Charlotte Engel-Reimers Prof. Dr. Charlotte Engel-Reimers
(26.9.1870 Hamburg – 29.10.1930 Berlin)
Frauenrechtlerin, Nationalökonomin
Paulstraße 25 (heute Europapassage) (Wirkungsstätte)
Wilhelm-Gymnasium (Wirkungsstätte)
Charlotte Engel-Reimers, die Mitbegründerin der Hamburger Filiale der Centralstelle für weibliche Bühnenangehörige Deutschlands, war die Tochter des Oberarztes für Haut- und Geschlechtskrankheiten am Lohmühlen-Krankenhaus, Dr. med. Julius Engel-Reimers (1837-1906) und dessen Ehefrau, der Deutsch-Amerikanerin Anthonie Engel-Reimers, geb. Schweitzer (1844-1880). Sie starb an Schwindsucht, als ihre beiden Töchter noch sehr jung waren. Julius Engel-Reimers war dann in zweiter Ehe mit Amalie Jebens, „eine wohlhabende und kunstliebende Dame, (…)“ verheiratet. (Henny Wiepking: Uhlenhorst in vier Jahrhunderten. Hamburg o.J., S. 89.)
Schon in ihrer Jugend soll Charlotte Engel- Reimers einen „ernsten Sinn“ gehabt und kein Interesse an gesellschaftlichen Vergnügungen gezeigt haben.
Gemeinsam mit ihrer Schwester Helene betätigte sie sich karitativ in ihrem Stadtteil Uhlenhorst. „Sie unterrichteten Volksschülerinnen gruppenweise in Englisch und Französisch, gründeten eine Kinderbibliothek, richteten [ 1896] einen unentgeltlichen Arbeitsnachweis [für Frauen], Uhlenhorst-Barmbeck, schufen Nähstuben, führten Weihnachtsbescherungen durch und legten mit diesem menschenfreundlichen Tun das von ihrer Mutter ererbte Kapital als echte Menschenfreunde an.“ (ebenda.)
Zwischen 1896 und 1899 war Charlotte Engel-Reimers gemeinsam mit Lida Gustava Heymann, die sie in einem Internat in Dresden kennengelernt hatte, Vorstandsmitglied der Ortsgruppe Hamburg des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins „bis diese mit einigen Freundinnen zusammen austraten und mehrere radikale [bürgerliche] Frauenvereine in Hamburg gründeten [ 1900 ]: Verein Frauenwohl, die Förderation, die Hamburger Filiale der Centralstelle für weibliche Bühnenangehörige Deutschlands und den Deutschen Verein für Frauenstimmrecht. (Kirsten Heinsohn: Politik und Geschlecht, Hamburg 1997, S.409.)
Obwohl sie wegen ihrer zarten körperlichen Konstitution häufig krank war, hatte sie dennoch so viel Kraft und Energie, dass sie es schaffte, 1901 als erste Frau in Hamburg als Externe das Abitur am Wilhelm-Gymnasium damals an der Moorweide 40 abzulegen.
15 Jahre zuvor hatte Charlotte Engel-Reimers Ende März 1886 den Schulabschluss an einer Höheren Mädchenschule gemacht. Da ihr Abschlusszeugnis gute bis sehr gute Noten aufwies, wollte sie Abitur machen. Doch das war in Hamburg bis 1910 nur Jungen erlaubt. Erst 12 Jahre nach Charlotte Engel-Reimers Schulabschluss wurde es 1896 den Frauen erlaubt, als Externe Abitur zu machen. Und so bekam Charlotte Engel-Reimer von Ostern 1899 bis zur Abi-Prüfung im Sommer 1901 Privatunterricht bei renommierten Professoren, um dann als Externe am Wilhelm-Gymnasium das Abitur zu machen. Damals war sie 31 Jahre alt. Ihr Abiturzeugnis wies die Note „gut“ auf.
Danach ging sie zum Studieren nach Berlin, wo sie mit ihrer Schwester Helene Engel-Reimers im Stadtteil Steglitz in der Wilsederstraße 6 wohnte. In Hamburg gab es noch keine Universität. Diese wurde erst im April 1919 gegründet. Damals mit 1517 Studenten und 212 Studentinnen.
1906 promovierte Charlotte Engel-Reimers in Berlin zur Nationalökonomin mit einer Arbeit über „Die deutschen Bühnen und ihre Angehörigen“ - noch bevor offiziell Frauen zum Studium zugelassen wurden. Ihre folgende Lehrtätigkeit am Staatswissenschaftlich-statistischen Seminar der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin wurde als so hervorragend bewertet, dass es Charlotte Engel-Reimers erlaubt wurde, den Unterricht in ihrer Wohnung abzuhalten, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen ihre Wohnung nicht verlassen konnte.
1912 reichte sie zum ersten Mal ein Habilitationsgesuch ein. Doch das wurde abgelehnt. Erst ab 1920 durften Frauen in Deutschland habilitieren.
1926 reichte Charlotte Engel-Reimers erneut ihren Antrag auf Habilitation an der Philosophischen Fakultät im Fach Staatswissenschaft an der Universität Berlin ein. Zwei Jahre später wurde sie zu den weiteren Habilitationsleistungen zugelassen. Ökonomisch war sie abgesichert durch das Erbe ihres Vaters, der 1906 verstorben war.
Da sie immer wieder schwer erkrankte konnte sie erst 1930 - als sie schon 60 Jahre alt war - mit der Schrift „Der Idealismus in der Wirtschaftswissenschaft“ habilitieren. Als eine der ersten Frauen in Deutschland erhielt sie den Titel Professor. Doch kurz vor ihrer Antrittsvorlesung starb sie.
Ihre Schwester Helene starb 1954 im Alter von 81 Jahren in Bad Pyrmont. Sie hatte den Quäkern angehört und acht Pflegetöchter bei sich aufgenommen. Da das von ihrem Vater für sie angelegte Vermögen durch Inflation und Währungsreform erheblich entwertet worden war, hatte Helene Engel-Reimers in den letzten Jahren ihres Lebens zeitweilig von Sozialunterstützung leben müssen.
Text: Dr. Rita Bake