Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Eva Maria von Dumreicher Eva Maria von Dumreicher, geb. Heiligtag verwitwete Langelittig

(19.5.1920 Hamburg - 30.1.2010 Hamburg)
Ärztin im Universitätskrankenhaus Eppendorf, Mitglied der Widerstandsgruppe „candidates of humanity“
Universitätskrankenhaus Eppendorf, Martinistraße (Wirkungsstätte)
Bestattet auf dem Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756, Grablage AE 28-475


Eva Maria von Dumreicher wurde am 19. Mai 1920 als Tochter des Arztes Dr. Fritz Heiligtag geboren. Von 1926 bis 1933 besuchte sie die private Realschule für Mädchen von Ria Wirth im Mittelweg. Gut die Hälfte der Schülerinnen waren Jüdinnen, mit einigen war Eva Maria eng befreundet. Sie setzte sich für ihre Freundinnen ein, als die antisemitischen Anfeindungen zunahmen. 1934 wechselte sie auf eine staatliche Schule, um das Abitur machen zu können. Sie trat dem Bund deutscher Mädel (BDM) bei, weil sie sonst nicht zur Reifeprüfung zugelassen worden wäre. Nach dem Abitur 1938 trat sie sofort aus. Als Medizinstudentin lernte sie 1941 den gleichaltrigen Albert Suhr kennen, der bereits in ns-kritischen Studentenkreisen verkehrte. Er führte sie in den Kreis oppositioneller Studenten und Ärzte am Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE) ein. Diese Gruppe um Frederick Geussenhainer und Heinz Lord nannte sich „candidates of humanity“ und hatte seinen Kristallisationspunkt in der von Prof. Dr Rudolf Degkwitz geleiteten Kinderklinik. Sie wird dem Hamburger Zweig der „Weißen Rose“ zugerechnet. Den Namen „candidates of humanity“ gaben sich die Mitglieder in bewusster Abgrenzung zur gängigen Deutschtümelei. Auch sprach man Englisch, um sich vor Denunzianten zu schützen. Eva Maria in einem Brief von 1969 zu dieser Gruppe: „Mir erschien die Gewohnheit dieser Gruppe in und außerhalb des Operationssaales englisch zu sprechen, als Hinweis auf ihre politische Richtung. Ich suchte Kontakte und Meinungsaustausch und blieb mit ihr auch nach meiner Famulatur 1942 in Verbindung.“ 1942 bewarb sich Eva Maria um ein Auslandsstudium in der Schweiz. Sie erhielt die Erlaubnis, im Wintersemester 1942/43 dort zu studieren, aber mit der Auflage keinen Kontakt zu feindlichen Ausländern aufzunehmen. Sie freundete sich jedoch mit holländischen und norwegischen Emigranten an. Von ihnen und durch die Schweizer Presse erhielt sie Informationen über deutsche Kriegsverbrechen. Sie wurde nach Deutschland zurückberufen, da dem deutschen Konsul in der Schweiz ihre Einstellung bekannt wurde und dieser ein Dossier über sie anlegte, in dem er sie der „Feindhilfe“ bezichtigte. Nach ihrer Rückkehr nach Hamburg im April 1943 verbreitete sie diese Nachrichten im Kreis der „candidates of humanity“.
Acht Monate nach der Verhaftung der Geschwister-Scholl-Gruppe in München setzte die Gestapo auch dem Wirken des Hamburger Zweiges der Weißen Rose ein Ende. Aus der Hamburger Gruppe wurden über 30 Personen festgenommen, Eva Maria im Oktober 1943 wegen „Hoch- und Landesverrats“. Sie kam ins Gefängnis Hütten, da Fuhlsbüttel überfüllt war. Die Beweise reichten für eine Anklage vor dem Volksgerichtshof wie auch bei wenigen weiteren Verhafteten nicht aus. Man konnte ihr nur nachweisen, dass sie dem Assistenzarzt Dr. John Gluck einen Weg erklärt hatte, wie man unerkannt in die Schweiz gelangen könne. Andere Informationen besaß die Gestapo nicht. Trotzdem wurde sie mehrfach vernommen und nach einzelnen Mitgliedern der Gruppe stundenlang befragt. Sie hatte Glück, dass andere Belastete bestritten sie überhaupt zu kennen. „Da es mir gelang, mich derart harmlos zu stellen, dass ich sogar weinte, verzichtete die Gestapo und entließ mich.“ Sie wurde wieder aus der Polizeihaft entlassen. Sie konnte ihr Studium fortsetzen und promovieren. Sie heiratete den Arzt Dr. Langelittig, der die gleichen Ansichten vertrat wie sie. Kurz nach der Eheschließung starb dieser an der Front.
Nach dem Ende des NS-Regimes wurde Eva Heiligtag, jetzt Langelittig, Ärztin an der Frauenklinik des UKE. 1947 schrieb Albert Suhr über sie: „Sie stand in scharfem Gegensatz gegenüber anderen Intellektuellen, die in eine zu nichts verpflichtende Geistigkeit auswichen oder aus einer falsch verstandenen geistigen Vornehmheit ‚neutral‘ zu bleiben bestrebt waren. […] Nationalismus und Rassenwahn standen für sie auf einer Stufe als die niedrigsten, reaktionärsten und verbrecheristischen ,Kulturstufen‘ der Menschheit.“
Später heiratete sie Andrè Hugo von Dumreicher (gest. 61.2011) und nahm dessen Namen an.
Text: Stefan Romey