Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

INCI INCI - Internationale Cultur und Information für Frauen und Mädchen

Große Brunnenstraße 19 (damals), Zeißstraße 26 (heute)


Entstanden aus einer Arbeitsgruppe in der AFI (Altonaer Fraueninitiative, Neue Frauenbewegung) begann 1979 der internationale Treffpunkt für Frauen und Mädchen („INCI – Internationale Cultur und Information für Frauen und Mädchen“) mit seiner Arbeit. 1982 wurde aus dieser Arbeitsgruppe ein Verein mit dem Namen INCI e.V. (ein türkischer Frauenname, der „Perle“ bedeutet).
Über die Anfänge von INCI zitieren Gabriele Brockmann und Elisabeth von Dücker in ihrem Beitrag über INCI eine „INCI-Frau“: „An einem heißen sonnigen Tag im Sommer, (…) wir waren gerade in die große Brunnenstraße gezogen, haben wir alle Stühle und Tische vom Sperrmüll auf die Straße gestellt und gestrichen (…). Ich werde es nie vergessen: (…) und dann malten wir diese alten Dinger an: lila! War ja selbstverständlich für uns: Schließlich kamen wir mit unserem Engagement für die Ausländerinnen aus der Frauenbewegung, rechneten uns dazu, das sollte deutlich werden! Frauenzeichen überall, die Farbe lila … das war das Programm in unserem Kopf: Emanzipation von uns, von den Migrantinnen, oder besser: für sie (…).“ (Gabriele Brockmann, Elisabeth von Dücker „Vorwärts – und schon vergessen? Altonas Neue Frauenbewegung entläßt ihre Töchter“, in: Aufgeweckt. Frauenalltag in vier Jahrhunderten. Ein Lesebuch“ hrsg. von der Frauengeschichtsgruppe im Stadtteilarchiv Ottensen, Hamburg 1988, S. 209f.)

