Fasia Jansen Fasia Augusta Jansen
(6.6.1929 Hamburg – 29.12.1997 Oberhausen)
Politische Liedermacherin, Friedensaktivistin, Verfolgte des NS-Regimes
Fasia-Jansen-Stiftung
Billhorner Kanalstraße 34 (Wohnadresse der Mutter Elli Jansen)
Ecke Billhorner Röhrendamm (Wohnung der Familie Bracklow mit „Fassja“)
Frauenthal 14 (1941-1943 Ausbildung als Tanzelevin in der ehemaligen Sauer-Schule, Leitung Anneliese Sauer)
Ausschläger Elbdeich 52 („Schwedenhaus“, Behelfsheim von Mutter Elli, Albert und Bruder Michael, wohin Fasia wiederholt reiste, zumal als sie ihre Nichte Angelika ab 1971 an Mutter statt versorgte)
Sie galt als Exotin: Die uneheliche Tochter des Momolu (auch: Mamulu) Massaquoi und der deutschen Hausangestellten Elli Emma Anna Jansen. Momolu Massaquoi war Generalkonsul von Liberia und damit der erste Repräsentant eines unabhängigen afrikanischen Staates in Europa. „Die Familie des Generalkonsuls gehörte zu den fünf reichsten Familien seines Landes, meine Familie zählte zu den ärmsten Familien Europas“, erinnerte sie sich später an eine der vielen Paradoxa in ihrem Dasein. Und über ihre Geburt: „Da erschrak Elli, als die Krankenschwester ihr das Kind zeigte. Es war so dunkel. ‚Hast du denn gedacht, dass ich weiß würde?’, fragte Fasia ihre Mutter“. Der Generalkonsul war „ein schöner, eleganter Mann“, wie die Mutter betonte; die Mutter ebenfalls eine auffallende Erscheinung. Er führte ein offenes und tolerantes Haus in der Johnsallee in Hamburg-Rotherbaum, wo täglich Gäste aus aller Welt aus- und eingingen: „Anlaufstelle für Menschen, die sich mit der Zukunft Afrikas beschäftigten, auch afrikanische Revolutionäre, die von der Vision erfüllt waren, den Kontinent vom Kolonialismus zu befreien (Achenbach 2004, S. 191). Einer seiner Söhne hatte mit einer Hamburgerin einen Sohn: Fasia Jansens Vater war der Großvater des Journalisten und Schriftstellers Hans-Jürgen Massaquoi (1926 Hamburg – 2013 Jacksonville/Florida). Obwohl Fasia und Hans-Jürgen in Nachbarschaft zueinander aufwuchsen, kannten sie sich nicht persönlich.
Konsul Massaquoi brachte Elli zur Entbindung in eine Hamburger Privatklinik und hätte das Kind Fasia gern in seine Familie aufgenommen. Doch im selben Jahr wurde er wegen politischer Unruhen in seine Heimat zurückgerufen. „Und als die Nazis die Macht in Deutschland übernahmen, war die kleine Fasia als ‚nicht-arisches’ Kind eine Provokation und in ständiger Gefahr“ (vgl. Achenbach 2004, Kapitel „Schwarz“ – Hamburg 1929-1944, S. 1 sowie S. 10/11). Fasia musste sich schon früh Hänseleien, Pöbeleien und doppelte Ausgrenzung aufgrund ihrer Hautfarbe und wegen ihrer unehelichen Geburt gefallen lassen. Ellis Mutter, Großmutter Augusta Bujacz („Oma Bujacks“ hatte die Gabe, in jeder Lage Geborgenheit und Zuflucht zu