Helene Bonfort Fanny Helene Bonfort
(10.3.1854 Hamburg - 5.6.1940 München)
Mitbegründerinnen der Ortsgruppe Hamburg des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins
Lebensgefährtin von Anna Meinertz
Garten der Frauen, Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756 (Erinnerungsstein)
Beselerstraße 8 (Wohnadresse)
Werderstraße 52 (Wohnadresse)
Helene Bonfort, die schon früh Kontakt zu den Führerinnen des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF) besaß, gründete 1896 zusammen mit ihrer Freundin Anna Meinertz die Ortsgruppe Hamburg des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins und war von 1896 bis 1900 und von 1904 bis 1916 deren Leiterin. In dieser Funktion musste sie starke Nerven und Durchsetzungsvermögen beweisen, denn sie stieß überall auf heftige Widerstände auf Seiten der Behörden und auf Seiten von Männern in so genannten Machtpositionen. So sagte ein Herr von Stumm 1901 von der Frauenbewegung: „Ich habe Macht, sie an die Wand zu drücken, und werde alles tun, dass es geschieht."
Nicht nur die Forderungen der Frauenbewegung nach Mädchenbildung und Zulassung zum Studium wurden abgewertet, allein schon die Bemühungen, in der Armenpflege mithelfen zu dürfen, provozierte Gegenwehr der in ehrenamtlichen Organen arbeitenden Männer. Sie wollten von einer Mitarbeit der Frauen nichts wissen und drohten ihr Amt niederzulegen, wenn weibliche Armenpflegerinnen in der staatlichen Armenpflege angestellt würden. Die Hamburger Behörde konnte deshalb nur die Zulassung von Helferinnen im Wohlfahrtsbereich erreichen.
Noch schwieriger war das Bemühen der bürgerlichen Hamburger Frauenbewegung, als es um die Einrichtung eines Mädchengymnasiums ging. Als Helene Bonfort diesbezüglich bei Bürgermeister Schröder vorstellig wurde, vergaß er ganz seine gute Kinderstube, bot ihr noch nicht einmal einen Stuhl an und versuchte sie mit den Worten abzufertigen: „Wenn es nach Ihnen ginge, würden alle Mädchen Latein lernen und meine Söhne müssten die Ascheimer auf die Straße tragen."
Über die Widerstände, die Helene Bonfort von Seiten der Männer erfuhr, äußerte sich auch der Richter und Kunstkritiker Gustav Schiefler, allerdings mit antisemitischen Anklängen: „Aber das Publikum, insbesondere der hamburgischen Gesellschaft gegenüber, hatte sie [Bonfort[ manche Widerstände zu überwinden: ein stark geprägtes jüdisches Äußere in Verbindung mit lautem, sehr lebhaftem Wesen und durchdringender Stimme schreckten bei oberflächlicher Bekanntschaft zurück; und die Tatsache, daß sie für eine, wenn auch beschränkte Erweiterung der Frauenrechte eintrat, genügte, daß die Männer und die kritiklos in ihrem Kielwasser schwimmenden Frauen sie lächerlich fanden und sich über sie lustig machten.“ (Gustav Schiefler: Eine Hamburgische Kulturgeschichte 1890-1920. Beobachtungen eines Zeitgenossen. Bearbeitet von Gerhard Ahrens, hans Wilhelm Eckardt und Renate Hauschild-Thiessen. Hamburg 1985, S. 297.)
Helene Bonfort ließ sich jedoch nicht abschrecken. Doch woher nahm sie diese Energie? Helene Bonfort kam aus einem liberalen jüdischen Elternhaus. Schon ihre Mutter gehörte zum Kreis um Emilie Wüstenfeld, der Frauenrechtlerin aus der Epoche der bürgerlichen Revolution von 1848 und war Mitbegründerin der Hochschule für das weibliche Geschlecht. So scheint die Tochter von der Mutter geprägt worden zu sein, obwohl Helene Bonfort ihre Eltern früh verlor und bei einem Onkel aufwuchs.
Helene Bonfort schlug die übliche Laufbahn einer bürgerlichen Frau, die ledig bleiben und erwerbstätig werden wollte, ein. Nach dem Besuch der Höheren Mädchenschule absolvierte sie eine Lehrerinnenausbildung und wurde mit 18 Jahren Lehrerin in der Paulsenstiftschule, deren Direktorin damals Anna Wohlwill war.
Während des Ersten Weltkrieges war Helene Bonfort Vorsitzende der 62 Vereine umfassenden Organisation des Frauenausschusses, der Hamburgischen Kriegshilfe und Leiterin der Frauenhinterbliebenenfürsorge. 1917 wurde die Soziale Frauenschule gegründet, für deren Zustandekommen sich Helene Bonfort jahrelang stark gemacht hatte. Zur Gründung spendeten Helene Bonforts Freundinnen das Kapital für Schulfreistellen, das in die zu diesem Zweck gegründete Helene-Bonfort-Stipendien-Stiftung einfloss.
Helene Bonfort wohnte mit ihrer Lebensgefährtin und Berufskollegin Anna Meinertz in der Beselerstraße 8 in Hamburg Othmarschen, wo sie auch nach dem Tod ihrer Freundin allein weiterlebte. Die Freundinnen hatten sich in Anna Meinertz Heimatstadt Düsseldorf kennengelernt, wo beide als Lehrerinnen angestellt waren. Anna Meinertz war die Tochter eines höheren Beamten. Bereits mit 16 Jahren arbeitete sie als Lehrerin und unterstützte die früh verwitwete Mutter. Schon bald wurde sie als erste Kraft im Schubert-Schmidt-Lyzeum in Düsseldorf eingestellt.
