Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Frauenausschuss Hamburg-Harburg

Wilstorfer Straße 40: Lokal von Heinrich Tiedemann, heute: „Harburger Carree“ 48
Siehe auch: Antifaschistische Frauenausschüsse
Siehe auch: Frauen-Ausschuss Hamburg


Am 13.12.1945 trafen sich in Hamburg-Harburg im Lokal Heinrich Tiedemann in der Wilstorfer Straße 40 ungefähr 150 Frauen, um zu der Bildung eines Frauenausschusses Stellung zu nehmen. Die Idee sich zu organisieren und nach dem Ende des Faschismus politisch aktiv zu werden, wurde von Frauen, die in den Konzentrationslagern inhaftiert gewesen waren, entwickelt.
Vier weibliche Mitglieder der KPD initiierten in Hamburg-Harburg dieses erste Treffen: Gertrud Nehring, in der Zeit des Nationalsozialismus viereinhalb Jahre inhaftiert im Zuchthaus Lübeck-Lauerhof wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“, Gertrud Amler, drei Jahre inhaftiert in Lübeck-Lauerhof, „Mike“ Jakobasch und Frau Dreibrodt, deren Ehemänner im Konzentrationslager inhaftiert gewesen waren.
Gertrud Nehring wurde zur Vorsitzenden des Frauenausschusses gewählt und es wurden unterschiedliche Kommissionen gebildet.
Die Ziele waren:
• Die politische und kulturelle Aufklärung der Frauen auf antifaschistischer, demokratischer Grundlage
• Die Heranziehung der Frau zur aktiven Teilnahme am öffentlichen Leben, um ihre Mitwirkung an der demokratischen Umbildung Deutschlands zu ermöglichen
• Die Unterstützung der Mütter bei der Erziehung ihrer Kinder
• Schutz der berufstätigen Frau
Außerdem wurden sieben Stadtteilgruppen gebildet: Heimfeld, Eißendorf, Marnsdorf, Wilstorf, Bostelbek, Moorburg und Neugraben.
Nach kurzer Zeit unterstützten ca. 1000 Frauen durch Mitgliedsbeiträge die Initiative sowie die Bevölkerung durch Spenden.
In der Mehrheit arbeiteten im Frauenausschuss-Hamburg-Harburg parteilose Frauen aus den Stadtteilen mit. Parteilich organisierte Frauen kamen aus der KPD, SPD, FDP und CDU.
Der Ausschuss gab in unregelmäßiger Folge das Mitteilungsblatt „Frauen am Werk“ mit einer Auflage von 800 Exemplaren heraus. Da in Harburg bis Herbst 1949 keine Regionalzeitung herauskam, gab das Mitteilungsblatt auch wichtige Informationen über Verordnungen, Ämter und die zuständigen Ausschüsse bekannt.
1946 wurden die Frauenausschüsse von der englischen Besatzungsmacht gesetzlich anerkannt und in das Vereinsregister eingetragen. Die Militärregierung stellte den Mitgliedern Ausweise aus, Firmen, Betriebe und Geschäfte durften um Spenden gebeten werden, und es gab einen guten Zugang zu Ämtern und Behörden.
Mit Hilfe des Amtes für Behörden und Betriebe mietete der Frauenausschuss im Januar 1947 dann für seine Sitzungen einen zentralgelegenen Raum im Hause der Firma Riegen am Kleinen Schippsee.
Bei der Arbeit des Frauenausschusses standen die sozialen Aufgaben im Vordergrund. Am wichtigsten war die Beschaffung von Wohnraum, Nahrung, Kleidung und Heizmaterial. Es wurden Gummi für Kinderschuhsohlen, Textilien, Babysachen, Geld für bedürftige Kinder, Zeitschriften und Bücher gesammelt. Außerdem wurden Unterschriftenlisten für die Nutzung einer leerstehenden Kaserne als Krankenhaus erstellt, Nähstuben in den Harburger Stadtteilen eingerichtet sowie die Betreuung von Kranken, Alten und Wöchnerinnen organisiert.
