Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Helene Flörsheim

(12.5.1880 Hamburg - deportiert nach Theresienstadt am 15.7.1942, weiterdeportiert nach Auschwitz, am 9.10.1944, ermordet)
Lehrerin, „Fachlehrerin für schulunfähige Kinder“, „Privatlehrerin für deutsche Sprache für In- und Ausländer“
Parkallee 15 (Wohnadresse, Wirkungsstätte), Stolperstein


Helene Flörsheims Name stand am 15. Juli 1942 mit 924 anderen auf der Deportationsliste für den Hamburger Transport nach Theresienstadt. In Terezin, einer Garnisonsstadt im Nordwesten Tschechiens, gründeten die Nationalsozialisten im November 1941 nach der deutschen Besatzung das Sammel- und Durchgangslager Theresienstadt, das zunächst für tschechoslowakische, dann aber auch für ältere deutsche Jüdinnen und Juden sowie "bevorzugte" Gruppen gedacht war. Es diente zeitweilig als "Vorzeigegetto", um der Welt vorzugaukeln, dass es den dorthin deportierten jüdischen Bewohnern gut ginge. Tatsächlich herrschten Überfüllung, Unterernährung, mangelhafte medizinische Versorgung und unhygienische Verhältnisse, so dass tausende starben, für 88.000 Personen war das Getto ein Durchgangsort zu den Vernichtungslagern.
Helene Flörsheim war am 12.5.1880 in Hamburg geboren worden.
Ihre Mutter Sarchen Spangenthal, geb. am 2.8.1852, stammte wie auch deren sechs Geschwister und Eltern, aus Hessen. Der Nachname Spangenthal war durch Abwandlung des Namens Spangenberg, ihres Geburtsortes, entstanden, als alle jüdischen Familien einen offiziellen Nachnamen annehmen mussten.
Helenes Vater Carl M. K. Flörsheim war am 2.6.1849 in Hamburg geboren worden. Carls weitere Vornamen "Mosche Kalonimus" und die seines Bruders "Nehemias Speyer" ehrten deren Großeltern mütterlicherseits: Kalonimus Moses und Hannchen Speyer. Die Vornamen Kalonimus und Speyer waren damals beliebte jüdische Vornamen. Sie erinnerten an eine der führenden jüdischen Familien (Kalonymos) vom 11. bis zum 13. Jahrhundert im Gebiet um Worms, Speyer und Mainz, von denen damals wichtige religiöse und kulturelle Impulse ausgingen.
Carls Vater Joseph Flörsheim, Jahrgang 1824, war von Rothenkirchen nach Hamburg gezogen, hatte dort Goldchen Moses geheiratet und 1848 am Großneumarkt 6 eine "Lackirfabrik mit Verkauf von lackirten Blechwaaren, so wie von allen Sorten Lackfirnissen, Lampen und Hausstandssachen" eröffnet. 1855 lautete die Geschäftsadresse Alter Steinweg 16. Joseph und Goldchen bekamen fünf Kinder.
Im Jahr 1856 starb Goldchen mit nur 31 Jahren. Joseph heiratete ein zweites Mal, mit Hannchen Joelsohn hatte er zwei Söhne, Michael Jechiel und Julius Joel. Joseph starb im Jahr 1913.
Im Jahre 1876 war Carl Flörsheim in die Firma seines Vaters eingetreten und die Familie in die Fuhlentwiete 122 gezogen. Carl und Sarchens erstes Kind Golda, geboren 1878, starb nach einem Jahr, Sohn Michael kam am 11.9.1877 zur Welt. Helene wurde am 12.5.1880 in Hamburg geboren (Sohn John, geb. am 19.6.1881, starb bereits 1882).
Die Familie lebte zu der Zeit im Herrengraben 87/88. Als Carl überraschend schon im Jahr 1883 starb, übernahm seine Ehefrau die Vormundschaft für die zwei minderjährigen Kinder. Obwohl sie die leibliche Mutter war, benötigte sie, gesetzlich vorgeschrieben, zwei "Assistenten". Dazu erklärten sich im April 1883 Meyer Israel Meyer, (siehe Parkstraße 26), Kaufmann im Neuen Wall 78, und ihr Nachbar Emanuel Fischer, Ladenhändler, Herrengraben 88, bereit. Sie hatten die Aufgabe, gemäß der Gesetzesvorschrift aus dem Jahre 1844, bis zur Volljährigkeit von Michael und Helene auf das finanzielle und erzieherische "Interesse der Kinder sorgfältig zu achten" und der Mutter "mit Rath und That an die Hand zu gehen". Beim Tod des Vaters waren Helene drei und ihr Bruder Michael sechs Jahre alt.
Die Mutter Sarchen Spangenthal und die zwei Kinder zogen zunächst in die Schellingstraße 41, dann in die Rutschbahn 24, ab 1909 wohnten sie im ersten Stock der Parkallee 15.
1919 verstarb auch die Mutter. Helene blieb in der Wohnung. Ihre Nichte Irene Elisabeth Stern beschrieb ihre Tante Helene Flörsheim so: "Sie war Lehrerin, doch wegen schwerer körperlicher Behinderung stand sie nicht im öffentlichen Dienst sondern war Privatlehrerin."
Helene Flörsheim hatte ihre berufliche Tätigkeit offiziell 1912 in der Parkallee-Wohnung begonnen. Im Hamburger Adressbuch firmierte sie zunächst als "Privatlehrerin", dann 1915 mit dem Zusatz "Heilung von Sprachstörungen". 1920 gab sie ihren Beruf an als "Fachlehrerin für schulunfähige Kinder".
Ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter trat Helene selbst am 18. Januar 1920 in die jüdische Gemeinde ein. Die Gewerbeanmeldung als Privatlehrerin erhielt Helene am 30. März 1920. Die "Behörde für das Fortbildungsschulwesen" vermerkte am 26. Februar 1920, dass sie an keiner Berufsfortbildung teilgenommen habe. 1922 bezeichnete sie ihren Beruf als "Privatlehrerin für deutsche Sprache für In- und Ausländer".
Helene blieb unverheiratet und kinderlos, erwirtschaftete aber ein ausreichendes Einkommen durch ihre Lehrtätigkeit, ergänzt durch laufende Zinseinnahmen aus dem Erbteil ihrer Eltern.
Am 3. Februar 1941 musste sie in die "Judenwohnung" Bogenstraße 25, das ehemalige May Stift, ziehen. Im Juli 1942 erhielt sie einen Deportationsbescheid. Auf ihrer Kultussteuerkarte steht dazu euphemistisch: "ausgeschieden durch Abwanderung".
Ihr Vermögen wurde sofort nach ihrer Deportation in das Getto Theresienstadt vom deutschen Reich beschlagnahmt.
Trotz der lebensfeindlichen Bedingungen im Getto überlebte Helene Flörsheim dort bis zu ihrem Weitertransport am 9. Oktober 1944 in das Konzentrationslager Auschwitz. Dort verliert sich ihre Spur. Sie wurde vermutlich bereits bei Ankunft mit Gas getötet.
Das offizielle Todesdatum wurde auf den 8. Mai 1945 festgelegt
Helenes Bruder Michael Flörsheim, geb. am 11.7.1877, arbeitete im Bankgeschäft. Er heiratete Recha Martha Philipp. Das Paar bekam drei Kinder: Carl Alexander, geb.1907, Irene Elisabeth, geb.1909, und Ruth Amelie, geb.1912. Michael Flörsheim starb 1931.
Carl Alexander Flörsheim starb 1941.
Stand: September 2007
Text: Susan Johannsen, aus der Datenbank www.stolpersteine-hamburg.de