Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Wilhelmine Mutzenbecher Wilhelmina Mutzenbecher, geb. Hübbe

(26.10.1801 Hamburg - 05.06.1878 Hamburg)
Stifterin, Gründerin der Martha Stiftung
Hühnerposten 19 (Wohn- und Wirkungsstätte)
Koppel 66a (Stiftsgebäude)
Am Ohlendorffturm 20-22: Martha Stiftung/ Martha-Haus Zentrum für alte Menschen.


Wilhelmine Mutzenbecher, geb. Hübbe gründete ein Jahr nach dem Tod ihres im Alter von 42 Jahren verstorbenen Ehemannes, dem Kaufmann Ferdinand Mutzenbecher, die Martha Stiftung, benannt nach der biblischen Martha, die als die Hauswirtschafterin schlechthin galt. Die Stiftung diente ursprünglich als Ausbildungsstätte für Dienstmädchen.
Das kinderlose Ehepaar Mutzenbecher, das 1843 geheiratet hatte, gehörte zum Kreis der norddeutschen Erweckungsbewegung und war mit Johann Hinrich Wichern befreundet. Nachdem Ferdinand Mutzenbecher verstorben war, schlug der Theologe Johann Hinrich Wichern und der Verein für innere Mission in Hamburg der Witwe vor, „eine Hilfseinrichtung für junge Frauen aus sozial benachteiligten Verhältnissen zu gründen“.[1]
Die Martha Stiftung, in die Wilhelmine Mutzenbecher ihr ganze Vermögen steckte, befand sich bis ihrem Tode in deren Privaträumen am Hühnerposten 19. Wilhelmine Mutzenbecher vollzog zwischen ihrem eigenen Haushalt und der Arbeit in der Stiftung keine Trennung. Zusammen mit ihrer Nichte Amanda Wagner geb. Mutzenbecher und ihrer Freundin Therese Abendroth hatte sie die Leitung über die Stiftung. In den ersten Jahren seit Bestehen der Stiftung wurden vierzehn Mädchen ausgebildet. Sie erhielten keinen Lohn, kamen in „ehrbare” Haushalte, arbeiteten dort vormittags und erhielten nachmittags in der Stiftung Haushaltungsunterricht und christliche Unterweisung. Wenn sie nicht in den Häusern der Herrschaften wohnten, übernachteten sie in der Stiftung.
Im Laufe der Jahre vergrößerte sich die Stiftung. Das Nachbarhaus Hühnerposten Nr. 20 wurde hinzugekauft, eine Pension für alleinstehende Damen eingerichtet. Später erfolgte ein zweiter Umzug in die Lange Reihe 44, dann in die Koppel 66a. Hier entstand das erste eigene Haus, abgekoppelt von der Privatwohnung von Wilhelmine Mutzenbecher.
Ein weiterer Arbeitszweig ab 1875 war der so genannte Vorhof: Hier wurden noch nicht konfirmierte und noch zur Schule gehende 12 bis 14-jährige Mädchen untergebracht. Sie wurden auf ihre Konfirmation und auf ihre Ausbildung zu Dienstmädchen vorbereitet. Dieses Angebot galt hauptsächlich für Waisen.
Ab 1880 übernahmen die Diakonissen die Arbeit in der Stiftung. Die Haushaltungsschülerinnen arbeiteten nun nicht mehr in Privathaushalten, sondern die Stiftung entwickelte sich zu einer umfassenden Haushaltungsschule unter christlicher Leitung. Zur praktischen Übung für die Schülerinnen wurden Mittagstische für Damen und eine Kinderkrippe eingerichtet.
1884 wurde in der Baustraße (heute Hinrichsenstraße) ein Martha-Haus errichtet. Hier gab es auch für zugereiste Frauen, die in Hamburg eine Stellung als Dienstmädchen suchten, Herberge und kostenlose Stellenvermittlung.
In den 20er- und 30er-Jahren des 20. Jhds. kamen die Arbeitsbereiche: Betreuung körperbehinderter Kinder und ein Mütterheim hinzu. 1943 wurden die Stiftsgebäude in der Hinrichsenstraße ausgebombt. 1953 erfolgte der Neubau eines Altenheimes in Hamburg-Rahlstedt. Heute gehören zur Martha Stiftung die Altenheime Martha Haus, Morathstiftung (Vierbergen 25), Seniorenzentrum St. Markus (Gärtnerstraße 64), das Kinderheim “Im Erlenbusch” (Klosterwisch 8), das Sozialtherapeutische Zentrum für Suchtkranke (Hummelsbüttler Hauptstraße 15), das Hilde Wulff Haus (Wulfsdorfer Weg 10), die Ambulante Behandlungs- und Beratungsstation “Die Hummel” (Am Hehsel 40), die Tagesklinik Bakhausenweg 11.[2]
Zur Gründung des Mütterheims der Martha Stiftung:
Weil die Stadt Hamburg in den 20er-Jahren des 20. Jhds. dringend ein Mütterheim für ledige Mütter benötigte, übernahm die Martha Stiftung notgedrungen diese Aufgabe. Glücklich war sie damit nicht, denn sie wollte kein Heim für „gefallene“ Mädchen haben - dafür seien die Magdalenenstifte zuständig, war damals die Meinung in der Marthastiftung.
Bei den Müttern handelte es sich zum größten Teil um ledige Dienstbotinnen. „Der Sinn des geplanten Hauses lag darin, Mutter und Kind nach der Geburt solange wie möglich zusammen zu lassen. Damit wollte man den angeblich oftmals während der Schwangerschaft gehegten Plänen, das Kind nach der Geburt schnell ‘weg zu geben’ entgegenwirken. Wenn die Mutter und ihr neugeborenes Kind einige Wochen zusammen waren, und das Kind in dieser Zeit auch von der Mutter gestillt wurde, würde die Mutter alles daran setzen, das Kind bei sich zu behalten. Die Abgabe auf Koststellen oder gar die Aufnahme im Waisenhaus könnte unterbleiben. Dies diente nicht nur der positiven Entwicklung des Kindes, sondern sollte wesentlich zur Entlastung der öffentlichen Kassen beitragen.”[3] Das Mütterheim im Marthahaus wurde 1923 eröffnet und existierte bis 1931.
Text: Rita Bake