Biografien-Datenbank: Frauen aus Hamburg

Bertha Wendt Bertha Wendt, geb. Bahnson

(6.10.1859 Hamburg - 11.3.1937 in Hamburg)
Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft (DDP), organisiert in der bürgerlichen Frauenbewegung
Fuhlsbüttler Straße 756, Ohlsdorfer Friedhof: Grab.-Nr.: W 8, 184-191, ab Herbst 2020 Grabstein im Garten der Frauen auf dem Ohlsdorfer Friedhof
Oderfelder Straße 11 (Wohnadresse)
Hamburger Rathaus, Rathausmarkt (Wirkungsstätte)


3101 Bertha Wendt
Bertha Wendt, Foto: Staatsarchiv Hamburg

Geboren wurde Bertha Bahnson als erstes von acht Kindern des Gymnasiallehrers Prof. Dr. Franz Wilhelm Bahnson (1826-1919) und seiner Ehefrau Rosalie, geb. Philipp (1839-1884). Bertha Bahnsons Mutter war jüdischer Herkunft und ließ sich vor ihrer Hochzeit evangelisch taufen.

Bertha Bahnson besuchte die Höhere Töchterschule und die Klosterschule St. Johannis. 1878, im Alter von knapp 19 Jahren heiratete sie den Lehrer und späteren Reichstagsabgeordneten Prof. Dr. Gustav Wendt (1848-1933), der 1901 Leiter der vom Verein Frauenbildung und Frauenstudium gegründeten Real- und später Gymnasial-Kurse für Mädchen wurde. Diese Schule wurde auch Wendt’sches Gymnasium für Mädchen des Vereins für Frauenbildung und Frauenstudium genannt. 1919 erhielt Gustav Wendt eine Dozentur an der Universität Hamburg. Politisch gehörte er der Fortschrittspartei an, für die er 1881 für den Wahlkreis 18 (Stade) in den Reichstag gewählt wurde. 1884 schied er aus seiner Fraktion aus und war dann noch sechs Monate fraktionslos im Reichstag vertreten.

Bertha Wendt bekam mit ihrem Mann acht Kinder. Außerdem nahm sie nach dem frühen Tod ihrer Mutter ihre beiden jüngeren Brüder Fritz (acht Jahre) und Rudolph (3 Jahre) auf.[1]

Kinderschutz, hauswirtschaftliche Ausbildung für Mädchen und die Abstinenzbewegung, das waren Bertha Wendts Themen, denen sie ihre Kraft widmete. Auch ihr jüngerer Bruder Regierungsbaumeister, Oberbaurat Karl Erasmus Bahnson (1862-1944) war Abstienenzler.[1]

Bertha Wendt war führend in der bürgerlichen Frauenbewegung, und schon Jahre bevor die Frauen das Wahlrecht erlangten, begann sie, sich politisch zu betätigen. So wurde sie 1911 in den Vorstand der Vereinigten Liberalen gewählt.

Bertha Wendt trat auch vehement für die Abschaffung des Lehrerinnenzölibats ein, denn sie war der Auffassung, dass alle Frauen das Recht auf einen Beruf haben sollten. (Siehe auch dazu den Eintrag Verein Hamburger Volksschullehrerinnen)

Im Ersten Weltkrieg wandte sich Bertha Wendt anderen Aufgaben zu. Sie organisierte Kriegsküchen und leistete Aufklärung über praktische Ernährung. Außerdem stellte sie Unterkünfte für heimkehrende Soldaten und alleinstehende Frauen bereit.

Nach dem Krieg und nachdem 1918 die Frauen das Wahlrecht erlangt hatten, begann Bertha Wendt mit der politischen Frauenbildungsarbeit. Als Führerin der demokratischen Frauen richtete sie für Frauen Notkurse in politischer Bildung ein und leitete solche Kurse selbst noch im Alter von 70 Jahren.
Von 1919 bis 1924 war Bertha Wendt für die Deutsche Demokratische Partei (DDP) Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft.

In ihrer Amtszeit als Bürgerschaftsmitglied engagierte sich Bertha Wendt besonders für Frauen- und Kinderfragen. Außerdem war sie Vorsitzende der demokratischen Frauengruppe Hamburg.

Sabine Kienitz und Angelika Schaser gehen in ihrem 2024 erschienenen Buch „So ist die neue Frau? Hamburgerinnen in den 1920er Jahren“ auf Bertha Wendts und Elisabeth Seifarths Forderungen ein, auch für verheiratete Frauen einen Meldeschein einzuführen. Hintergrund dazu: Alle nach Hamburg zuziehenden erwachsenen Menschen mussten innerhalb einer Woche nach dem Umzug einen Meldeschein ausfüllen. „Der Meldeschein gehörte zu einer Reihe von Dokumenten, mittels derer ein Mensch damals den Behörden gegenüber seine Identität nachweisen konnte. (…) Wer volljährig war, war verpflichtet, einen eigenen Meldeschein zu beantragen. Auf diesem Weg kamen dann auch unverheiratete Frauen zu einem solchen Ausweispapier. Für verheiratete Frauen sah die Situation allerdings sehr viel schlechter aus: Bis Mitte der 1920er Jahre hatten sie kein Anrecht und keine Möglichkeit, einen eigenen Meldeschein zu bekommen, sondern waren – wie alle unverheirateten, minderjährigen Personen bis zum Alter von zwanzig Jahren – als Haushaltsmitglied auf dem Meldeschein des Ehemannes namentlich aufgeführt und über seinen Identitätsnachweis definiert. Pro Haushalt existierte demnach nur ein einziger Meldeschein, immer ausgestellt auf den Namen des Mannes,“ 1) schreibt Sabine Kienitz.