4537 Zeissstrasse
Zeißstr. 26 + 28; Foto:© kulturkarte.de/schirmer

Über die damaligen Ziele und Angebote von INCI heißt es in diesem Aufsatz: „Wir wollen die Probleme des Frau-Seins in dieser Gesellschaft, als Migrantin in der BRD in den Vordergrund stellen und gemeinsam bearbeiten (weniger die Formulare). Wir wollen einen Ort und eine Atmosphäre schaffen, wo sich die Frauen angenommen fühlen. In der Gruppenberatung wollen wir die Möglichkeit schaffen, im Austausch die Gemeinsamkeit der Situation als Frau und Migrantin in der BRD zu erfahren und voneinander zu lernen. Wir wollen mit den Frauen zusammen ihre Interessen gegenüber den verschiedenen Behörden vertreten. Wir wollen ihnen Hilfestellung geben, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Wir wollen gemeinsam politische Forderungen und Ziele durchsetzen. Wir wollen eine Instanz sein, die hinter ihnen steht.“ (S. 214.)
In seiner Selbstdarstellung aus dem Jahre 1987 heißt es über INCI: „Unser Ziel ist es, einen Ort zu schaffen, an dem sich ausländische Frauen und Mädchen treffen können, wie es viele aus ihrem Heimatland kennen. Außerdem sollen sie die Gelegenheit haben, an Beratungen und Sprachkursen teilzunehmen, um in ihrem Leben hier in der BRD mehr Handlungsmöglichkeiten zu erlangen.
Unser Angebot umfaßt z. Zt.: Beratung (türkisch, arabisch, spanisch, deutsch), Alfabetisierung (türkisch, arabisch), Deutsch-, Näh-,Schwimm- und Gymnastikkurse, einen Offenen Nachmittag für türkisch- und spanischsprechende Frauen sowie eine Mädchengruppe und einen Nachhilfekurs für Mädchen. INCI bietet außerdem für ausländische Mädchen eine Ausbildungsbegleitung und –betreuung an (Fach- und Deutschunterricht, persönliche Beratung) und zwar seit 1983 als Modellversuch nur für Krankenpflegeberufe, seit 1986 zusätzlich für alle Ausbildungsberufe.“ (Hamburger Frauenstadtbuch. Hrsg. von Ulrike Helbig und Fraueninfobus. Hamburg 1987.)
Über diese Ausbildungshilfe für Mädchen lassen Gabriele Brockmann und Elisabeth von Dücker in dem oben bereits erwähnten Aufsatz INCI-Frauen sprechen: „Erfahrungsgemäß werden ausländische Mädchen im Unterricht an den Berufsschulen wenig berücksichtigt. (…) Durch Förderunterricht in Deutsch und allen Unterrichtsfächern der Berufsschule versuchen wir, die Mädchen in ihrer Ausbildung zu unterstützen. Im Betrieb wird von den Mädchen nicht nur erwartet, daß sie sich in Deutsch sehr gut ausdrücken können, sondern sie sollen auch perfekt nach deutschen Verhaltensmustern funktionieren. Ihre Herkunft und Kultur wird meist nicht berücksichtigt (…). So kommt es im Betrieb häufig zu Mißverständnissen und Verletzungen, und die Mädchen bekommen Ausländerfeindlichkeit zu spüren. Über diese Situation können die Mädchen mit uns in Gruppen oder einzeln ausführlich sprechen und gemeinsam nach Wegen suchen, damit umzugehen. (…) Durch Gespräche mit Betrieben und anderen Einrichtungen (…) versuchen wir, den Zugang zu Ausbildungsplätzen für ausländische Mädchen zu verbessern (…) Viel zu leicht lasten wir deutschen Frauen bestimmte Schwierigkeiten im Leben den Migrantinnen selbst an oder der ‚patriarchalischen Familienstruktur‘ (…). Solche Denkmuster hatten auch noch viele deutsche Kolleginnen bei INCI. So dachten sie z. B., daß es für die Mädchen während der Ausbildung sehr günstig sein würde, wenn sie etwa in einem Schwesternwohnheim wohnen würden. Nachdem viele dort eingezogen, fast alle aber nach wenigen Monaten wieder nach Hause zurückgezogen waren, wurden wir stutzig: Wir hatten ‚übersehen‘, daß es für die Mädchen viel viel wichtiger war, den liebevollen und verständnisvollen Rückhalt in der Familie zu spüren, als ungestört lernen zu können… Keines der Mädchen ist durch das Krankenpflege-Examen gefallen – solange sie ein wirklich gutes Verhältnis zu ihren Familien hatten. (…)
Wir sehen in der Forderung nach ‚Integration‘, wie sie von der deutschen Gesellschaft erhoben wird, einen Anpassungsdruck auf die ausländischen Frauen und Mädchen. Die Verbesserung ihrer Lage wird ausschließlich von ihrer persönlichen Veränderung, Anpassung, Integration und Emanzipation abhängig gemacht, anstatt ihre rechtliche und materielle Diskriminierung zu beseitigen. In der gemeinsamen Auseinandersetzung mit den ausländischen Kolleginnen müssen die Deutschen lernen, ihren Blickwinkel zu ändern. (…).“ (S. 216f.)
Heute (2019) bietet INCI Deutschkurse an, siehe: www.inci-hamburg.de/%C3%BCber-uns/
Dies Angebot wird sehr stark von jüngeren Frauen mit kleinen Kindern im Krippenalter nachgefragt, da INCI eine der wenigen Einrichtungen sind, die die Integrationskurse/Deutschkurse nur für Frauen und mit Tagesmütterbetreuung anbieten.
Sein heutiges (2019) Leitbild beschreibt INCI wie folgt: "INCI setzt sich für eine Gesellschaft ein, in der alle Menschen, ganz gleich welcher Herkunft und welchen Geschlechts sie sind, die gleichen Chancen und Möglichkeiten haben, ein Leben in Würde und Frieden zu führen. Die Menschen akzeptieren sich in ihrer Vielfalt und sehen Unterschiede als Bereicherung und besonderes Potenzial für die Gesellschaft und nicht als Belastung oder Bedrohung an. Im Hinblick auf Migrantinnen bedeutet dieses, dass sie nicht wegen ihrer Hautfarbe, Religion oder nicht-deutschen Herkunft diskriminiert werden und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Schon allein durch ihre Zweisprachigkeit verfügen Migrantinnen über Ressourcen, die in unserer globalisierten Welt immer wichtiger sind. Bezogen auf Bildung heißt das, dass jeder Mensch gemäß seinen individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten gefördert und ausgebildet und nicht aufgrund seiner sozialen Position benachteiligt wird.
Der Träger INCI e. V: verfügt über eine mehr als fünfundzwanzigjährige Erfahrung in der Bildungs- und Beratungsarbeit für Frauen mit Migrationshintergrund in dem sehr stark durch Migration geprägten Stadtteil Hamburg Altona/Ottensen. Ein Hauptschwerpunkt in der Arbeit waren von Anbeginn die Deutschkurse- und Alphabetisierungskurse, die vom Sprachverband und der Hamburger Schulbehörde finanziert wurden, seit 2005 als Integrationskurse vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert werden.
INCI bietet neben Bildungsmöglichkeiten auch Begegnungsräume für Frauen, wo sie sich treffen und auch Feste zusammen feiern können.
Unser Ziel ist es, sowohl die Integration in die hiesige Gesellschaft als auch die Akzeptanz und das Miteinanderleben und Voneinanderlernen der unterschiedlichen Kulturen zu unterstützen. Dabei geht es auch um die Förderung der interkulturellen Kompetenz, weil INCI einen Beitrag dazu leisten möchte, dass das interkulturelle Gemeinsame als ein gesellschaftlicher Wert und gesellschaftliches Leitziel Anerkennung findet.
Deshalb richten sich unsere Angebote ausdrücklich an Teilnehmerinnen unterschiedlichster Herkunft: INCI ist offen für Frauen verschiedenen Alters und mit ganz verschiedenen Bildungsvoraussetzungen. Sie sind Neuzuwanderinnen oder schon lange hier lebend. Viele von ihnen haben Kinder und sind in der Erziehungsphase oder haben ihre Kinder schon großgezogen, so dass sich ein generationsübergreifender Austausch entwickeln kann. Damit ist es möglich, Freundschaften über Generationen und Länderherkunft zu knüpfen, sich gegenseitig zu unterstützen und die häufig vorhandene Isolation aufzubrechen.
Es ist uns wichtig, unser Angebot so auszurichten, dass es insbesondere auch von jungen Müttern in Anspruch genommen werden kann. So finden die Kurse deshalb am Vormittag während der Schulzeit statt und es gibt im Haus eine Betreuung für Kleinkinder. In diesem Zusammenhang erhielt INCI für das Projekt 'Mutter-Kind-Sprachförderung' 2004 den Hauptpreis der Körber-Stiftung, die 'Hamburger Tulpe'."
Siehe über INCI auch unter Frauenbewegung in den Jahren 2000-2010