bieten), handelte gleich in der Klinik den Unterhalt aus, fügte dem Wunschvornamen des Vaters „Fasia“ auf dem Standesamt eigenmächtig ihren Vornamen „Augusta“ hinzu und verteidigte zu Hause die Enkelin gegen die Angriffe des Großvaters. Später fand sie eine eigene Wohnung für Mutter und Tochter „auf’m Elbdeich“. Am Billhorner Röhrendamm lebten sie ab 1935 nach der Eheschließung von Mutter Elli mit Albert Bracklow: „Onkel Albert, der ihr Vater wurde, erklärte ihr: Es kommt nicht auf die Hautfarbe an. Die Menschen sind gleich. Er stärkte sie: Eines Tageswerden wir eine gerechtere Welt haben’ (...) Der mochte mich, ist wahnsinnig nett zu mir gewesen, hat mich behandelt wie sein eigenes Kind. Wenn wir mal zusammen in der Straßenbahn waren und die Leute machten so höhnische Bemerkungen – das hör ich noch wie heute – da ging es: Owamba, Owamba, das Negerweib, und dann Hu-hu-hu-hu! – (...) dann hat mein Vater mich angeguckt, hat gesagt: Alles geistig Minderbemittelte, Fasia!’. Albert war Schlosser, arbeitslos, Witwer und brachte einen Sohn mit in die Familie, Fredi, acht Jahre älter als Fasia“ (Achenbach 2004, S.14). Nach der Heirat wurde die gemeinsame Tochter Rita geboren, nun waren sie zu fünft.
Die im Hamburger Arbeiterviertel Rothenburgsort aufgewachsene Fasia Augusta Jansen lernte den Rothenburgsorter Slang, sie sprach Missingsch mit rollendem „R“, und sie lernte sich durchzusetzen, auch gegen Jungen. In der Zeit des Nationalsozialismus durchlebte sie die Probleme eines offensichtlich „nichtarischen“ Menschen. Ziehvater Albert Bracklow war Kommunist, wurde zweimal von der Gestapo verhaftet, in Fuhlsbüttel interniert und weiterhin observiert. Schriftlich wurde ihrer Familie eine Art Tauschgeschäft vorgeschlagen: Fasia sollte angeblich zu ihrer Familie nach Afrika. Vermutlich wollte man ihren Vater dann in Ruhe lassen. Als sie 11 Jahre alt war, wurde sie zum Gesundheitsamt beordert, wo sie ein Injektion erheilt, nach der sie schwer erkrankte. Ihre Eltern gerieten in Panik; wollte man etwa das nicht-arische Mädchen sterilisieren (ein Schicksal, welches hunderte farbiger Kinder im Rheinland erlitten haben, vgl. Achenbach 2004, S. 24)?
Ihre an Josephine Baker orientierte Hoffnung, ihr Leben mit Musik und Tanz zu bestreiten, wurde vorerst zerstört, als sie 1940 mit 11 Jahren – nach anderthalb Jahren Ausbildung – aus der Theatertanzschule Anneliese Sauer im feinen Harvestehude herausgeworfen wurde. Ihr Stiefvater Albert Bracklow hatte eigens für sie zu Hause einen doppelten Fußboden für einen Probenraum gelegt: Fasia war zartgliedrig, musikalisch, anmutig und für’s Tanzen sehr begabt. Daraufhin machte Vater Albert Überstunden, um ihr ein Schifferklavier zu kaufen, das sie schnell handhaben konnte; die Melodien spielte sie aus dem Gedächtnis.