Ab Frühjahr 1946 schwand das Interesse der Harburger Behörden, mit dem Frauenausschuss enger zusammenzuarbeiten. In diesem Frühjahr hatte der Frauenausschuss die Verteilung von Bezugsmarken durch das Wirtschaftsamt Eißendorf kritisiert, denn bei der Vergabe von Spinnmaterial und Schuhzeug hatten sich große Personenschlangen gebildet. Deshalb unterbreitete der Frauenausschuss den Vorschlag, bei der Prüfung von Bedürftigkeitsanträgen ehrenamtlich mitzuarbeiten und die Antwort schriftlich zuzustellen. Zuerst stimmte das Hauptwirtschaftsamt diesem Vorschlag zu, doch dann wurde die ehrenamtliche Arbeit als unzweckmäßig angesehen und von der Kreisleitung 8 unter Leitung von Senator Höhlein verboten. Stattdessen wurden Ausschüsse aus Parteivertretern geschaffen.
Schon 1946 mussten sich die Frauenausschüsse gegen antikommunistische Vorurteile wehren, ab Oktober 1946 war eine ehrenamtliche Hilfe von Seiten des Hamburger Frauenausschusses vom Ortsamt Barmbek grundsätzlich nicht mehr erwünscht.
Neben der sozialen Arbeit leistete der Frauenausschuss auch kulturelle und politische Arbeit. So wurden zahlreiche öffentliche Veranstaltungen und Schulungsabende organisiert. Die Hamburger Ärztin Frau Dr. med. Friedrich forderte z. B. auf einer Veranstaltung die Aufhebung des Straftatbestandes bei einem Schwangerschaftsabbruch.
Andere Themen waren die Situation der Weltwirtschaft, Politik nur Männersache?, atomare Aufrüstung, Antimilitarismus, Versorgungslage, Wohnraumfrage und das Schulwesen.
Zu den Veranstaltungen und Schulungen erschienen im Schnitt 45 bis 70 Frauen, beim Thema § 218 weitaus mehr. Auf dieser Veranstaltung wurde beschlossen, eine Eingabe beim Kontrollrat zwecks Aufhebung bzw. Lockerung des § 218 zu stellen. Am 8.10.1946 machte die Hamburgische Bürgerschaft eine Eingabe zur Lockerung der §§ 218 und 219 StGB, die bis zum Präsidenten des Zentraljustizamtes der Britischen Zone weitergeleitet wurde.
Am 4.10.1947 forderte der Frauenausschuss in einer Eingabe die Einrichtung von Beratungsstelle für Schwangerschaftsverhütung und Mutterschutz. Der Unterausschuss Gesundheit und Sozialfürsorge lehnte diese Eingabe ab.
Der Frauenausschuss verlor langsam an Einfluss und die Frauen aus den Frauenausschüssen veränderten ihre politische Arbeit und lösten schließlich den Frauenausschuss Harburg auf.
Mit der Währungsreform 1948 normalisierte sich die wirtschaftliche Situation. Beamte wurden in den Behörden eingestellt, Parteien und Bezirksausschüsse arbeiteten wieder. Eine repräsentative Demokratie wurde angestrebt und Bürgerinitiativen wurden im Gegensatz zu Parteien als störend empfunden.
Die Frau sollte nun zu den Fürsorgestellen, zum Sozialamt und dem Roten Kreuz gehen, wenn sie Hilfe brauchte und sich nicht mehr im Frauenausschuss organisieren oder dort um Hilfe bitten.
Die Frauen aus SPD, FDP und CDU verlagerten ab 1948 ihre Aktivitäten in ihre Parteien. Einige parteilose Frauen traten in eine Partei ein. Andere parteilose Frauen und Kommunistinnen blieben im Frauenausschuss zurück und schlossen sich 1950 der überregionalen Frauenorganisation Demokratischer Frauenbund Deutschland (DFD) an, welcher 1947 von delegierten Frauen aus den Frauenausschüssen in Berlin gegründet worden war. Der DFD war seit 1948 Mitglied der Internationalen Demokratischen Frauen-Föderation, IDFF.
Diese Frauen wollten sich so weiterhin effektiv für ihre Ziele wie Chancengleichheit von Frauen in Bildung, Beruf und Politik außerhalb von Parteien und auch auf überregionaler und internationaler Ebene einsetzen. In der regionalen Arbeit wurde keine Perspektive mehr gesehen und der Frauenausschuss zugunsten einer überregionalen Organisation aufgelöst.
Text: Ute Krabbenhöft