Stadtbund hamburgischer Frauenvereine
Armgartstraße 20 bei Emma Ender (vor 1926)
Jungfernstieg 26–30 (ehemals) heute hier Einkaufspassage Hamburger Hof
Seit 1976 ist der Hamburger Hof eine exklusive Einkaufspassage. Ursprünglich war das zwischen 1881 und 1883 im deutschen Renaissancestil erbaute repräsentative rote Sandsteingebäude ein luxuriöses Hotel. Als es 1917 ausbrannte, wurde es zum Kontorhaus umgebaut, in das verschiedene Firmen und Institutionen Einzug hielten.
Am 26. November 1926 eröffnete der 1915 gegründete Stadtbund hamburgischer Frauenvereine im ersten Stock des Gebäudes Jungfernstieg 26-30 seine Klubräume. Hier gab es neben den Räumen der Geschäftsstelle, einen 150 Personen fassenden Versammlungssaal, eine Bibliothek mit Lesesaal, einen bewirtschafteten Speisesaal und einen Teeraum. Diese Räumlichkeiten standen den Mitgliedsvereinen offen.
„Frauen Hamburgs! Wehrt Euch gegen die Auswüchse der heutigen Mode! Es ist der deutschen Frau unwürdig, in dieser Zeit Modetorheiten mitzumachen. Die Übertreibung in der Mode verletzt Gefühl und Geschmack aller Einsichtigen. Die übermäßig weiten Röcke, die hohen Stiefel sind eine große Materialverschwendung. Deutsche Frauen! Verwahrt Euch gegen eine Eurem innersten Wesen fremde Ausdrucksform der Mode. Nehmt von der Mode nur das, was nicht in sinnlosem Widerspruch zu dieser Zeit steht! Laßt die Übertreibungen denen, die um jeden Preis auffallen wollen. Deutsche Frauen! Ihr habt in ernster Kriegsarbeit Eure Reife und Eure vaterländische Gesinnung bewiesen, fügt Euch auch durch Eure äußere Erscheinung in den Rahmen dieser großen Zeit. Am Freitag, den 1. April 1916, abends 8 Uhr, findet im Vorlesungsgebäude, Edmund Siemers-Allee eine öffentliche Versammlung statt. Vortragende: Fräulein Dr. Gertrud Bäumer, Berlin, Frau Pia Wille, Hamburg.“ Diese Ankündigung lud zur ersten öffentlichen Veranstaltung des Stadtbundes ein, der am 15. November 1915 unter dem Vorsitz von Emma Ender gegründet worden war. Bereits 1912 hatte sie eine Vortragsvereinigung von zwölf Vereinen gegründet. Ein Jahr später erwuchs daraus ein Vortragskartell und bei Ausbruch des Krieges eine neue Verbindung von dreißig Frauenvereinen, die sich unter der Führung der Ortsgruppe Hamburg des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins als Frauenausschuss der Hamburgischen Kriegshilfe der am 2. August 1914 geschaffenen Zentralorganisation angliederte. Vortragskartell und Frauenausschuss lösten sich zu Gunsten der Neugründung des Stadtbundes auf. „Die unerwartete Ausdehnung des Krieges über das dritte Jahr ließ es den Frauenvereinen ratsam erscheinen, ihre der Natur der Sache nach lose Verbindung in eine straffe Zusammenfassung aller Hamburgischen Frauenvereine umzuwandeln (...). Die durch die Kriegsnot geschaffene innere Gemeinschaft der verschiedenen Berufsstände und der drei kirchlichen Bekenntnisse, sowie die bisher für Hamburg ganz ungewöhnliche Bereitschaft aller sozial empfindenden Menschen zur Einfügung in vereinsmäßige Arbeit gaben den Boden für eine großzügige Verbindung aller Frauenvereine“, [1] äußerte die Ortsgruppe Hamburg des Allgemeinen Deutsche Frauenvereins. Und der Stadtbund-Anzeiger schrieb 1916 „Zweck und Ziele des Stadtbundes sind: Die gemeinsamen Interessen der angeschlossenen Vereine zu vertreten, das Verständnis für die gegenseitigen Bestrebungen zu fördern, das Zugehörigkeitsgefühl zur deutschen Frauenbewegung zu stärken und ein Vermittler zu sein zwischen den wechselseitigen Forderungen des öffentlichen Lebens in Hamburg und der von ihm zusammengefaßten Frauenarbeit.“ [2]
So wie der Frauenausschuss der Hamburgischen Kriegshilfe unterstützte auch der Stadtbund im Ersten Weltkrieg die Kriegsfürsorge. „Die Beteiligung an der Kriegshilfe war für sie ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung (…).“ [3]
Darüber hinaus forderte er ab 1917 die Zulassung der Frauen zum Bürgerrecht. „In allen Fragen der rechtlichen Gleichstellung hatte sich das Bürgerrecht der Stadt Hamburg als der eigentliche Hemmschuh für die Frauenvereine erwiesen: Es schloss das weibliche Geschlecht vom Erwerb des Bürgerrechts aus. Als erster Frauenverein richtete der Verein Frauenstimmrecht ein Gesuch an den von der Bürgerschaft eingesetzten Verfassungsausschuss, in dem um die Zulassung der Frauen zum Bürgerrecht gebeten wurde. Auch der radikale Verein, der nicht Mitglied im Stadtbund war, bezog sich in seiner Begründung auf die Kriegsfürsorgearbeit der Frauen – genauso wie der eher konservative Bund Hamburger Hausfrauen (BHH).
