Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Wiltrud Rehlen

(6. Juli 1930 in Regensburg - 8. Mai 1984 in Hamburg)
Diplomvolkswirtin, Politikerin
Bothmannstraße 16 (Wohnadresse)
Großlohering 19 A (Wohnadresse)
Neue Rabenstraße 31 (Wirkungsstätte: Haus Wedells)
Bestattet auf dem Rahlstedter Friedhof, Am Friedhof 11. Die Grabstelle wurde bereits aufgelöst.


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Wiltrud Rehlen; Quelle: privat

Wiltrud Rehlen gehörte zu den wenigen Frauen, die Anfang der 50er-Jahre – unter anderem in Harvard – studierten. Als promovierte Diplomvolkswirtin war sie von 1958 bis 1960 wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands in Bonn, nach weiteren Stationen beim Bundesministerium der Finanzen und bei der Großeinkaufsgesellschaft Deutscher Konsumgenossenschaften wurde sie Referentin im Amt für Wirtschaftspolitik der Behörde für Wirtschaft und Verkehr in Hamburg.
1963 trat Wiltrud Rehlen in die SPD ein und kandidierte 1965 auf der Landesliste Hamburg der SPD erfolglos für den Deutschen Bundestag. 1972 wurde sie Vorsitzende der Hamburger Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF).
Wiltrud Rehlen, fleißig, intelligent, gut ausgebildet und ehrgeizig, hatte es in der SPD schwer. Sie war eine Frau, die eher leise Töne anschlug und die es vermied, die „Waffen der Frauen“ einzusetzen. Die AsF-Frauen stützten sie, aber sie war ohne Hausmacht in der Partei und „blockiert von Leuten mit Ellenbogen“.[1] Das ging so weit, dass in ihrer Anwesenheit ein Landesvorstandsmitglied erklärte, er wolle ja gern eine Frau unterstützten, aber dies sei ja wohl nicht die ideale Bewerberin. [2]
Wiltrud Rehlen erhielt einen Nachrückerplatz auf der Kandidatenliste und als Werner Staak Senator wurde, rückte sie von 1974 bis 1976 in den Bundestag nach. Sie engagierte sich weiter für Frauen, wurde (bis 1980) Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen (ahf) (später Landesfrauenrat Hamburg) – des überparteilichen Zusammenschlusses der Hamburger Frauenverbände und war Mitglied des Verwaltungsrats des NDR.
Die Debatte über die Gleichstellung von Frauen hatte 1978 ihren Höhepunkt erreicht und Wiltrud Rehlen machte keinen Hehl daraus, dass ihr sehnlichster Wunsch war, die Leitung der neugegründeten Leitstelle für die Gleichstellung der Frau zu übernehmen. Allerdings wurde ihr die dynamischere Sozialdemokratin und Feministin Eva Rühmkorf vorgezogen und Wiltrud Rehlen erhielt als Kompensation die Leitung der Landeszentrale für politische Bildung. Damit war sie die erste Frau in der Leitung einer Landeszentrale. Von ihren Kollegen, den Leitern der Landeszentralen aus anderen Bundesländern, wurde sie bei den Konferenzen nicht sonderlich freundlich behandelt. „Ich bin denen nicht schön genug,“ vertraute sie bedrückt ihren Mitarbeiterinnen an. Dass die politische Bildung alles andere als frauenfreundlich war, kam erst Jahre später auf die Tagesordnung. [3]
Wiltrud Rehlen heiratete erst spät, ihren langjährigen Freund und ehemaligen Vorgesetzten im Amt für Wirtschaftspolitik. Es war ihr nicht vergönnt, dieses späte Glück lange zu genießen, sie starb mit 54 Jahren an Krebs.
Text: Helga Kutz-Bauer

Wiltrud Rehlens Witwer, Werner Gebauer-Rehlen, schrieb einen Aufsatz über seine Frau „In Memorian Dr. Wiltrud Rehlen (1930-1984)“, den er privat verlegte (befindet sich in der Bibliothek des Landesfrauenrates Hamburg) und aus dem zitiert werden soll.
