Grunde verhielt ich mich später, als ich um meines beruflichen Fortkommens willen der Partei beitreten musste, stets so passiv wie möglich, was mir als Ehefrau und Mutter zweier kleiner Kinder keine Schwierigkeiten bereitete.“ (Staatsarchiv Hamburg 221-11 Ed 15774).
Pastor W. Remé, Vorsitzender der Bekenntnisgemeinschaft Hamburg, bescheinigte am 8.9.1946: „Ich bescheinige hierdurch Frau Irmgard Grossner geb. Brünning auf ihre Bitte, dass ich sie und ihre Familie seit vielen Jahren kenne. Sie ist 1937 der nationalsozialistischen Partei beigetreten, weil man ihr auf dem sozialpädagogischen Institut, in der sie ausgebildet wurde, und bei der hamburgischen Fürsorgebehörde sagte, wer auf eine Anstellung rechnete, müsste der nationalsozialistischen Partei beitreten. An Parteiversammlungen und an politischen Bestrebungen hat sie nie teilgenommen. Als Tochter eines Pastors und durch ihre persönliche Einstellung zur Kirche stand sie der Partei und ihren Bestrebungen innerlich fremd gegenüber. Ich kann bezeugen, dass sie auch heute kirchlich treu gesinnt ist und im Geist Jesu Christi an allen Menschen zu handeln bemüht ist.“ (Staatsarchiv Hamburg 221-11 Ed 15774)
Und die leitende Fürsorgerin im Amt Lokstedt, Maja Jelges, bescheinigte am 9.9.46, dass Irmgard Grossner vom 1.4.37 bis 31.3.38 in Hamburg Kreis I Innenstadt ein Praktikum absolviert hatte. Sie sei damals kein Mitglied der NSDAP gewesen, wurde aber auf Grund der Behördenbestimmungen gezwungen beizutreten, um als Fürsorgerin angestellt zu werden. „Es ist mir bekannt, dass sie es mit innerem Widerstreben tat.“ (Staatsarchiv Hamburg 221-11 Ed 15774)
Nach der NS-Zeit war Irmgard Grossner jahrzehntelang in der Hamburger Sozialbehörde tätig. Ab 1962 baute sie die Altenhilfe in Hamburg auf. 1979 wurde sie pensioniert und war dann noch bis ins hohe Alter für den Bereich Altenhilfe und Pflege im Paritätischen Wohlfahrtsverband Hamburg ehrenamtlich tätig. Zu ihrem 95. Geburtstag schrieb das Hamburger Abendblatt: „Sie liebte Fontane und Spaziergänge mit ihren Söhnen.“ Zu diesem Ehrentag wurde der mit 2500 Euro dotierte Irmgard Grossner Preis für ehrenamtliche Sozialarbeit erstmals überreicht.
Jürgen Kaczmarek vom Deutschen paritätischen Wohlfahrtsverband würdigte Irmgard Grossner mit den Worten: „Sie sind die Mutter der Hamburger Altenhilfe“.