1881 zogen Helene Bonfort und Anna Meinertz nach Hamburg. Gemeinsam übernahmen sie die Leitung einer Höheren Töchterschule. Zwölf Jahre später zogen sie sich aus der pädagogischen Arbeit zurück und unternahmen eine zweijährige Studienreise nach Amerika, um sich über neue Organisationsmethoden der Volksbildung, Wohlfahrtspflege und Frauenbewegung zu informieren.
Zurückgekehrt gründeten sie in Hamburg die erste Volkslesehalle und am 27. Juni 1896 mit 25 Gleichgesinnten die Ortsgruppe Hamburg des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins. Die treibenden Kräfte des Vereins waren hauptsächlich Lehrerinnen. Die finanziellen Trägerinnen in den ersten Jahren waren dagegen mehr Damen der Gesellschaft, die entweder in ihrer Jugend durch die 48er Revolution geprägt worden waren, oder aber, beeinflusst durch ihre in der Bürgerschaft sitzenden Ehemänner, soziales Pflichtgefühl zeigten und Verbesserungen auf dem sozialen- und frauenpolitischen Bereich leisten wollten.
Das Gros der Hamburger Gesellschaft verhielt sich allerdings lange sehr ablehnend gegenüber den Frauen der gemäßigten Frauenbewegung. Aber mit ansprechenden Zeitungsartikeln und Broschüren weckte Helene Bonfort, die in der Zwischenzeit durch ihren Onkel, dem Redakteur des Hamburgischen Correspondenten, als erste Frau im journalistischen Bereich zur Hamburger Tagespresse gekommen war, das Interesse der Bevölkerung an ihrem Verein. Gleichzeitig unterstützte der Hamburgische Correspondent, unter Leitung von Prof. E. Francke, als erste Zeitung in Deutschland die Frauenbewegung durch fortgesetzte Aufnahme ihrer Mitteilungen sowie vom 15.9.1896 an durch Errichtung einer ständigen Abteilung für Frauenvereinsinteressen.
Wenige Jahre nach der Gründung der Ortsgruppe des ADF hatte der Verein schon Beträchtliches geleistet: „Die acht Abteilungen und Ausschüsse kamen offenbar einem vorhandenen Bedürfnis entgegen. Im ‚Rechtsschutz' füllten sich die Wartezimmer von Jahr zu Jahr mehr. Der ‚Jugendschutz' fand wachsende Beachtung bei den Behörden. In der ‚Auskunftsstelle' wurde neben Nachweis von Wohlfahrtsanstalten auch Rat für weibliche Erwerbsmöglichkeiten in der Heimat und in den Kolonien erteilt. Aus der Mädchen-Bildungs-Abteilung ging der ‚Verein für Haushaltungsschulen von 1899' hervor und der ‚Verein zur Förderung von Frauenbildung und Frauenstudium in Hamburg' mit dem ersten Mädchengymnasium hier, das vorbildlich für ähnliche Lehrstätten wurde. Die Abteilung für Arbeiterinneninteressen leitete zu der selbstständigen Organisation des ‚Vereins für Heimarbeiterinnen' über. Immer neue Gebiete der sozialen Tätigkeit wurden von den verdienstvollen ‚Sozialen Hilfsgruppen' erfasst, und die Herbeiführung der Fortbildungsschulen und der gewerbeordnungsmäßigen Lehre für Mädchen ist von dem betreffenden Ausschuss emsig gefördert worden. Der Hamburger Hausfrauen Verein verdankt der Ortsgruppe sein Entstehen", so die damaligen Berichte aus der Presse.
Auf Initiative von Anna Meinertz entstand in der Ortsgruppe des ADF die Abteilung Jugendschutz, die 1897 Sonntagsunterhaltungen für jugendliche Dienstmädchen organisierte. Als die Frauen des ADF erkannten, dass die Dienstmädchen mit sehr geringen Kenntnissen ihren Dienst antraten, gründeten Anna Meinertz und Bertha Wentzel 1898 den Ausschuss für die Vorbereitung der Dienstmädchenlehranstalt Annaheim in Alsterdorf. 1899 wurde die Anstalt unter der Leitung der beiden Damen eröffnet. Anna Meinertz gehörte dem Vorstand bis 1913 an. Außerdem gründete sie diverse Kinderhorte, von denen sie zwölf persönlich anleitete.
Anna Meinertz starb im Alter von 81 Jahren. Helene Bonfort überlebte ihre 14 Jahre ältere Lebensgefährtin um 18 Jahre.
Über die letzten Lebensjahre von Helene Bonfort ist nicht viel bekannt. Noch 1932 lebte sie allein in der Beselerstraße. Eine Haushälterin ging ihr zur Hand. Diese Margaretha Steffensen übernahm die Wirtschaft und Pflege von Helene Bonfort. Trotz dieser und weiterer Hilfe in der großen Wohnung zog Helene Bonfort mit ihrer Wirtschafterin in eine Wohnung in Blankenese und zwar in die Straße „Goßlers Park“. Als Helene Bonfort 1934 ihren 80. Geburtstag feierte, gratulierte ihr noch das Hamburger Fremdenblatt mit einem kleinen Artikel. Danach verläuft sich ihre Spur im Sande. Helene Bonfort zog nach München und wohnte in der Dürerstraße 17. 1940 wurde ihre Urne aus München zum Ohlsdorfer Friedhof überführt und am 26.6.1940 neben Anna Meinertz beigesetzt. Helene Bonforts Testamentsvollstrecker war der Hamburger Jurist Dr. Felix Julian Löwenthal (1899, 1941 deportiert nach Lodz, 1942 ermordet). Mit ihm, für den vor seinem Wohnhaus in der Olshausenstraße 15 in Hamburg Othmarschen ein Stolperstein liegt, löste Margaretha Steffensen den Haushalt von Helene Bonfort auf.
Text: Rita Bake