„Sie war das erste Kind des Bankdirektors Ernst Rehlen und seiner Frau Erna, geb. Dilger. (…) Was mag dieser patriarchalisch gesinnte Mann wohl für die Zukunft seiner Tochter erhofft haben in einer Zeit, die über den Lebensweg einer Frau ganz andere Vorstellungen hatte als heute. Daß Wiltrud sich dereinst davon lösen und einen eigenen Weg gehen würde, war damals nicht vorauszusehen, musste aber später zu Konflikten mit dem Vater führen, dessen Gerechtigkeitssinn die Tochter jedoch hoch geachtet hat.
An sich galt Wiltrud als ein liebenswertes, ja sanftes Kind, dessen Intelligenz und Lernfreudigkeit die Eltern erfreute. Doch war ihr auch ein besonders starker Wille, gepaart mit einer hohen Sensibilität zu eigen. Eigenwilligkeit als Vorwurf konnte da nicht ausbleiben. Doch waren damit auch die Voraussetzungen gegeben, sich in ihrer Eigenart zu behaupten. Kennzeichnend hierfür ist ihre weitgehende Verweigerung gegenüber all dem, was von weiblichen Kindern sonst erwartet und geschätzt wird. Sie spielte lieber mit Soldaten als mit Puppen. Ihre Leidenschaft aber waren Bücher. Dieser Lesehunger war erst zu stillen, als das Amerikahaus in Regensburg eröffnet wurde. Dadurch konnte sie ihr Wissen weit über das hinaus erweitern, was die Schule zu bieten vermochte. Trotz dieser Ablenkung blieb sie eine gute Schülerin, ja brachte es fertig, das Abitur an der Mädchenoberrealschule ihrer Heimatstadt als einzige ihrer Mitschülerinnen 1950 mit dem fakultativen Großen Latinum zu bestehen. (…)
Wiltrud Rehlen hat Dankbarkeit als eine hohe Tugend geschätzt. Die damit verwandten Eigenschaften der Treue und Loyalität galten später als ihre besonderen Kennzeichen. Wenn sie verletzt wurden, was in Beruf und Politik nicht auszubleiben pflegt, hat sie das schmerzhaft empfunden. Doch lernte sie bald, sich mit einer Distanz zu umgeben, die zuweilen als Unnahbarkeit erscheinen mochte. (…)
1954 bestand sie die Diplomprüfung für Volkswirte mit der Gesamtnote ‚gut‘. (…) Daß Wiltrud nicht nur ein Examen gut bestanden hatte, sondern der Teilnahme an einem wissenschaftlichen Forschungsprojekt für fähig gehalten wurde, sollte sich bald zeigen. Als ein Arbeitsteam zur Erstellung einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Bundesrepublik Deutschland für 1953 zusammengestellt wurde, erhielt sie die Bearbeitung des Sektors ‚Staat‘ und verschiedene Dienstleistungsbereiche zugeteilt. Als nunmehrige wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ökonomischen Institut der Universität [Heidelberg] hatte sie damit Zeit gewonnen, ihre Promotion zum Dr. rer. pol. Vorzubereiten, die am 30. Juli 1956 mit der Note ‚magna cum laude‘ erfolgte. Das von ihr bearbeitete Thema lautete: ‚Das Problem der Branchenkonjunkturen und der laufende Staatsbedarf als Interventionsmittel‘. (…) [Es folgte dann eine Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands in Bonn; dazwischen – 1958 – ein einjähriger Studienaufenthalt in den USA] nach Cambridge, Mass., um an der Universität Harvard ihr Wissen in den Fächern Wirtschaft und Politik zu vertiefen. (…) Sie arbeitete konzentriert und konnte dieses Studienjahr mit dem Grad eines Master of Public Administration (M.P.A.) abschließen. (…)
Am 1. Oktober 1960 trat sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in das Bundesfinanzministerium ein. (…) [Ihr wurde] das Referat ‚Europäische und internationale Finanzpolitik‘ anvertraut (…). Obwohl sie bald Hilfsreferentin geworden war und eine baldige Verbeamtung zu erwarten hatte, gab sie diese Stellung am 30. Juni 1962 auf.
