Fortschrittlicher Frauenverein Hamburg Fortschrittlicher Frauenverein Hamburg (FFH)
gegründet 1912
Nachfolgerin des Vereins Frauenwohl (radikale bürgerliche Frauenbewegung)
Paulstraße 25 (ehemals, heute hier die Europapassage)
Dieser Verein, schreibt Kirsten Heinsohn: „hatte sich aus der von Hedwig Weidemann geleiteten ‚Propagandazentrale‘ des Verbandes Fortschrittlicher Frauenvereine (VFF) in Hamburg entwickelt. Nach der Auflösung des Vereins Frauenwohl übernahmen die Propagandazentrale und der Verein Frauenstimmrecht seine Funktionen. (…)
Der Fortschrittliche Frauenverein Hamburg entfaltete nicht die gleiche öffentliche Aufmerksamkeit und umfangreichen Tätigkeiten wie der Verein Frauenwohl, da schon seit 1907 und 1908 die radikalen Frauenvereine im Deutschen Reich und auch in Hamburg an Relevanz innerhalb der Frauenbewegung verloren hatten. Die Gründe (…) sind vielschichtig. So vermutet Ursula Baumann, daß der Erfolg der Frauenbewegung, also die Steigerung der Mitgliederzahlen seit der Jahrhundertwende, den gemäßigten Teil der Vereine entscheidend gestärkt habe und die Radikalen daher eine (…) immer kleinere Gruppe wurden. Insbesondere die konfessionellen Verbände, genauer der DEF [Deutsch Evangelischer Frauenverein], waren ausschlaggebend für diese Entwicklung. Richard J. Evans nennt in seiner Arbeit über die bürgerliche Frauenbewegung mehrere Gründe: Der BDF [Bund Deutscher Frauenvereine] sei seit 1908 eindeutig nach rechts gerutscht, so daß die Radikalen mit ihren Positionen zunehmend marginalisiert worden seien. Liberale, an der Emanzipation des Menschen orientierte Auffassungen wurden durch sozialdarwinistisches Denken und die Begeisterung für autoritäre Maßnahmen ersetzt. (…)
[In Hamburg] wurde der radikale Flügel durch die Abwesenheit [Lida Gustava] Heymanns [ab 1906 nicht mehr in Hamburg] geschwächt sowie nach 1905 durch die internen Differenzen. Die radikalliberalen Auffassungen der Gründungsjahre wurden auch in den radikalen Vereinen Hamburgs nach 1905 undeutlicher, ohne daß dies zugleich eine Übernahme gemäßigter Positionen implizierte. Der Grund für diese Entwicklung lag (…) auch in der Struktur der hamburgischen Bürgergesellschaft selbst. Hatten schon die gemäßigten Ortsgruppen des ADF und ihre konservative Vorsitzende Helene Bonfort – zumindest in den ersten Jahren – große Schwierigkeiten, von den führenden Schichten der bürgerlichen Gesellschaft akzeptiert zu werden, so waren die Radikalen absolute Außenseiter, ohne Hoffnung auf Anerkennung. (…)
Nachdem sich auch in Hamburg der DEF etablierte, differenzierte sich die gesellschaftliche Wertschätzung von Frauenvereinen noch weiter aus: Der DEF galt als angemessener allgemeiner Frauenverein für die Frauen (und Männer) der politischen Eliten, während der ADF das liberale, konfessionell offene Bürgertum in Bildung und Kultur ansprach. Radikale Vereine dagegen erschienen zwar interessant, so daß die öffentlichen Vorträge zumeist sehr gut besucht waren, aber nur sehr wenige unabhängige Persönlichkeiten unterstützten diese Bewegung auch aktiv. (…)
Nachdem ab 1908 auch der BDF und der ADf aktiv für das Stimmrecht der Frau eintraten, (…) verringerten sich die inhaltlichen Unterschiede zwischen den gemäßigten und den radikalen Frauenvereinen in Hamburg. Ebenso waren die Streitpunkte zwischen den Gruppen, etwa der Vorwurf Lida Heymanns, die Ortsgruppe [des ADF] kümmere sich nicht um die gerade in Hamburg aktuelle Frage der Reglementierung der Prostitution, inzwischen teilweise entkräftet, obwohl nicht im Sinne der Radikalen gelöst. In den folgenden Jahren näherten sich die Radikalen und die gemäßigten Vereine etwas an (…).“[1]