Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Johanne Reitze Johanne Reitze, geb. Leopolt

(16.1.1878 in Hamburg - 22.2.1949 in Hamburg)
Führende Funktionärin der sozialdemokratischen Frauenbewegung
Garten der Frauen, Ohlsdorfer Friedhof, Fuhlsbüttler Straße 756 (historischer Grabstein)
Hamburger Rathaus, Rathausmarkt (Wirkungsstätte)
Eilbektal 62 (Wohnadresse)
Namensgeberin für: Reitzeweg
Namensgeberin für: Johanne-Reitze-Weg


Ausschnitt aus dem szenischen Rundgang: "Was glaubt Ihr denn wer wir sind? - Her mit dem Frauenwahlrecht", Sprecherinnen: Rita Bake, Herma Koehn, Hanka Schmidt

Wie ihre Genossinnen Marta Damkowski, Margarethe (Grete) Wöhrmann und Grete Marie Zabe kam auch Johanne Reitze aus einer Arbeiterfamilie. So war ihr Bildungsweg ebenfalls vorprogrammiert: Volksschule, Arbeit als Dienstmädchen, später als Arbeiterin. Johanne Reitze war in einer Druckerei tätig. Dort lernte sie Kollegen und Kolleginnen kennen, die sie mit der Arbeiterbewegung vertraut machten, so dass Johanne Reitze 1902 den Entschluss fasste, in die SPD einzutreten.

3104 Johanne Reitze
Johanne Reitze, Quelle: AdsD/Friedrich-Ebert-Stiftung

Zwei Jahre zuvor hatte Johanne Reitze den sozialdemokratischen Journalisten Johannes Carl Kilian-Reitze geheiratet. Auch er wird ihren politischen Weg beeinflusst haben. Zusammen mit ihm ging sie 1904 für ein halbes Jahr auf die Parteischule nach Berlin.
Von 1908 bis 1919 war Johanne Reitze Vorstandsmitglied im Landesvorstand der Hamburger SPD und bis 1931 regelmäßig Delegierte bei den SPD-Frauenkonferenzen und SPD-Parteitagen auf Reichsebene. So war sie sicherlich daran beteiligt, als im April 1918 erstmals eine gemeinsame Kundgebung der bürgerlichen und sozialdemokratischen Frauen für das Frauenstimmrecht im Hamburger Gewerkschaftshaus stattfand. Die Zusammenarbeit zwischen bürgerlichen und sozialdemokratischen Frauen war durch die schon während des Ersten Weltkrieges zustande gekommene Kooperation auf dem Gebiet der Kriegshilfe entstanden. Der Anstoß für die Zusammenarbeit in der Kriegshilfe war vom SPD-Parteivorstand und der Generalkommission der freien Gewerkschaften ausgegangen. Sie riefen, nachdem: "die sozialdemokratische Reichstagsfraktion für die Bewilligung der Kriegskredite gestimmt hatte, die Genossinnen (...) zu einer 'allgemeinen Hilfsaktion' auf. Um eine Zersplitterung der Kräfte in der Kriegsfürsorge zu vermeiden, sollten sie gemeinsam mit den bürgerlichen Frauen im Nationalen Frauen Dienst tätig werden. Diese Aufforderung entsprach der Burgfriedenspolitik, die die Mehrheit in der SPD-Führung [so auch Johanne Reitze] seit Kriegsbeginn in dem Glauben betrieb, daß Deutschland einen 'Verteidigungskrieg gegen den russischen Despotismus' führe". (Karen Hagemann, Jan Kolossa: Gleiche Rechte, Gleiche Pflichten, Hamburg 1990.)
Neben dieser Tätigkeit in der Kriegshilfe war Johanne Reitze auch Beiratsmitglied des Hamburger Kriegsversorgungsamtes und des Speiseausschusses der Kriegsküchen und arbeitete für die Kriegsfolgehilfe und die Kriegshinterbliebenenfürsorge.
Von 1919 bis 1921 wurde Johanne Reitze Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und von 1919 bis 1933 Mitglied des reichsweiten SPD-Parteiausschusses.
Ein Höhepunkt ihrer Parteikarriere war die 1919 erfolgte Wahl in die Nationalversammlung. 310 Frauen waren für die Wahl aufgestellt worden. Das war sehr viel und hatte seine Ursache darin, dass nach der Novemberrevolution auch die bürgerlichen Parteien, die sich bis dahin gegen die staatsbürgerliche Gleichstellung der Frauen gewehrt hatten, die Frauen entdeckt hatten - schließlich waren die potentielle Wählerinnen. Neben Johanne Reitze wurden noch weitere 36 Frauen und 386 Männer gewählt. Aus dem Wahlkreis Hamburg kamen neben Johanne Reitze noch vier Männer. Bis 1928 blieb Johanne Reitze die einzige weibliche Reichstagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Hamburg.
"Johanne Reitze gehörte von 1919 bis 1932 als Abgeordnete des Wahlkreise Hamburg dem Reichstag an." (Karen Hagemann, Jan Kolossa: Gleiche Rechte, Gleiche Pflichten, Hamburg 1990, S. 41.)
Das Hauptbetätigungsfeld der Politikerinnen waren die "angestammten" so genannten Frauenbereiche wie Sozialpolitik, Wohlfahrtspflege, Jugend-, Gesundheits- und Schulpolitik. Dadurch war es den Politikerinnen nicht möglich, auf allen Politikfeldern die Interessen der Frauen einzubringen. Die "Große Politik" richtete sich weiter nach den Interessen der männlich dominierten Gesellschaft.
Über das Wirken Johanne Reitzes während der NS-Zeit ist kaum etwas bekannt. 1944 wurde sie von der Gestapo verhaftet und kam in sogenannte Schutzhaft.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie am Wiederaufbau der Arbeiterwohlfahrt beteiligt.
Seit 1951 gibt es in Hamburg Groß Borstel den Reitzeweg, benannt nach Johanne Caroline Agnes Reitze.
Seit 2007 gibt es in Hamburg Ohlsdorf den Johanne-Reitze-Weg.
Text: Rita Bake