Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Frauenausschuss der Hamburgischen Kriegshilfe

gegründet 1914
Neuer Jungfernstieg 19, im Frauenklub Hamburg


3749 4435 Neuer Jungfernstieg
Neuer Jungfernstieg 19

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, meinte der Allgemeine Deutsche Frauenverein mithelfend tätig werden zu müssen. „Nach der Kriegserklärung übernahmen die zusammengeschlossenen bürgerlichen und sozialdemokratischen Frauenvereine (…) in Kooperation mit den kommunalen Behörden die Aufgaben der Kriegsfürsorge. Im Zuge des Aufbaus der Kriegsfürsorge wurden viele Frauen als gleichberechtigte Fürsorgerinnen zu den Verwaltungsorganen zugelassen und oftmals konnten auch die Vorsitzenden der großen Frauenvereine dort Führungspositionen einnehmen. (…) Im Gegensatz zu anderen Städten des Deutschen Reiches (,,,), konnten die vereinigten bürgerlichen Frauenvereine in Hamburg nicht die Führung im kommunalen Kriegshilfsdienst übernehmen. Hier hatte Senator Lattmann, Vorsitzender der öffentlichen Armenpflege und der Jugendfürsorge, schon am 2. August 1914 zu einer Gründungsveranstaltung für die ‚hamburgische Kriegshilfe‘ geladen, zu der als Organisationen die größten Wohlfahrtsvereine, die Bürgervereine, das Rote Kreuz, der Vaterländische Frauenhülfsverein und die Leitung der Armenpflege, sowie eine große Anzahl einzelner Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens – Männer wie Frauen – geladen waren.“ [1] An die Frauenvereine war keine Einladung ergangen. „Als Folge dieser Politik konnten die Frauen nur noch als ‚Frauenausschuss der Hamburgischen Kriegshilfe‘, also als Unterabteilung, ihre Dienste eingliedern. Sie hofften, dass ihnen dennoch – wie auch in anderen Städten – ein gleichberechtigter Platz in der neuen Organisation eingeräumt werden würde. Doch wurde diese Hoffnung enttäuscht: Die Leitung der Hamburgischen Kriegshilfe stellte es den jeweiligen Leitern frei, ob sie Frauen als gleichberechtigte Partnerinnen heranziehen wollten oder nicht. Damit waren die Frauenvereine wieder einmal auf den guten Willen einzelner Männer angewiesen.
Die Berichterstatterinnen des Frauenausschusses konstatierten daher 1915 sehr ernüchtert: ‚Leider hat sich die Hoffnung auf Heranziehung der Frauenorganisation als solcher zur ehrenamtlichen Tätigkeit durch die HK nur in geringem Umfang erfüllt [...] Die Kriegshilfebezirke unterstehen nur männlicher Leitung. Dies erscheint vom Frauenstandpunkt aus als erheblicher Nachteil. [...] Da die Erfahrung es bestätigt hat, daß für die soziale Hilfeleistung das Geschlecht des Helfenden von großer Bedeutung ist, so wurde es von den Frauen als Hemmung empfunden, daß die Ergänzung zwischen männlichem und weiblichem Denken und Tun nicht durch die Organisationsform von vornherein gegeben war.‘ (…)
Der Frauenausschuss etablierte sich parallel, aber in direkter Verbindung zur Hamburgischen Kriegshilfe (HK). Die vereinigten Frauenvereine, die in Hamburg ausschließlich aus dem bürgerlichen Vereinsspektrum der Frauenbewegung kamen, d. h. sozialdemokratische Frauenvereine waren hier nicht vertreten, wählten einen Vorstand mit elf Vertreterinnen. Den Vorsitz übernahm Helene Bonfort. Ebenso wie die HK finanzierte der Frauenausschuss seine Tätigkeiten durch freiwillige Beiträge der angeschlossenen Vereine und einzelner Personen. Die Geschäftsstelle des Frauenausschusses wurde in den Räumen des „Frauenklub Hamburg“ errichtet. Um die Verbindung zu den Bezirksausschüssen der HK kontinuierlich zu erhalten, delegierte der Frauenausschuss an jeden Bezirk zwei ‚Vertrauensfrauen‘. Diese Frauen warben vorrangig ehrenamtlich tätige Frauen für die soziale Arbeit und informierten den Frauenausschuss über die Situation in den Bezirken. Die eigene Tätigkeit des Frauenausschusses bestand vor allem aus konkreten sozialen Hilfeleistungen, nur in wenigen Ausnahmefällen gewährten die Frauenvereine auch Geldbeträge.