Der Stadtbund wollte Ende April dazu eine öffentliche Veranstaltung durchführen, doch wurde dies von der Politischen Polizei verboten. Daraufhin beriefen der Stadtbund und der Hausfrauenbund für den 14. Mai 1917 eine gemeinsame Mitgliederversammlung ein, in der als Hauptrednerin die bekannte deutsche Frauenrechtlerin Helene Lange (1848– 1930) zum Thema ‚Warum fordern wir Frauen das Bürgerrecht?‘ eingeladen war. Nach den Angaben des Stadtbundes beteiligten sich 1200 Personen an dieser Versammlung, die Politische Polizei wollte dagegen nur 600 gezählt haben. Die Versammlung verabschiedete bei einer Gegenstimme eine Resolution, in der das Bürgerrecht für Frauen gefordert wurde. Doch (…) Senat und Bürgerschaft verschoben eine weitergehende Änderung des Wahlrechtes und des Bürgerrechtes auf unbestimmte Zeit. Der Stadtbund führte deshalb genau ein Jahr später wieder eine Veranstaltung durch, auf der diesmal die zweite Galionsfigur der Frauenbewegung, Gertrud Bäumer (1873–1954), das Hauptreferat übernahm. Neu war nun aber, dass sich die bürgerlichen Frauen zu einer gemeinsamen Veranstaltung mit den Sozialdemokratinnen durchringen konnten, die im April 1918 im Gewerkschaftshaus stattfand. Auch hier wurde die Zulassung der Frauen zum Bürgerrecht in einer Resolution eingefordert. Im Oktober 1918 überreichten schließlich die Vertreterinnen des Stadtbundes, der Hausfrauen und des ‚Hamburger Landesverein für Frauenstimmrecht‘ dem Bürgermeister eine Petition zum Bürgerrecht.
Keine der vom Stadtbund vorgeschlagenen Verfassungsänderungen wurde allerdings umgesetzt. Als der Senat im November 1918 endlich eine Vorlage zur Änderung des Bürgerrechtes in die Bürgerschaft einbrachte, war die politische Verfassung des Kaiserreichs schon nicht mehr stabil. Nur wenig später übernahm der ‚Arbeiter- und Soldatenrat‘ die politische Führung der Stadt, und schon am 18. November wurde das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht für beide Geschlechter eingeführt. Damit war das alte Wahlrecht ebenso abgeschafft wie das Bürgerrecht. In der neuen Verfassung wurden Frauen und Männer grundsätzlich gleichgestellt. Am 16. März 1919 fand die erste demokratische Wahl zur Bürgerschaft in Hamburg statt, der am 24. März die konstituierende Sitzung folgte. Helene Lange, geboren 1848 und inzwischen in Hamburg lebend, konnte als Alterspräsidentin die Sitzung eröffnen und ihre neuen Kolleginnen im Parlament begrüßen. (…)“ [4]
Der Stadtbund war ein Zusammenschluss der gemäßigten demokratischen Frauenbewegung. „ (…) unter der Leitung von Emma Ender [konnte er] seine rege Aktivität fortsetzen und zugleich erweitern. Im Vergleich mit anderen Verbandsorganisationen, etwa dem BDF [Bund Deutscher Frauenvereine] fallen zwei Dinge besonders auf. Zum einen integrierte der Bund in Hamburg auch Vereine, die anderen Orts die Strukturen der Frauenbewegung eher mieden. Die Ortsgruppe Hamburg des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes (DEF) wurde beispielsweise Mitglied des Stadtbundes und blieb es auch nachdem der Gesamtverband 1918 aus dem BDF ausgetreten war. Diese Hamburger Besonderheit hatte sicher viel mit der integrierenden Persönlichkeit Emma Enders zu tun, die darüber hinaus als Mitglied der DVP für die eher konservativen evangelischen Frauen als Garant galt, dass die Arbeit der Frauen nicht in falsches Fahrwasser geriet. Auch der Bund der Hamburger Hausfrauen (BHH) war fest im Stadtbund verankert.“. [5]
