Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Hedwig Wallis Prof Dr. Hedwig Wallis, geb. von Häfen

(20.5.1921 Hamburg – 21.10.1997 Hamburg)
Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (CDU) von 1970 bis 1974
Hamburger Rathaus, Rathausmarkt (Wirkungsstätte)
Universitätskrankenhaus Hamburg Eppendorf (UKE), Martinistraße (Wirkungsstätte)
Parkstraße 22 (Wohnadresse)
Bestattet auf dem Flottbeker Friedhof, Stiller Weg 28 , Grablage: Lc 3


3385 Wallis Hedwig
Hedwig Wallis, Quelle: Parlamentarischer Informationsdienst der Hamburgischen Bürgerschaft

1941 begann Hedwig Wallis in Hamburg mit ihrem Medizinstudium. Über ihre Ersteinschreibung im Januar 1941 äußerte sie: „Wir standen in Schlangen (…), vor der Quästur. Bevor wir den Schalter erreichten, wurden wir zwangsweise an einigen Tischen vorbeigelenkt. Am ersten musste man nachweisen, welchen Gliederungen der NSDAP man angehörte. Am zweiten wurde uns ein Eintrittsgesuch in den Nationalsozialistischen Studentenbund unter die Nase gehalten: ‚Ohne Beitritt keine Einschreibung‘, hieß es. Am dritten Tisch wurde man in gleicher Weise gezwungen, eine nazistische Studentenzeitschrift zu abonnieren. (…) Erst dann durfte man sich einschreiben. Ob diese Verfahren in irgendeiner Weise rechtens waren, (…) fragten wir nicht. Zu viele Leute in den typischen Ledermänteln der geheimen Staatspolizei standen in der Vorhalle herum, als daß man sich zu widersetzen wagte. Ich bin allerdings mit Hilfe konsequenter Lügerei und Bummelei über den erzwungenen Anwärterstatus im Studentenbund nicht hinausgekommen.“ [1] Im dritten Semester heiratete sie einen Kommilitonen und bekam eine Tochter. Zwei Jahre später, 1944, ließ sie sich scheiden und „beendete ihr Studium als alleinerziehende Mutter und legte 1946 das Staatsexamen ab“ [2]
Nach ihrem Medizinstudium, der Fachausbildung in Psychiatrie und der anschließenden Fachausbildung in Kinderheilkunde wurde Dr. Hedwig Wallis an der Universitäts- Kinder- und Poliklinik Hamburg Eppendorf tätig. 1959 habilitierte sie sich (als zweite Frau in der Medizinischen Fakultät) und wurde 1965 zum apl. Professor ernannt. Sie arbeitete nun als Abteilungsdirektorin und Professorin an der Universität Hamburg. Hedwig Wallis gründete die Psychosomatische Abteilung der Kinderklinik des Universitätskrankenhauses Hamburg Eppendorf und wurde 1964 ihre erste Professorin und Direktorin.
Hedwig Wallis unterstützte auch Eltern mit autistischen Kindern. So gewann Anfang der 1970er Jahre die Selbsthilfeinitiative betroffener Eltern – später wurde daraus der Autismus Landesverband Hamburg eV. - Hedwig Wallis, die damals Leiterin der psychosomatischen Abteilung der Universitätsklinik in Hamburg-Eppendorf war, als Unterstützerin und Beraterin. Sie stellte der Elterngruppe für ihre Treffen einen kleinen Hörsaal zur Verfügung.
1987 wurde Hedwig Wallis pensioniert.
Zu Ihrem 65. Geburtstag schrieb Manfred Müller-Küppers: „(…) Ihre Mitarbeit in den verschiedensten wissenschaftlichen und berufspolitischen Gremien hat Maßstäbe gesetzt und ist unvergessen. Mit der Ihnen eigenen - als Hamburger wage ich zu sagen norddeutschen Unbekümmertheit – haben Sie Tabus unterlaufen, heiße Eisen angepackt und auch gewagt, sich unbeliebt zu machen, wie man dies nicht von allen ‚gestandenen Mannsbildern‘ sagen kann. Es gibt aber auch noch eine andere Seite der Hedwig Wallis, die in den letzten Jahren persönliches Leid erfahren mußte: Sie haben Ihre Tochter verloren und damit Ihre Enkel ihre Mutter. (…) Sie haben sich um die Entwicklung der deutschen Kinder- und Jugendpsychiatrie verdient gemacht und dafür sei Ihnen (…) ausdrücklich gedankt (…).“ [3]
„Ihr zu Ehren gab der Freundes- und Förderkreis des UKE e.V. einem jährlich zu vergebenden Stipendium den Namen Hedwig Wallis-Promotionspreis für Psychosoziale Medizin. Der Preis wurde erstmals im Jahr 2008 ausgelobt und wird an Studenten und junge Ärzte für die beste Dissertation des Jahres vergeben.“ [4]
Neben ihrer Erwerbsarbeit betätigte sich Hedwig Wallis auch parteipolitisch. Von 1970 bis 1974 war sie CDU-Bürgerschaftsabgeordnete.
Als in dieser Zeit 1978 wieder einmal die Debatte um den § 218 lief, mischte sie sich als Politikerin ein. Sie vertrat folgenden Standpunkt: „Wenn es generell möglich sei, eine Schwangerschaft abzubrechen, dann brauchten die Männer ja nicht mehr Angst davor zu haben, eine Frau zu schwängern, könnten ihren sexuellen Bedürfnissen freien Lauf lassen und die Frauen noch mehr als bisher von sich abhängig machen; besonders gelte das für sehr junge Frauen und solche aus sozial schwachem Milieu. Sie bezeichnete es als ‚Denkfehler‘, den Kampf gegen den § 218 unter dem Aspekt der Frauenemanzipation zu führen.“[5]
Text: Dr. Rita Bake