Dass Ehefrauen keinen eigenen Meldeschein besaßen, wirkte sich zum Beispiel auch bei Wahlen negativ aus. Hatten die Frauen nun schon nach langen Kämpfen 1919 endlich das Wahlrecht errungen, so konnte es passieren, dass verheiratete Frauen nicht ihr Recht zum Wählen ausüben konnten, wenn zum Beispiel der Ehemann, nachdem er zur Wahl gegangen war, weggefahren war und seinen Meldeschein mitgenommen hatte oder wenn er sich weigerte, seiner Frau den für die Wahl benötigten Meldeschein auszuhändigen. Bertha Wendt forderte 1924 im Parlament einen eigenen Meldeschein für die verheiratete Frau und zwar u. a. mit den Worten: „Wir sind nicht nur die Frau des Mannes, sondern auch sonst noch jemand.“ 2) Doch dem Anliegen von Frau Wendt wurde nur mit Heiterkeit von Seiten der Männer im Parlament begegnet.3) 1926 beschloss dann der Senat, verheirateten Frauen auf deren Antrag hin, einen eigenen auf ihren Namen lautenden Meldeschein auszustellen. Obligatorisch wurde solch ein Meldeschein für verheiratete Frauen also nicht. Er wurde nur auf Antrag ausgestellt.

Außerhalb der Parteipolitik engagierte sie sich in der Ortsgruppe Hamburg des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins auf dem Gebiet des Jugendschutzes. Hier kümmerte sie sich insbesondere um die Unterbringung und weitere Betreuung schulentlassener Mädchen und um die Überwachung des Koststellennachweises für uneheliche Kinder. Außerdem richtete Bertha Wendt Heimstuben für weibliches Hauspersonal ein, übernahm Vormundschaften, arbeitete im Verein gegen Ausnutzung und Misshandlung von Kindern, war als Waisenpflegerin und in der Ferienkolonie Waltershof tätig. Auch ihr jüngerer Bruder Pastor Otto Christian (geb. 1865) engagierte sich im Kinderschutz. So gründete er 1902 den Verein Kinderschutz und Jugendwohlfahrt (damals unter dem Namen: Zweigverein zum Schutze der Kinder vor Ausnutzung und Mißhandlung für Hamburg und Altona).4)
Bertha Wendt war Mitglied im Frauenklub Hamburg, im Deutschen Bund Abstinenter Frauen, im Verband Norddeutscher Frauenvereine und im Hamburger Zweig für Frauenstimmrecht. Ebenso. engagierte sie sich in der Bewegung für Mütterabende.
Die ab 1903 einberufenen Mütterabende waren eine gemeinsame Aktion des Vereins Hamburger Volksschullehrerinnen und der Ortsgruppe Hamburg des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins (ADF), „die, so die Historikerin Kirsten Heinsohn: eine ‚Annäherung von Schule und Haus‘ bewirken sollten. Die beiden Vereine wollten Lehrerinnen und Mütter zusammenbringen, um gemeinsam über Erziehung und Förderung der Töchter zu sprechen. ‚Alle Pädagogen betonen die große Bedeutung der mütterlichen Erziehung, die durch nichts zu ersetzen sei, darum soll mit den Müttern über Erziehungsfragen gesprochen werden, über manches könnten die Mütter belehrt werden. Ebenso könnten die Frauen den Lehrerinnen mit mancherlei Erfahrung dienen. Die Meinung der Mütter zu hören, sei sehr wertvoll. Damit dieselben aber ungezwungen aus sich heraus kämen, müsse man mit ihnen allein sein. In Gegenwart von Männern würden die meisten Frauen nicht frei sprechen mögen.‘ (…) Die Lehrerinnen wandten sich vehement gegen die traditionellen Formen der Mädchenbildung, die den betroffenen Müttern aus eigener Erfahrung durchaus hinreichend erschien. Die schrittweise Reorganisation des Mädchenschulwesens sowie die Bemühungen der organisierten Lehrerinnen, die Eltern von der Notwendigkeit einer Berufsausbildung für Mädchen zu überzeugen, bewirkten eine zunehmende Distanz zwischen der Welt der Schule und dem häuslichen Leben. Infolgedessen entfernten sich die Erfahrungen und Lebenswelten von Müttern und Töchtern so sehr, daß eine Vermittlung durch die Lehrerinnen notwendig erschien. (…)
Ein zweites Motiv für die Mütterabende war jedoch auch die Mitgliederwerbung für Frauenvereine.“5)
1904 wurden die Mütterabende eingestellt.
Zu Bertha Wendts 70. Geburtstag organisierte der Stadtbund hamburgischer Frauenvereine für sie eine Teestunde, an der rund 100 Frauen teilnahmen. Emma Ender, die diesen Nachmittag vorbereitet hatte, Klara Fricke, als Vorsitzende der Ortsgruppe Hamburg des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins und Helene Bonfort hielten kleine Reden. Letztere bezeichnete Bertha Wendt in ihrer Laudatio als "Lehrmeisterin".6)
Für ihre karitativen Arbeiten erhielt Bertha Wendt das Verdienstkreuz.
1933, nach dem Tod ihres Mannes, mit dem sie 1928 noch Goldene Hochzeit gefeiert hatte, zog sich Bertha Wendt aus der Öffentlichkeit zurück und starb am 11.3.1937 in ihrer Wohnung in der Oderfelderstraße 11.
Text: Dr. Rita Bake