Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Helga Zakrzewski

(21.3.1930 Stettin – 8.2.1955 Hamburg)
Kauffrau, Geschäftsführerin des Gondel-Filmtheaters in Hamburg

Adressen:
Sierichstraße 97 (ehemalige Anschrift des Programmkinos „Gondel“ in Winterhude und Wohnadresse Februar bis August 1952)
Adressen in Hamburg nach 1951, jeweils zur Untermiete:
Amandastraße 73 in Eimsbüttel (bei der Familie Linenkamp),
Ebertallee 12, bei einer Familie in Groß-Flottbek
Lesserstraße 52 in Wandsbek (bei der Familie Wolinski)
Sierichstraße 76, 1. Stock, bei Familie Dengel (letzte Wohnadresse ab August 1952)
(alle Angaben aus Qu.1)


Eltern: Otto Zakrzewski, geb.1.10.1894 in Pasewalk/Vorpommern, ihre Mutter hieß Joseffa, geb. Litkowski, geb. 29.12.1896 in Lübeck [1]
So beschreibt der Filmhistoriker, Diplom-Bibliothekar und Mitarbeiter des Staatsarchivs Hamburg, Volker Reißmann, das Ergebnis eines seiner historischen Fundstücke: „Ein trauriges Gegenbeispiel für eine offenkundig wohl gescheiterte Kinoleiterin lieferten kürzlich die Recherchen für einen Beitrag in der Vereinszeitschrift „Hamburger Flimmern“ im vergangenen Jahr zum ehemaligen Programmkino „Die Gondel“ in der Sierichstraße in Winterhude [2]: Hier übertrug der Inhaber Herbert Steppan die Theaterleitung nach der Eröffnung im Februar 1952 der erst 25-jährigen Kauffrau Helga Zakrzewski, die offenkundig große Probleme hatte, eine Stammkundschaft an das neue Kino zu binden und auch bei der Filmauswahl offenkundig den ein oder anderen Fehlgriff beging … Zudem wurde sie vermutlich zwischen den beiden dominanten männlichen Inhabern (Steppan hatte 1953 noch den Berliner Kinobetreiber Walter Cartun mit als Co-Geschäftsführer eingebunden) förmlich zerrieben, litt vielleicht auch noch unter dem Trauma ihrer Flucht im Zweiten Weltkrieg und beging dann ausgerechnet am Tag des dritten Kinogeburtstags der „Gondel“, am 9. Februar 1955, Selbstmord in ihrer Wohnung [derartige Vorkommnisse sind im Staatsarchiv bekanntermaßen in der Rubrik „Unnatürliche Sterbefälle“ der Polizeibehörde dokumentiert [3]; das sicherlich ursprünglich auch einmal angefertigte Protokoll der Polizeiwache in Winterhude über ihren Selbstmord vom 8. Februar 1955 ist zweifellos längst vernichtet (1); aber immerhin hat sich der besagte Sterbefall-Eintrag im Staatsarchiv Hamburg [4] bis heute erhalten].
Man muss übrigens bei den Recherchen bezüglich des Namens „Helga Zakrzewski“ sehr aufpassen: Es gibt bzw. gab in Deutschland im fraglichen Zeitraum mehrere Trägerinnen dieses gemeinsamen Vor- und Nachnamens (...). Die ‚richtige’ Helga Zakrzewski ist jedenfalls am 21. März 1930 in Stettin geboren (dortiges Geburtsregister-Nr. I/658/30), wo sich auch ab 1. September 1939, dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, ihr offizieller Wohnsitz befand. Ihr Vater hieß Otto Zakrzewski und wurde am 1.10.1894 in Pasewalk/Pommern geboren, ihre Mutter hieß Joseffa, geb. Litkowski, und wurde am 29.12.1896 in Lübeck geboren. Über ihre Flucht aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten am Ende des Zweiten Weltkriegs liegen keine genauen Angaben vor; die Familie hat sich aber offenkundig Ende der 1940er Jahre wohl zunächst in Düsseldorf angemeldet (belegt durch einen Eintrag vom 13. Dezember 1949 vom sogenannten „Combined Travel Board“ [5], es gibt im Staatsarchiv leider auch keine Unterlagen über ein eventuelles Entnazifizierungsverfahren). Anfang der 1950er Jahre hat sich Helga Zakrzewski dann offenbar zur Verbesserung ihrer Fremdsprachenkenntnisse einige Zeit in England aufgehalten (Berg Hall Helmingham/Suffolk).
Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland im Februar 1951 wohnte sie zunächst bei verschiedenen Familien zur Untermiete: In der Amandastraße 73 in Eimsbüttel (bei der Familie Linenkamp), bei einer Familie in Groß Flottbek in der Ebertallee 12 und schließlich in der Lesserstraße 52 in Wandsbek (bei der Familie Wolinski). Sie hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Ausbildung zum kaufmännischen Lehrling absolviert. Wie und wo sie aber den Harburger Filmkaufmann Herbert Steppan, den Gründer des Kinos, Ende 1951/Anfang 1952 kennengelernt hat, lässt sich nicht mehr klären.