Aus all dem wird deutlich, dass sich die Frauenvereine in Hamburg zwar bemühten, ihren Platz in der Kriegshilfe zu behaupten. Das Entgegenkommen der staatlich Verantwortlichen war aber denkbar gering. Ende 1915 beschlossen die Vereine deshalb, den Frauenausschuss wieder aufzulösen, denn ihre Tätigkeit wurde stets nur als Ergänzung, nie als gleichberechtigte Beteiligung verstanden. Auch unter den Bedingungen des Krieges zeigten sich die männlichen Verantwortlichen in Senat, Bürgerschaft und den bürgerlichen Hilfseinrichtungen immer noch nicht bereit, die rechtliche Diskriminierung der Frauen aufzuheben – ebenso wenig wie sie sich geneigt zeigten, die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften an der Verwaltung bzw. Regierung der Stadt zu beteiligen. Die Frauenvereine zogen daraus konsequent den Schluss, eine unabhängige Vereinigung sei sinnvoller als die Unterordnung innerhalb der HK.
Innerhalb der Frauenbewegung gab es aber dennoch weiter Differenzen. Während sich die meisten Frauenvereine in Hamburg an der Tätigkeit für den Frauenausschuss beteiligten und auch reichsweit die Frauenorganisationen der SPD überwiegend im Nationalen Frauendienst mitarbeiteten, plädierten die Vertreterinnen der Radikalen und einige unabhängige Sozialdemokratinnen für Frieden und Abrüstung. Aus der Kriegszeit in Hamburg gibt es so gut wie keine Hinweise auf konkrete Aktivitäten von Frauen für Frieden. Der Verein für Frauenstimmrecht, der sich als Nachfolgegruppe des 1909 aufgelösten Vereins ‚Frauenwohl‘ einordnete, wurde sogar Mitglied im Frauenausschuss der Hamburgischen Kriegshilfe, äußerte sich aber seit 1915 stets kritisch zum Krieg. Der Verein unterstützte grundsätzlich nur Zivilpersonen, die von den Kriegsereignissen betroffen waren, z. B. sammelte er Spenden für inhaftierte deutsche Frauen und Kinder in Südfrankreich. Direkte Unterstützung von Truppenteilen oder ähnliches wurde dagegen abgelehnt. Die Vereinsmitglieder blieben also der Tradition der Radikalen treu und insofern ist zu vermuten, dass sie auch die Initiativen der ehemaligen Hamburgerin Lida Gustava Heymann unterstützten. Diese lebte inzwischen mit Anita Augspurg in München und beide waren aktive Vertreterinnen des Pazifismus. 1915 gehörten sie zu den Teilnehmerinnen des ersten Internationalen Frauen-Friedenskongresses in Den Haag. Die Kongressteilnehmerinnen gründeten ein Komitee sowie mehrere nationale ‚Frauenausschüsse für dauernden Frieden‘, die die pazifistische Frauenarbeit international und national voranbringen sollten. Den Ausschuss für Deutschland begründeten u. a. Heymann und Augspurg. 1919 ging aus diesen Ausschüssen die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit hervor.
Auch die Sozialdemokratie spaltete sich an der Frage, wie der Krieg einzuschätzen sei. War die große Mehrheit der SPD zunächst noch bereit, die deutsche Regierung im Krieg bedingungslos zu unterstützen, so mehrten sich doch ab 1915 die Stimmen, die den Krieg und vor allem die Politik der Parteiführung kritisierten. Der ‚Burgfrieden‘ und die Unterstützung der SPD für die Kriegskredite gerieten innerparteilich immer stärker unter Beschuss. 1917 gründete eine Reihe von Dissidenten dann die Unabhängige SPD, die sich als revolutionäre und pazifistische Alternative zur SPD verstand. (…)
Für die bürgerliche Frauenbewegung in Hamburg waren die diskriminierenden Erfahrungen in der Kriegsarbeit sowie der Gedanke, die im Krieg hergestellte Einheit unter den Frauen solle auch in Friedenszeiten gewahrt bleiben, Motivation für einen weiteren Zusammenschluss. Als Nachfolgeorganisation für den Frauenausschuss der HK wurde am 25. November 1915 der Stadtbund hamburgischer Frauenvereine gegründet.“[2]