Nachdem die Frauen das Wahlrecht erlangt hatten, setzte im Stadtbund eine intensive Diskussion über die weitere Arbeit und Schwerpunktsetzung sowie Selbstverständnis des Stadtbundes ein. Emma Ender äußerte sich dazu: „Gäbe es heute noch keine Frauenvereine und keine diese zusammenfassende Organisation, so müßten sie jetzt, nachdem die politische Gleichstellung gekommen ist, zur Bewältigung der Aufgaben, die gerade jetzt vorhanden sind, gegründet werden. Alle Kraft, die sonst verbraucht wurde, um das Stimmrecht zu erreichen, muß nun eingesetzt werden, um das Stimmrecht zu einem Besitz der Frauen zu machen. Das Recht ist über Nacht gekommen, aber deshalb ist die Anerkennung der Berechtigung zu diesem Recht der Frau noch längst nicht bei allen Männern vorhanden. (…)
Noch ein anderer Gesichtspunkt läßt eine Sammelstelle geschulter Frauen fordern. Es sind eine ganze Reihe von Frauen, die bisher den Dingen des öffentlichen Lebens fern standen, jetzt plötzlich zu eifrigen, politisch interessierten und parteipolitisch werbenden und tätigen Frauen geworden. Diesen allen fehlt die Vorschule der Frauenbewegung. Darin liegt eine Gefahr. (…)
Damit, daß wir das Stimmrecht haben, hört die mühevolle Arbeit für die Durchführung dessen, was wir als Frauenforderungen aufgestellt haben und aufstellen werden, keineswegs auf, sie ist nur aussichtsvoller geworden.“ [6]
Um seine Forderungen politisch durchsetzen zu können, wollte der Stadtbund „‘durch die weiblichen Abgeordneten in der Bürgerschaft und in den einzelnen Verwaltungszweigen‘ die ‚besondere Frauenauffassung zur Geltung zu bringen‘. Voraussetzung hierfür schien ihm eine ‚harmonische Zusammenarbeit‘ der Frauen verschiedener Parteizugehörigkeit zu sein, für die er auch weiterhin wirken wollte.“ [7]
Schwerpunkte der Arbeit des Stadtbundes während der Weimarer Republik waren die Sozialpolitik und die Wohlfahrtspflege. Auch kämpfte der Stadtbund gegen die „Reglementierung der Prostitution“ . Siehe dazu im Eintrag: Prostitution.
„Der Stadtbund gründete (...) ‚die Hamburgische Frauenhilfe 1923‘, um in der Inflationszeit bedürftigen Erwachsenen und Kindern beistehen zu können. In dieser, der Not geschuldeten Organisation arbeiteten auch die Sozialdemokratinnen mit, die ihre eigenen Erfahrungen aus der Hamburger Arbeiterwohlfahrt (AWO) einbrachten. Nach drei Jahren konnte die Frauenhilfe ihre Tätigkeit wieder einstellen, doch in der Wirtschaftskrise 1929/30 entstand dann abermals eine ähnliche gemeinsame Initiative. (…).“ [8]
Anfang der 1930er Jahre fokussierte sich der Stadtbund auf den Kampf gegen das „Doppelverdienertum“. „Damit waren berufstätige Ehefrauen gemeint, die in der Wahrnehmung vieler Zeitgenossen erwerbsfähigen Männern die Arbeit ‚wegnehmen‘ würden. War diese Auffassung in der Zeit der relativen Stabilität zwischen 1924 und 1928 nicht weiter relevant, so entfaltete sie in der beginnenden Wirtschaftskrise ab 1929 eine Dynamik. Je höher die Arbeitslosenzahlen stiegen, desto lauter wurde die Forderung, verheiratete Frauen zu entlassen. Staatlich regeln konnte man dies aber nur für den öffentlichen Dienst und hier wurden auch entsprechende Verordnungen erlassen. Im Dezember 1930 forderte die Bürgerschaft den Hamburger Senat auf, darauf zu achten, dass keine Frauen in der Verwaltung beschäftigt seien, deren Ehemänner dort ebenfalls tätig oder an anderer Stelle fest angestellt waren. Auf Reichsebene wurde im Mai 1932 sogar das ‚Gesetz über die Rechtsstellung der weiblichen Beamten‘ reformiert, das nun vorsah, verheiratete Beamtinnen gegen Zahlung einer Entschädigung zu entlassen. Die Frauenbewegung im Reich und in Hamburg wandte sich öffentlich mehrfach gegen derartige Regelungen, die dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung widersprachen – sie waren jedoch erfolglos.“ [9]
1933 waren dem Stadtbund 48 Frauenvereine angeschlossen mit einer Gesamtmitgliederzahl von 20.000. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten löste sich der Stadtbund am 20. Juni 1933 auf.
Textzusammenstellung: Rita Bake