Dieser Entschluß, eine sichere Laufbahn in einer hohen Bundesbehörde abzubrechen, scheint so gar nicht der in ihrem Leben bisher eingehaltenen Folgerichtigkeit zu entsprechen. Äußerer Anlaß dazu war zwar auch ein Zufall: Von einem Hamburger Großunternehmen war ihr eine Stellung angeboten worden, in der ihre Vertrautheit mit den Problemen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft praktisch genutzt werden sollte. (…) Selbst an unternehmerischen Entscheidungen beteiligt zu sein, lockte sie ungemein. Vielleicht hätte sie das Angebot ausgeschlagen, wenn sie nicht die Nähe ihres späteren Lebensgefährten gesucht hätte, der aus beruflichen Gründen schon vorher nach Hamburg gegangen war. So packte sie ihre Bücher und Habseligkeiten in ihren alten Volkswagen und fuhr nach Hamburg zur Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Konsumgenossenschaften (GEG) (…).
Alles wäre gut gegangen, wenn Wiltrud nicht die prekär gewordene Lage der GEG bald erkannt und auf eine grundlegende Umstellung der Geschäftspolitik gedrängt hätte. Wiltrud sollte mit ihren Warnungen recht behalten, denn die GEG gibt es heute nicht mehr. (…) Nach der gemeinsamen Feststellung, daß keine Übereinstimmung zwischen ihr und dem Vorstand der GEG erzielt werden konnte, kündigte sie ihre Stellung. Dadurch stand sie beruflich unvermittelt im Leeren. Zum Glück ließ sich in Erfahrung bringen, daß zu gleicher Zeit die Errichtung eines Amtes für Wirtschaftspolitik in der Hamburger Behörde für Wirtschaft und Verkehr (…) im Gange war. Sie bewarb sich um Einstellung, die am 1.9.1964 erfolgte. (…)
Daß Wiltrud schon bald nach der Übersiedlung nach Hamburg in die SPD eingetreten ist, hatte mit ihrem Beruf nichts zu tun, denn dafür hätte sie keiner politischen Empfehlung bedurft. Höhere Beamtin ist sie ohnehin geworden: Regierungsrat 1971, Oberregierungsrat 1972. (…)
Ihr Eintritt in die SPD ist am 1.4.1963 erfolgt, also zu einer Zeit, da sich abzuzeichnen begann, daß der Friede in Europa nur durch eine neue Ostpolitik der Bundesrepublik zu sichern sein würde. In ihrer Vorstellung konnte dies nur eine Regierung unter Führung der SPD erreichen. (…)
Man kann nicht sagen, daß Wiltrud es leicht gehabt hätte, sich in der Hamburger SPD durchzusetzen. Süddeutsches Herkommen und Tonfall waren da nicht eben förderlich. Und für Männer war sie nicht der Typ des guten Kumpels und in den Augen mancher auch nicht schön genug. Als ihr das ein besonders Einflußreicher einmal massiv vorhielt, meinte sie nur: ‚Dann sucht euch halt eure Kandidatinnen aus dem Eros-Center heraus.‘
Anders stellte sich ihre Situation bei den sozialdemokratischen Frauen dar, die eine jüngere Kraft brauchten, um auch für junge Frauen attraktiv zu werden. Die erste Zeit als Vorsitzende endete freilich mit einem Rückschlag: Sie musste trotz ihrer für sicher gehaltenen Wiederwahl der älteren Vorgängerin wieder Platz machen. (…) Der Lohn des Wartenkönnens blieb nicht aus: Als 1972 die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen gegründet wurde, war sie von 1972 bis 1978 deren Vorsitzende. Danach stellte sie sich nicht mehr zur Wiederwahl, blieb aber Mitglied des Vorstandes. Als solches hatte sie die ASF bei der Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen (AHF) zu vertreten.