Mit dem lapidar klingenden Kapitel „Die Küche, Hamburg 1944/45“ eröffnete die Biographin Marina Achenbach in ihrem Buch die dunkle, die grausige Zeit in Fasias Leben, worüber die Künstlerin lange nicht sprach: „Im Sommer 1944 wird sie per Post von der Geheimen Staats-Polizei Gestapo aufgefordert, in der unterirdischen Munitionsfabrik Düneburg (westlich von Geesthacht, gehörte zu Alfred Nobels Dynamitfabrik Krümmel, CG.), zu arbeiten, „wo ich in einer Baracke für verschleppte Fremdarbeiter untergebracht worden wäre, die dort zu Tausenden malochten. Nach langen Verhandlungen kam ich stattdessen in die Küche“ (Achenbach 2004, S. 28): Sie wurde zum Zwangsdienst in der Küche des Außenlagers Rothenburgsort des KZ Neuengamme gezwungen. Die Fünfzehnjährige erlebte sowohl die Brutalität der SS als auch die Verzweiflung der Häftlinge – Erlebnisse, die ihr Leben entscheidend traumatisch prägten. Später erinnerte sie sich: „Die KZler vom Außenlager Neuengamme kamen den Röhrendamm entlang, sie mussten in der Stadt Trümmer aufräumen. Ich hatte sie oft gesehen. Wir hörten immer schon ihre Holzpantinen. Sie hatten so dünne Beine“. Hinter dem erbärmlichen Tross zog sich eine Blutspur. Als sich Fasia in der „Küche“ meldete, erlebt es sie folgendes: „’Wir kochen hier für ein paar hundert Ausländer’, erklärt ihr eine etwa 70-jährige Frau, ‚französische Kriegsgefangene fressen das nie, aber hier kommen nur Ostarbeiter her, Polen und Russen. Jetzt kriegen die Polenweiber aus Neuengamme das, was übrigbleibt. Die sind wild auf die Brühe. Du bringst das hin und her. Weiter nichts’. So mit sechs Personen haben wir dann vergammelte Rüben und faule Kartoffeln geputzt. Die Hütte war viel zu eng, das Tor musste aufbleiben (...) Der große Herd, drei braune Riesentöpfe, der Dunst, der Gestank, die kleinen Fenster (...) Hier saß ich nun, zwangsverpflichtet als Nicht-Arier, mit Nikolai aus Odessa und Sergej und Jean, einem französischen Kriegsgefangenen. Frau Kappler, die Frauenschaftsleiterin unseres Stadtteils, nahm ihre Aufgabe ernst und tauchte auf, um zu kontrollieren, ob ich voll eingesetzt war. ‚Du weißt ja’, sagte sie zu mir, ‚sei fleißig oder du gehst ab’. Was habe ich bloß verbrochen, dass ich eine so dunkle Haut habe? Warum bin ich nicht weiß wie die andern?
Die Arbeiter aus der Sowjetunion sangen Volkslieder, 20-30 Strophen, schwermütige Lieder waren das. Die gefielen mir unheimlich, ich habe mitgesummt.
(...) Da standen wir dann mit vier Eimern Brühe, vor uns 150-200 KZlerinnen. Wie sahen die aus – keine Gesichter – Fratzen – Totenköpfe mit etwas Haut und drängten sich um die Brühe“ (Achenbach, S.28/29).
Große Angst hatte Fasia vor der brutalen SS-Bewachung, die mit Holzlatten auf die Köpfe der Hungrigen schlug. „Aber ich sah die SS-Leute auch draußen, sie kauften sich schon mal Zigaretten bei Wilma Schmidt (Mieterin der Baracke mit Küche und „Mittagstisch“). Ich hörte, wie sie sich dort unterhielten, da waren sie ganz normale Männer. Andere Stimmen, andere Gesichter. Sie hassten alles, was nicht so fühlte wie sie “ (Achenbach 2004, S.29). Während ihrer Zwangsarbeit im Konzentrationslager zog sich Fasia ein Herzleiden zu, unter dem sie für den Rest ihres Lebens litt.
In der jungen Bundesrepublik versuchte Fasia Jansen, die Erfahrungen aus dem Lager zu verarbeiten und das Andenken der Toten und ihrer Ideale aufrechtzuerhalten. In der Nachkriegszeit galt sie juristisch als „nicht verfolgt“, erhielt keine Entschädigung. Die Stadt Hamburg erkannte ihr jedoch sofort nach dem Krieg den Status einer politisch und rassistisch Verfolgten zu (Achenbach 2004, S. 36). Sie begann wieder mit der Musik, zuerst in einem Hamburger Chor, später auch mit eigenen Liedern. Aus Protest gegen Adenauers Politik der Wiederbewaffnung schmuggelte sie mit gleichgesinnten Jugendlichen einen Holzsarg über die Elbe, den sie vor der Deutschen Werft in Finkenwerder platzierten: Geboren 1930, gestorben für Adenauer 1950, so diskutierten sie mit den Arbeitern. Später landete sie dafür in einer Einzelzelle.
