Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Sabine Kalter

(28.3.1889 Jaroslaw – 1.9.1957 London)
Altistin
Hamburgische Staatsoper/Stadttheater Dammtorstraße 28 (Wirkungsstätte)


Bereits in ihrer ersten Rolle als Amneris neben Florence Easton in der Titelpartie von Verdis „Aida“ eroberte die galizische Jüdin Sabine Kalter, Nachfolgerin von Ottilie Metzger, 1915 die Herzen des Hamburger Publikums und feierte fortan Triumphe als Wagner- und Verdiinterpretin. Eine wunderbare Konstellation ergab sich bereits drei Wochen nach ihrem Hamburger Debüt, als sie Glucks Orpheus sang, Lotte Lehmann die Eurydike und Elisabeth Schumann den Amor. „Die schönste Stimme, die ich je gehört habe“, schwärmte Arthur Nikisch. Und nach einer Tristan-Aufführung rief sie der Dirigent des Abends, Karl Böhm an: „Ich danke Ihnen für diese Leistung und für das überwältigende Erlebnis Ihrer Brangäne!“ Aus kritischer Distanz beurteilte Jürgen Kesting die Sängerin: „Kalters Stimme war ein großer, durchschlagskräftiger Alt ohne besondere Klangqualität. Aber sie war eine dramatische Sängerin – dramatisch auch im Sinne jener exaltierten Gestik, die man aus Stummfilmen kennt. Der Ausdruck wirkt vergrößert bis zur Verzerrung. (...) Es ist ein provinzielles Singen, das durch die persönliche Manier den Mangel an sängerischer Kunstfertigkeit vertuschen soll. Insofern ist Kalter ein wichtiges Bindeglied zum modernen Bayreuther Stil.“ [1]
Bereits Anfang der 30-er Jahre versuchten die Nationalsozialisten massiven parteipolitischen Druck auf das Stadttheater auszuüben, das nach ihrem Willen „eine repräsentative Oper für das Deutsche Tor zur Welt“ sein sollte. 1931 war der jüdische Intendant Leopold Sachse gezwungen worden, die Gesamtleitung des Stadttheaters abzugeben, in den Aufsichtsrat wurden zwei Nazifunktionäre lanciert. Dennoch gelang es insbesondere dem Verwaltungsdirektor und zeitweisen Intendanten Albert Ruch immer wieder, sich schützend vor die jüdischen Ensemblemitglieder zu stellen. Es mag sein, dass dieses Klima dazu beitrug, dass Sabine Kalter sich bis 1935 an der Oper halten konnte. Nicht unwichtig war aber sicherlich auch ihr internationaler Ruf und ihre große Beliebtheit. Über einen ihrer letzten großen Erfolge als Lady Macbeth neben Hans Hotter am 7.4.1933 schrieb Heinrich Chevalley im „Hamburger Fremdenblatt“: „(...) die elementar herausgeschleuderte erste Arie entfachte einen wahren Beifallsorkan, der auf Minuten den Weitergang der Handlung unterbach“ – auch eine politische Demonstration. Am 5. Januar 1935 sang Sabine Kalter die Partie der Lady Macbeth zum letzten Mal. Zwischenfällen wie den anfänglichen Störungen durch abkommandierte SA-Truppen hielten ihre Nerven nicht stand. Vielleicht erkannte sie auch die Gefahr, in der sie schwebte. Einen Tag später emigrierte sie nach London, wo sie an der Covent Garden Opera große Erfolge feierte, ebenso wie in Brüssel und Paris. Als sie 1937 noch einmal nach Hamburg zurückkehrte, wo sie viele Jahre in der Husumer Straße gewohnt hatte, wurde ihr von der Polizei schroff erklärt, dass sie in der Stadt unerwünscht sei. Mit der Schließung der Londoner Oper im Jahre 1939 beendete Sabine Kalter ihre Opernkarriere. Fortan konzertierte und unterrichtete sie.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab Sabine Kalter am 23. Oktober 1950 einen letzten Liederabend in der Musikhalle für „ihr“ Hamburger Publikum mit Werken von Brahms, Schubert, Dvorák und Wolff. „Man bereitete Sabine Kalter gleich zu Anfang eine Ovation des Wiedersehens, wie man sie selten im Konzertsaal erlebt. Sie selbst meisterte nur mühsam ihre Rührung“, schrieb das „Hamburger Abendblatt“ am 24.10.1950.
Text: Brita Reimers