In dieser Organisation waren 60 Hamburger Frauenverbände sehr unterschiedlicher Art vertreten. (…) Wiltrud hatte sich nun in dieser vielschichtigen Vereinigung durchzusetzen, in der eigene Parteimitglieder weniger stark vertreten waren. Dennoch wurde sie bald zur Vorsitzenden des Vorstandes gewählt. (…) Die hier gemachten Erfahrungen haben sie den hohen Wert der Toleranz schätzen gelehrt. Darum wurde die Situation der Frauen in Parteistaat und Gesellschaft für sie auch zu einem Problem der Toleranz, d. h. sie kämpfte zwar auch für die Durchsetzung bestimmter Forderungen, etwa für die Abschaffung des § 218, entscheidend wichtig aber war ihr die grundsätzliche Gleichstellung von Mann und Frau. Radikal zu denken und zu handeln war ihr fremd. Aber sie konnte auch einmal mit radikaler Ironie formulieren, um ein Problem voll anzuleuchten. So antwortete sie einem General, der sie fragte, ob sie für die Frauen in der Bundeswehr sei oder nicht: ‚Ja, wenn ich wie jeder männliche Offizier die Chance habe, kommandierender General zu werden‘. Daher hat sie in der Schaffung einer ‚Leitstelle‘ für die Gleichberechtigung der Frau (…) und ihrer hohen Einstufung und Einbindung in die Senatskanzlei der Freien und Hansestadt Hamburg die Krönung aller Mühen um die Durchsetzung des im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgebotes für Frauen gesehen. Alles andere, meinte sie, hänge dann eben von der Durchsetzungskraft der Persönlichkeit ab, die diese Stelle bekleidet. Das müsse nicht unbedingt eine Frau sein. Keinesfalls wollte sie Gleichstellung mit arithmetischer Parität verwechselt wissen. (…)
Wiltrud war jedoch politisch nicht nur eine ‚Frauenrechtlerin‘. Daher ist nun im Rückblick zu zeigen, wie ihr beruflicher und parteipolitischer Weg parallel zu ihrem Wirken in den beiden Frauenorganisationen verlaufen ist. Als Vorsitzende der ASF ist sie 1972 in den Hamburger Landesvorstand der SPD gewählt worden, schließlich auch in den geschäftsführenden. Sie machte sich jedoch keine Illusion darüber, daß dies an sich noch keine erhöhte Einflußnahme bedeutete, Immerhin aber wählte sie der Landesvorstand auf den ersten Listenplatz für die Wahl zum 7. Deutschen Bundestag. Zwar reichten die Wählerstimmen noch nicht aus, um sogleich nach Bonn gehen zu können, doch durfte sie schließlich am 14.11.1974 anstatt eines in den Hamburger Senat berufenen SPD-Bundestagsmitgliedes in den Bundestag nachrücken. Es verblieb ihr allerdings nur eine halbe Legislaturperiode, um sich als Parlamentarierin in Bonn zu bewähren. Ihre Fraktion entsandte sie in den Rechtsausschuß, obwohl ihr der wirtschaftspolitische lieber gewesen wäre. (…)
Wiltrud hat die politischen Erfahrungen hoch geschätzt, die sie in diesen beiden Jahre als Mitglied des Bundestages machen konnte. Der Versuch, eine Wahlkreiskandidatur für den nächsten Bundestag zu erreichen, ist mißlungen. Sie hatte die zerstrittenen Flügel ihres Wahlkreises für ein Programm der Mitte zu gewinnen gesucht. Vergeblich! Doch brauchte sie ihr gescheitertes Unternehmen nicht zu bedauern, da Opportunismus nach der einen oder anderen Seite hin nicht ihre Sache war.