Im Mai 1952 zog sie zur Familie Althoff ihrer Freundin Anna nach Oberhausen ins Ruhrgebiet. Sie waren einander bei Auftritten Fasias 1951 auf den Weltjugendfestspielen in Ost-Berlin begegnet. Von da an engagierte sich Fasia in den politischen Kämpfen der Zeit. Zu den Weltfestspielen 1957 in Moskau fuhr Fasia als Akkordeonspielerin – zwei Jahre später dann nach Wien. Sie trat bei zahlreichen Ostermärschen auf („Ich habe immer gesungen, aber so richtig sichtbar geworden bin ich bei den Ostermärschen“), damals sang sie zur Gitarre, unter anderem 1966 zusammen mit Joan Baez. Und sie spielte bei den großen Streiks vor den Werkstoren von Krupp, Hoesch oder Thyssen (Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!) und bei der Weltfrauenkonferenz der UNO in Nairobi. Als eine der wenigen Frauen zu dieser Zeit trat sie mit den bekannten Liedermachern ihrer Zeit auf den Burg-Waldeck-Festivals auf. Weithin bekannt wurde die Burg Waldeck bei Dorweiler/Hunsrück in den 1960er Jahren durch die internationalen Chanson- und Folklore-Festivals, die mit Namen wie Franz-Josef Degenhardt, Hannes Wader, Reinhard Mey, Hanns-Dieter Hüsch, Dieter Süverkrüp verbunden sind – Schnuckenack Reinhardt und internationalen Gruppen.
Jahrelang tourte sie mit ihrer Gruppe „Conrads“ durch die Bundesrepublik (Achenbach 2004, S. 102). Fasia erhielt zahlreiche Strafbefehle wegen Volksverhetzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt, aber immer wieder auch Angebote, Schlager und Chansons zu singen und damit kommerziell erfolgreich zu werden.
Auf den Evangelischen Kirchentag 1967 in Hannover und den Katholikentag 1968 war sie als Sängerin des politischen Protests eingeladen. Auch die Anti-Atom-Bewegung, den Protest gegen die sog. Nachrüstung der NATO, den öffentlichen Widerstand gegen die Notstandsgesetze etc. der 1960er-80er Jahre gestaltete sie mit. Mit ihrer dunklen Stimme, ihrem Soul, ihrer Aura faszinierte sie und agitierte sie. „Fasia Jansen – Klarseherin – Klarsagerin – Klarsängerin (...) ein herzliches und höchst lebendiges Beispiel dafür, dass so etwas nicht von gestern sein muss: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und klar Sister, Soulschwesterlichkeit“ (Tom Schroeder, Radiomoderator, Oktober 2004). Ihren letzten Geburtstag 1997 feierte Fasia im Kreise der Frauen aus Rheinhausen und von Hoesch: Sie hat uns dazu gebracht, dass wir Dinge taten, die wir uns vorher nie zugetraut hätten, schrieb die Hoesch-Frauen-Initiative. Mit dabei Elke Heidenreich und Bärbel Höhn (damals Ministerin für Umwelt und Naturschutz, Raumordnung und Landwirtschaft in NRW).
Fasia starb 1997 und wurde im Familiengrab der Familie Althoff in Oberhausen beigesetzt.
Ehrungen (kleine Auswahl):
– Fasia Jansen erhielt 1991 das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland.
– 2014 erhielt die städtische Gesamtschule in Alt-Oberhausen den Namen Fasia-Jansen-Gesamtschule
Text: Dr. Cornelia Göksu