Belegt ist lediglich, dass sie ab dem 8. Februar 1952, dem Eröffnungstag der „Gondel“, dann in der Sierichstraße 97 als Untermieterin zu Herbert Steppan zog, der zu diesem Zeitpunkt dort in der Einliegerwohnung neben seinem neuen Lichtspieltheater lebte. Was sie bewog, dort bereits im August 1952 wieder auszuziehen und ab diesem Zeitpunkt in der Nähe in der Sierichstraße 76, 1. Stock, bei einer Familie Dengel zur Untermiete zu leben, bleibt ebenfalls unklar. Die Kinoadressbücher aus diesem Zeitraum weisen sie jedenfalls bis einschließlich 1955 ausdrücklich als Geschäftsführerin der „Gondel“ aus. Belegt ist auch durch einen kurzen Artikel im „Hamburger Abendblatt“ die besagte Tränengasattacke anlässlich der Vorführung der recht zweifelhaften Weltkriegs-Dokumentation „Beidseits der Rollbahn“ am 24. August 1952 in der “Gondel” [6] – ein deutlicher Beweis dafür, dass sie bei der Programmauswahl nicht immer ein glückliches Händchen hatte. Belegt ist im Staatsarchiv zudem durch einen Eintrag im Handelsregister (Eintrag HRA 57149), dass Herbert Steppan am 28. Juni 1954 den Berliner Filmkaufmann Walter Cartun als Co-Geschäftsführer zur „Gondel“ holte (dieser betrieb Ende der 1940er Jahre zusammen mit Jeltheda Iderhoff kurze Zeit die „Stern-Lichtspiele“ auf St. Pauli; vgl. auch die Kurzbiografie in dieser Datenbank zu Jeltheda Fraukina Lümmy Iderhoff). Bei einem Interview [von Volker Reißmann, CG] mit Steppans dritter Ehefrau Ingeborg Herzog (geb. Oberhoff) im Jahre 2003 erzählte diese wenig schmeichelhafte Dinge über Walter Cartun, den sie selbst noch als langjährigen Geschäftspartner ihres Mannes Willi Herzog („Streits-Kino“) persönlich kennengelernt hatte.
Was nun genau zum Selbstmord von Helga Zakrzewski am 8. Februar 1955 geführt hat, muss ungeklärt bleiben, bzw. man kann aus heutiger Sicht darüber nur Vermutungen anstellen: Nicht abwegig erscheint die Theorie, dass es geschäftliche Sorgen waren, vielleicht verbunden mit einem Konflikt mit dem als sehr schwierig geltenden neuen Co-Inhaber Cartun. Vielleicht spielte auch eine unglückliche private Beziehung eine Rolle – wie auch immer, da scheint vieles möglich zu sein.
Fotos vom Kino „Gondel“ finden sich einige im Fotografennachlass Horst Janke (der heute im Staatsarchiv aufbewahrt wird); allerdings gibt es sich dort keinerlei Aufnahmen aus der Anfangszeit der „Gondel“, sondern erst aus der „florierenden Periode“ ab Ende der 1950er Jahre. Tragisch auch, dass sich erst nach dem Ableben ihrer Geschäftsführerin die Betreiber Steppan und Cartun endlich zum Handeln gezwungen sahen und dem Kino 1958 eine grundlegende „Schönheitskur“ verpassten (kein geringerer als der seinerzeit bekannteste Hamburger Kinoarchitekt Joachim Glüer hat den Umbau persönlich geleitet). Und die großen Erfolge als eines der wichtigsten Hamburger Programmkinos der 1960er Jahre stellten sich dann auch erst nach diesem Umbau, also drei Jahre nach ihrem Tod, ein.
Soweit also die vorliegenden Fakten zur „Gondel“ und ihrer ersten Geschäftsführerin Helga Zakrzewski sowie ihrem traurigen Schicksal, verbunden mit einigen kleineren Spekulationen und Interpretationen …“ (Zitate aus: [1]). Volker Reißmann schloss seine Abhandlung: Wer sich mit Hamburger Kinos und ihren Betreiberinnen/Inhaberinnen befasst, wird auch alsbald noch beispielsweise auf die Namen Ranette Salfeld („Thalia-Kino“ in der Grindelallee), Milda Lucht (u.a. „Apollo-Kino“ Langenhorn) und Helene Meininger (diverse Kinos, u.a. „Europa-Palast“ Barmbek) stoßen, deren genauen Werdegang/Lebenslauf man sicherlich zu einem späteren Zeitpunkt auch einmal einer näheren Betrachtung unterziehen sollte [7].
Recherche & Text: Volker Reißmann (mit freundlicher Unterstützung von Jürgen Sielemann)
Redaktion: Dr. Cornelia Göksu