Die Rückkehr von Bonn nach Hamburg brachte Schwierigkeiten. Ihre Stelle im Etat der Behörde für Wirtschaft und Verkehr war gestrichen worden, so daß ihrem Recht auf Wiedereinstellung nur durch Einrichtung eines neuen Referates für verbraucherpolitische Fragen Rechnung getragen werden konnte. Dadurch sah sie sich auf ein wirtschaftspolitisches Nebengleis abgedrängt. Darüber konnte sie ihre schließlich am 1. Januar 1978 erfolgte Beförderung zum Regierungsdirektor nicht hinwegtrösten. Noch in diesem Jahre aber sollte es das Schicksal doch noch gut mit ihr meinen. Nach den Hamburger Bürgerschaftswahlen im Sommer 1978 und der Bildung eines neuen Senats musste die Stelle eines Leitenden Regierungsdirektors bei der Senatskanzlei neu besetzt werden, dessen besondere Aufgabe die Leitung der Landeszentrale für politische Bildung war. Nach Anhörung durch die zuständige Deputation wurde ihre Bewerbung am 18.9.1978 positiv entschieden. Am 2. Oktober ist sie dann in ihr neues Amt eingeführt und am 1.4.1979 zur leitenden Regierungsdirektorin befördert worden.
Die reichlich fünf Jahre in der Landeszentrale hat sie reich gefüllt und keinen Augenblick an eine weitere Beförderung gedacht. (…) Die anfängliche Reserve der männlichen Kollegen, die eine Frau als Chef nicht gewohnt waren, ließ sich rasch überwinden. Daß zwei ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter je einer anderen Partei angehörten – denn die Landeszentrale war der Satzung nach ein überparteiliches Amt –, war für Wiltrud kein Problem. Ungefähr zur gleichen Zeit war sie ja auch zur Vorsitzenden der ebenfalls nicht parteigebundenen AHF gewählt worden. (…) [1983 erkrankte sie an Krebs]
Trotzdem hat sie neben den Aufgaben in der Landeszentrale auch ihre ehrenamtliche Tätigkeit als Mitglied des Norddeutschen Rundfunkrates (NDR) weiter wahrgenommen, in den sie nach Inkrafttreten des neuen Staatsvertrages zwischen den drei norddeutschen Ländern von der Arbeitsgemeinschaft Hamburger Frauenorganisationen gewählt worden war. Sie gehörte dem Programmausschuß an und war Vorsitzende der Sprachkommission, deren Anliegen sie sich mit besonderem Einsatz gewidmet hat. (…)
Wiltrud ist gestorben, wie sie gelebt hatte: bewußt, furchtlos und geistig hellwach. (…) Am Mittag ihres Todestages – dem 7. Mai – war sie vom Hausarzt noch punktiert worden, um ihr das Atmen zu erleichtern. Das Angebot einer beruhigenden Spritze, die sie diesmal wohl für eine Morphiumspritze gehalten hat, wies sie jedoch mit energischen Handbewegungen zurück. Um keinen Preis hatte sie bewußtlos sterben wollen und auch nicht in einer Klinik, sondern zwischen ihren geliebten Büchern und Bildern. (…)
Sie hat erst spät geheiratet – am 16. Juli 1979, und sie hat diese neue Einordnung in die Gesellschaft sehr ernst genommen. Ihre Ehe faßte sie mehr im altrömischen als im christlichen Sinne auf, d. h. die Sanktionierung durch den Staat war ihr maßgebend, wie überhaupt die von Lassalle überkommene staatliche Basis ihrer Partei für sie zunehmend wichtig geworden ist. Es musste für sie etwas geben über den Parteien und Bekenntnissen, das wie die altrömische ‚res publica‘ – wir nennen es ja auch heute wieder Republik – in Notzeiten stark genug sein sollte, um Schaden vom Volk abzuwenden. Darum hat sie sich auch so wohl gefühlt als Leiterin der überparteilichen Landeszentrale für politische Bildung. (…)“
(Dr. Werner Gebauer-Rehlen: In Memoriam Dr. Wiltrud Rehlen (1930-1984), in: Die Rehlen-Sippe. Familienberichte aus Vergangenheit und Gegenwart. 1957 begründet von Ernst Rehlen (1892-1967). Herausgegeben vom Forscherkreis der Rehlen-Sippe. Nr. 46, 1984, S. 139-146. Zu finden in der Hamburger Frauenbibliothek.)